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Interview: "Eine Frau zu sein, ist noch kein Wahlprogramm"

Quelle
Der Bund

In Worb wird Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) von Lenka Kölliker (FDP) herausgefordert. Für sie entwickelt sich die Gemeinde zu wenig, er macht dafür den Kanton verantwortlich.

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Lenka Kölliker oder Niklaus Gfeller: Wer hat inskünftig in Worb das Sagen? (Bild: Adrian Moser)
Wenn Sie in der Stadt Bern wohnten: Würden Sie in der Stichwahl fürs Stadtpräsidium Alec von Graffenried oder Ursula Wyss wählen?
Niklaus Gfeller: Klar von Graffenried. Er vertritt meine Werte besser.
Lenka Kölliker: Dem schliesse ich mich an. Von Graffenried kann dank seinen beruflichen Erfahrungen den besseren Leistungsausweis vorweisen. Eine Frau zu sein, ist noch kein Wahlprogramm.

Die Geschlechterfrage stellt sich auch in Worb.
Gfeller: Die Zeiten sind vorbei, als es hiess, ein Posten müsse unbedingt mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden. Heute geht es darum, wer die Gemeinde besser führen kann.
Kölliker: Diese Frage sollte nicht aufs Geschlecht reduziert werden. Ich begrüsse es, wenn sich mehr Frauen in der Politik engagieren. Doch auch Frauen müssen sich für eine Kandidatur eignen. Ich bin keine Freundin von Frauenquoten. Viel wichtiger sind die Rahmenbedingungen, also genügend Kinderbetreuungsplätze oder Tagesschulen.

Herr Gfeller, warum eignen Sie sich besser als Frau Kölliker?
Gfeller: Ich habe mehr politische Erfahrung. Seit 18 Jahren bin ich Grossrat, seit 13 Jahren Worber Gemeinderat und seit 8 Jahren Gemeindepräsident.
Kölliker: Viele Jahre in einem Amt zu sein, ist noch keine Erfolgsgarantie, wie die vielen aktuellen Projekte zeigen. Für mich zählt der Einsatz, ich will die Herausforderungen der Zukunft angehen. Ich will auch mehr handeln.

Welches ist Ihr grösster Erfolg?
Kölliker: Ich war vier Jahre Präsidentin der FDP Worb. Bevor ich Gemeinderätin wurde, war ich drei Jahre im Parlament. Dort konnten wir einige Geschäfte durchbringen. Zudem bin ich bei den FDP-Frauen Kanton Bern aktiv und bringe Erfahrung aus der Wirtschaft mit.
Gfeller: Mein grösster Erfolg ist die neue Umfahrungsstrasse. Vor acht Jahren, als ich Gemeindepräsident wurde, waren die Chancen gering, dass das Projekt realisiert wird. Der Bundesrat hatte es abgelehnt, sich an den Kosten zu beteiligen. Trotzdem konnte die Strasse unterdessen eröffnet werden.

Frau Kölliker, wie hat sich Worb unter Gfeller entwickelt?
Kölliker: Die Eröffnung der Umfahrung ist erfreulich, sie wurde aber vorher und von anderen aufgegleist. Es wurden zudem keine neuen Wohnungen gebaut, auch wirtschaftlich hat sich die Gemeinde zu wenig entwickelt. Mehrere Projekte verlaufen schleppend oder sind blockiert. In Rüfenacht wartet man seit fünf Jahren auf die Umgestaltung des Sonnen-Areals. Das ist inakzeptabel und nicht würdig für Rüfenacht.
Gfeller: Auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei in Rüfenacht entstanden neue Wohnungen. Dass es nicht mehr sind, ist auf die abgelehnte Ortsplanungsrevision zurückzuführen. Beim Sonnen-Areal gab es drei Vorprüfungen durch den Kanton. Das ist unsäglich. Der Kanton sollte schon beim ersten Mal in genügender Qualität aufzeigen können, was bei der Planung geändert werden muss. Sonst geht zu viel Zeit verloren.
Kölliker: Im Worbboden hätte es einen Investor für ein Grossprojekt gegeben. Da hätte man alles unternehmen müssen, damit es realisiert wird.
Gfeller: Dort befindet sich ein kantonaler Entwicklungsschwerpunkt Arbeiten. Der Kanton sprach sich gegen eine Mischnutzung mit Wohnen und Gewerbe aus. Ich frage mich aber, ob der Kanton künftig an dieser Argumentation festhalten kann. Die Wohnfläche wird überall im Kanton knapp.

Sie kritisieren den Kanton, wie steht es um die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern?
Gfeller: Wir arbeiten im Rahmen der Regionalkonferenz gut zusammen.

Den Beitrag an die Stadttheater-Sanierung hat Worb aber stark gekürzt.
Gfeller: Wir hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten, um den vollen Betrag bezahlen zu können.
Kölliker: Auch in Worb haben wir Freizeitangebote, wie den Wislepark oder das Kino. Wir müssen nicht immer nach Bern fahren.
Gfeller: Ein Stadttheater gibt es bei uns aber nicht.
Kölliker: Das ist klar. Wir unterstützen es ja auch nach wie vor, einfach in kleinerem Rahmen.

Andererseits könnte sich die Stadt Bern ja an der Rettung des Sportzentrums Wislepark beteiligen.
Gfeller: Das verlange ich nicht. Sie sprechen aber einen wichtigen Punkt an. Mich stört, dass die meisten Freibäder in der Stadt Bern gratis benutzt werden können. Das ist beim Wislepark nicht möglich. Daher gehen die Leute zum Teil nach Bern baden, und wir haben Verluste.


Was sollte sich im Wislepark ändern?

Kölliker: Um das sagen zu können, wäre mehr Transparenz nötig. Die vorliegende Spartenrechnung liefert zu wenig Anhaltspunkte. Der Wislepark ist ein Standortvorteil. Ich bin bereit, ihm mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sofern dieses in die Bereiche Eisbahn und Schwimmbad fliesst. Die Höhe des Betrags ist sekundär.
Gfeller: Die jetzige Betriebsform, bei der alles aus einer Hand geführt wird, ist die ertragsversprechendste. Bad und Eisbahn müssen von der öffentlichen Hand unterstützt werden, so wie das überall in der Schweiz bei solchen Anlagen der Fall ist. Ich stehe auch hinter den Bereichen Gastro, Wellness und Fitness. Diese werfen einen Ertrag ab, womit das Defizit gesenkt werden kann.


Herr Gfeller, Sie wollen künftig besser kommunizieren. Wie?

Gfeller: Der Gemeinderat will vermehrt direkt mit der Bevölkerung in Kontakt treten und etwa in der «Worber Post» selbst Seiten gestalten. Bei der Verkehrssanierung haben wir damit gute Erfahrungen gemacht.
Kölliker: Ich würde mehr runde Tische organisieren, bevor ein Geschäft verabschiedet wird.
Gfeller: Bei der Ortsplanungsrevision haben wir mit den Foren, die wir durchführten, gute Erfahrungen gemacht.
Kölliker: Es sollten mehr solche Anlässe stattfinden. In letzter Zeit bildeten sich einige Interessengemeinschaften. Dies ist ein Ausdruck davon, dass die Leute den Dialog suchen. Wir müssen sie früher abholen.
Gfeller: Ich habe keine Vorbehalte gegenüber Interessengemeinschaften. Ich begrüsse sie. Die Parteien sind heute nicht mehr in dem Mass Sprachrohr für die Bevölkerung wie früher.


Eine wichtige Rolle in der Stichwahl spielt die SP. Ihr Kandidat ist ausgeschieden, jetzt unterstützt die SP Gfeller. Frau Kölliker, wie haben Sie das aufgenommen?

Kölliker: Ich bin überrascht. Die SP war in der Vergangenheit immer wieder unzufrieden mit Gfeller. In den letzten acht Jahren ist sie dreimal gegen ihn angetreten. Nun ist die SP plötzlich für ihn. Ich akzeptiere ihren Entscheid jedoch.

Herr Gfeller, haben Sie sich mit der SP nach dem heftigen Wahlkampf von 2012 versöhnt?
Gfeller: Wahlen gehören zu unserem politischen System, jeder kann daran teilnehmen. Die SP brachte vor vier Jahren einen eigenen Kandidaten, weil sie der Meinung war, dieser sei besser geeignet als ich. Das ist für mich kein Grund, um der SP etwas vorzuwerfen. Wer damit nicht umgehen kann, hat in der Politik nichts verloren. Nun hat die FDP auch jemanden aufgestellt. Deswegen habe ich weder mit der FDP noch mit der SP Krach.

Blicken Sie nicht neidisch nach Muri oder Ostermundigen, wo Ihre Kollegen in stiller Wahl bestätigt wurden?
Gfeller: Ich vertrete die Haltung, dass ein Wahlkampf gut ist. Wenn man vom Volk bestätigt wird, gibt das einem die Legitimation zum Weitermachen. Wahlen führen auch dazu, dass sich die Leute mit der Politik beschäftigen. Sie sollen sich überlegen, wer für sie am besten geeignet ist.

Haben Sie sich auch mit einer Abwahl beschäftigt?
Gfeller: Nein. Als ich gewählt wurde, war mir klar, dass es jederzeit vorbei sein kann. Eine Abwahl wäre wie eine fristlose Kündigung. Das hängt mit dem späten Wahltermin zusammen. Ich bin der Meinung, dass dieser nach vorne geschoben werden müsste.
Kölliker: Wenn ich gewählt würde, könnte ich am 1. Januar anfangen. Es gäbe jedoch eine Übergangszeit, damit ich meine jetzige Stelle geordnet übergeben kann.

Stechen am 18. Dezember

SVP unterstützt Kölliker
Amtsinhaber Niklaus Gfeller (EVP) gegen Gemeinderätin Lenka Kölliker (FDP): So lautet das Duell in der Stichwahl ums Worber Gemeindepräsidium am 18. Dezember. Der erste Wahlgang endete mit einem knappen Resultat. Gfeller sicherte sich 1469 Stimmen, Kölliker 1398. Der dritte Kandidat, Christoph Moser (SP), brachte es auf 885 Stimmen. Er schied damit aus.

Entscheidend wird nun sein, wen die Leute wählen, die im ersten Durchgang für Moser waren. Dabei könnte Gfeller im Vorteil sein. Denn die SP stellt sich jetzt hinter ihn – weil er sich «weniger weit weg» von der politischen Agenda der SP befinde, wie die Partei in einer Mitteilung von letzter Woche schrieb. Gfeller wird auch von der BDP und der GLP unterstützt. Kölliker kann neuerdings auf den Support der SVP zählen. Diese hatte im ersten Durchgang noch Stimmfreigabe beschlossen. Als Bürgerliche sei Kölliker der SVP näher, teilte die Partei gestern mit. Als erste Worber Gemeindepräsidentin könne sie «frischen Wind» in den von Männern dominierten Gemeinderat bringen.

Siehe auch News-Berichte:
- "Viel Willenskraft und Aufbruchstimmung": Worber SVP für Lenka Kölliker
- Worb - BDP unterstützt weiterhin Niklaus Gfeller vom 8.12.2016
- Worb - SP plus Grüne unterstützen im zweiten Wahlgang Niklaus Gfeller vom 3.12.2016
- Worber Gemeindepräsidentenamt: Es kommt zur Stichwahl zwischen Gfeller und Kölliker vom 27.11.2016

Autor:in
Adrian Schmid, "Der Bund"
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 09.12.2016
Geändert: 09.12.2016
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