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Walkringen - Auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt

Quelle
Berner Zeitung BZ

Das Projekt «Trotz-dem» begleitet seit 10 Jahren ausgesteuerte, arbeitslose Menschen zurück in die Arbeitswelt. Das Projekt lebt vor allem von der Freiwilligkeit – sowohl der Mitwirkenden als auch der Arbeitslosen.

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Sie ziehen an einem Strang: Ramona Christen, Ursula Röthlisberger, Vreni Schneider und Ruth Frank (von links). (Bild: Urs Baumann)

Ramona Christen steht heute wieder fest im Berufsleben. Als Küchenchefin zaubert sie ihren Gästen mehrmals die Woche Köstlichkeiten auf den Teller. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders. Da stand sie vor dem beruflichen Nichts. Abgebrochene Lehre, RAV, Sozialamt: Wenn einem die Abwärtsspirale einmal erfasst hat, kommt man aus eigener Kraft fast nicht mehr heraus.

Ramona Christen fand Hilfe bei «Trotz-dem». Das von Freiwilligenarbeit getragene Projekt des Regionalen Sozialdienstes Konolfingen vermittelte ihr ein Praktikum im Restaurant Sternen in Walkringen. «Geplant waren drei Monate, aber ich blieb ein ganzes Jahr», so Christen. Die zusätzlichen Monate taten ihr gut. Mit jedem Tag wuchsen die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen. Sie schaffte den Sprung vom Praktikum in den Arbeitsmarkt schliesslich problemlos.

Ein schwieriger Weg zurück

Noch immer hat Ramona Christen zu Ursula Röthlisberger, ihrer damaligen Chefin, ein spezielles Verhältnis. Denn die Sternen-Wirtin ist für ihre Praktikanten mehr als eine Arbeitgeberin – sie ist eine Bezugsperson. «Die Küche ist ein perfekter Ort zum Reden», sagt Röthlisberger. Wertvolle Gespräche flechten sich in den Arbeitsalltag ein. Meist haben die jungen Menschen, die bei Ursula Röthlisberger ein Praktikum machen, schlechte Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt. Das wird während des Praktikums aufgearbeitet. «Mich betrübt, dass viele mir sagen, sie hätten in der Arbeitswelt nie wirklich eine Wertschätzung erhalten. Dabei kostet ein Kompliment ja nichts», so Röthlisberger.

Nicht immer gelingt der Wiedereinstieg ins Berufsleben so gut wie bei Ramona Christen. In den 10 Jahren seit es «Trotz-dem» gibt, wurde 35 Arbeitslosen ein Praktikum vermittelt. 22 dieser Arbeitseinsätze konnten erfolgreich zu Ende geführt werden, 9 haben heute wieder eine feste Stelle. Das mag auf den ersten Blick keine umwerfende Quote sein. Aber man muss bedenken, wie schwierig es ist, dass ausgesteuerte Arbeitslose sich wieder in einem geregelten Alltag zurechtfinden.

Dass ein Wiedereinstieg dennoch immer wieder klappt, liegt nicht zuletzt am Engagement der Helfer. Marlis Dobler und Peter Hügli betreuen die Einsätze im Restaurant Sternen. Sie sind zwei von insgesamt zehn Freiwilligen, die sich für das Projekt «Trotzdem» engagieren. Hügli beschreibt ihre Aufgabe so: «Wir sind das Bindeglied zwischen den Klienten, den Arbeitgebern und dem Sozialdienst.» Sie vermitteln und gehen auch immer wieder auf potenzielle neue Arbeitgeber zu und fragen, ob sie beim Projekt mithelfen wollen. Wenn ein Arbeitgeber aber nur darauf spekuliert, eine kostenlose Arbeitshilfe zu erhalten, ist er fehl am Platz: «Es braucht auch eine entsprechende Betreuung, sonst funktioniert es nicht», sagt Hügli. Dass ein Einsatz erfolgreich verläuft, liegt den Freiwilligen nämlich sehr am Herzen. «Man lebt teilweise richtig mit. Umso schöner ist, wenn es jemand wirklich wieder schafft, Fuss zu fassen», sagt Marlis Dobler.

Keine finanziellen Vorteile

Begleitet wird «Trotz-dem» von Ruth Frank, Projektverantwortliche beim Regionalen Sozialdienst Konolfingen, und Vreni Schneider, Projektleiterin. Da die finanziellen Mittel knapp sind, ist das Projekt auf Freiwillige und Arbeitgeber angewiesen, die sich engagieren wollen. «Im Moment fehlen uns vor allem Angebote im Bereich Büroarbeit und Fahrdienste», sagt Schneider.

Aber schon jetzt kann das Team von «Trotz-dem» auf ein weites Netz an Arbeitgebern zurückgreifen. Nicht nur in Walkringen, sondern auch in anderen Gemeinden rund um Konolfingen können heute Praktika angeboten werden.

Ein Wermutstropfen ist es, dass ein Arbeitseinsatz finanziell nicht mehr unterstützt wird. «Die Klienten haben keinen finanziellen Anreiz, ob sie mitmachen oder nicht», sagt Frank. Sprich, jemand, der pro Woche seine zwei Bewerbungen schreibt, erhält Ende Monat gleich viel Geld wie jemand, der ein Praktikum absolviert. «Früher gab es eine solche Integrationszulage, aber die wurde mit der letzten Gesetzesrevision abgeschafft», sagt Ruth Frank.

Es hängt also an der Motivation der Sozialhilfeempfänger, ihre Situation verändern zu wollen. Finanziell werden sie für die Arbeit nicht entschädigt. Dass sich ihr Engagement dennoch auszahlt, zeigt das Beispiel von Ramona Christen.


Autor:in
Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 30.01.2017
Geändert: 30.01.2017
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