• Sport

Wichtrach - Riesenfreude vor kleiner Kulisse

Quelle
Berner Zeitung BZ

An der Junioren-EM im Eisstocksport in Wichtrach holt die ­U-16-Equipe der Schweiz überraschend die Bronzemedaille. Mit Svenja Buchs und Simon Streun gehören auch zwei Berner Oberländer zu den Gewinnern.

b8fe1e46ac7274ba710db4eb618ab64b.jpg
b8fe1e46ac7274ba710db4eb618ab64b.jpg
«Ich hätte nie geglaubt, dass wir eine Medaille holen würden», sagt die 14-jährige Svenja Buchs. (Bild: Markus Grunder)
Grosse Erfolge passieren nicht immer auf grosser Bühne. Das wissen Eisstocksportler nur zu gut. Als am Samstagmorgen der Team-Zielwettbewerb der unter 16-Jährigen zu Ende geht, sehen nur ganz wenige, wie sich die Schweizer Equipe an der Heim-EM der Junioren in Wichtrach die Bronzemedaille holt. Es ist eine Auszeichnung, mit der eigentlich niemand gerechnet hätte – nicht nur, weil es für Orlando Bass, Svenja Buchs, Niclà Cotti und Simon Streun die erste auf internationaler Stufe ist.

Der Start misslang den Schweizern nämlich gründlich. Nach der ersten von vier Aufgaben, die in einem Zielwettbewerb bewältigt werden müssen – dem sogenannten Massen, bei dem ein Spieler probiert, in einer Serie von zweimal sechs Versuchen den Stock jeweils möglichst nahe ans Zentrum des Zielkreises zu bringen –, lagen die Einheimischen mit lediglich 22 Punkten am Ende des Klassements.

Nur wenig fehlte zu Gold

«Ich hätte nie geglaubt, dass wir eine Medaille holen würden», sagte Svenja Buchs. Die 14-Jährige, die wie Simon Streun zweimal wöchentlich im ESC Zweisimmen-Rinderberg trainiert, hatte massgeblichen Anteil an der ­Aufholjagd der Schweizer. In der letzten Übung – dem sogenannten Kombinieren, bei dem mithilfe des eigenen Stocks ein zweiter in verschiedene Positionen gebracht werden muss – holte sie mit Abstand am meisten Punkte.

Die Schweizer rückten auf den dritten Rang vor, nur 7 Zähler trennten sie von den Österreichern, deren 27 von Europameister Deutschland. Dass mit höherer Präzision im Massen sogar die Goldmedaille dringelegen wäre, störte aber niemanden.

Im Gegenteil: «Diese Medaille ist eine Riesenfreude», sagte Verbandspräsident Ueli Mumenthaler. Es sollte die einzige bleiben für die Schweizer Delegation, die es in allen Alterskategorien vorab aufgrund einer missglückten Vorrunde verpasste, sich im Mannschaftsspiel Chancen auf eine weitere Medaille zu wahren.

Fast nur Kopfsache

Schon mehrmals wurde beim IOC der Antrag gestellt, Eisstocksport ins olympische Programm aufzunehmen. 1936 in Garmisch-Partenkirchen und 1964 in ­Innsbruck wurden immer-hin Demonstrationswettkämpfe ausser Konkurrenz durchgeführt. Medienbetreuer Nicolo Bass ist überzeugt, dass der Eisstocksport umgehend einen Popularitätsschub erhielte, sobald er auch unter den olympischen Ringen ausgetragen werden könnte.

Denn heute befindet er sich in der Peripherie der hiesigen Sportlandschaft. «Eisstocksport wird oft nicht als Leistungssport angesehen», sagt Bass, was wohl vorab damit zusammenhänge, dass die Athleten nicht primär körperlich, sondern vor allem mental beansprucht würden. «90 Prozent spielen sich im Kopf ab.»

Beschriftete Cars

In der Schweiz gibt es ungefähr 200 lizenzierte Spieler. In Österreich sind es deren 108'000 und in Deutschland circa 30'000. Die Vormachtstellung der beiden Nachbarländer verdeutlicht ein Blick auf den Parkplatz vor dem Sportzentrum Aaretal. Beide reisten mit ihren eigenen, beschrifteten Cars an die EM.

Kurz vor 17 Uhr erhalten Bass, Buchs, Cotti und Streun ihre ­Medaille überreicht, immer noch vor überschaubarer Kulisse. Mit ihrem Erfolg tragen sie jedoch dazu bei, dass die Bühne jedes Mal ein bisschen grösser wird.

Autor:in
Simon Scheidegger, Berner Zeitung BZ
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 21.02.2017
Geändert: 21.02.2017
Klicks heute:
Klicks total: