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Münsingen - Abwasserleitung sorgt für Streit

Quelle
Berner Zeitung BZ

Die Bewohner eines Quartiers wollen seit Jahren eine Abwasserleitung an die Gemeinde abstossen. Daraus wurde nun ein verworrener Konflikt.

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Quartier am Terrassenweg: Die Bewohner liegen mit der Gemeinde im Clinch. (Bild: Christian Pfander)

Es ist eine etwas dreckige Dreiecksgeschichte. Denn es geht um Abwasserleitungen und um gegenseitige Anschuldigungen. Die Beteiligten: die Miteigentümergemeinschaft Terrassenweg, die Gemeinde Münsingen mit dem Gemeinderat und der Bauabteilung und die parlamentarische Aufsichtskommission. Der Fall wurde am Dienstag im Gemeindeparlament diskutiert.

Das Quartier am Terrassenweg besteht aus 44 Reiheneinfamilienhäusern. Es befindet sich am Dorfrand Richtung Konolfingen und wurde in den Achtzigerjahren gebaut. Von jedem Haus führt eine Leitung in einen Sammelkanal, der später in das öffentliche Abwassernetz mündet. Um diesen 110 Meter langen Sammelkanal entzündete sich ein Streit.

Im Jahr 2011 gelangte die Miteigentümergemeinschaft an die Gemeinde. Ihr Ziel war es, dass die Gemeinde den Sammelkanal übernimmt und für den Unterhalt sorgt. Die Gemeinde prüfte das Anliegen und kam zum Schluss, dass das Netz in privater Hand bleibt. Es hätten Gespräche stattgefunden, sagt Gemeinderat Andreas Kägi (FDP). Der Entscheid wurde der Gemeinschaft von der Planungskommission mitgeteilt und nun durch ein juristisches Gutachten bestätigt.

Kägi äussert sich wegen des «laufenden Verfahrens» nicht zur Begründung, ist aber überzeugt: Würde die Gemeinde dazu verpflichtet, das Netz zu übernehmen, hätte das eine Signalwirkung in der ganzen Schweiz. «Dann müssten die Gemeinden solche privaten Abwassernetze auf einmal übernehmen, und das könnten sie nicht finanzieren.»

Gemeinderat in der Kritik

Eine Weile blieb es ruhig, bis im Sommer 2014 die Miteigentümergemeinschaft an die Aufsichtskommission gelangte. Die Kommission untersuchte den Fall unter der Federführung von Mitglied Andreas Oestreicher (GLP) – was dem Parlamentarier nun den Vorwurf einer Interessenkollision einbringt (siehe Kasten).

Die Kommission holte ebenso eine Meinung bei einem Juristen ab. Und der kam zu einem anderen Ergebnis. «Die Rechtslage ist nicht so eindeutig», sagte Oestreicher im Parlament. Die Argumente des Gemeinderats seien «nicht alle stichhaltig und nachvollziehbar». Er hält fest: Für die Miteigentümer sei der Sammelkanal eine grosse Last, der im Unterhalt viel Geld koste.

Im Bericht, den weder die Kommission noch der Gemeinderat herausgeben wollen, steht auch, dass die Bauabteilung seit Jahren nicht auf die Gesuche der Gemeinschaft eingetreten sei. «Diese Behauptung ist klar tatsachenwidrig», sagte Kägi zum Parlament. «Ich bitte um Fairness.»

Übrigens: Oestreicher war früher Münsingens Bauverwalter.

Offener Ausgang

Anfang März hat die Gemeinde der Gemeinschaft eine Verfügung mit ihrer Begründung zugestellt. Falls diese die Verfügung akzeptiert, nimmt der Streit ein Ende. Falls nicht, geht der Fall ans Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland. Die Miteigentümergemeinschaft wollte sich gestern nicht äussern. Sie wird an ihrer Versammlung nächste Woche entscheiden, ob sie die Verfügung akzeptiert.

Interessenkonflikt?

In diesem Streitfall kritisiert nicht nur die Aufsichtskommission den Gemeinderat – auch umgekehrt werden Anschuldigungen erhoben. «Die Aufgabe der Kommission ist es nicht, rechtliche Beurteilungen abzugeben», sagte Gemeinderat An­dreas Kägi am Dienstag im Parlament.


Sie sei auch keine Ombudsstelle für die Bevölkerung, sondern komme unter anderem dann zum Zug, wenn Behörden oder Verwaltung Fehler in der Umsetzung ihrer Tätigkeiten vorgeworfen würden. Weiter wirft Kägi dem Kommissionsmitglied Andreas Oestreicher einen Interessenkonflikt vor. Oestreicher ist Besitzer des Bauberatungsunternehmens Syntas. In dieser Firma sei der Bauverantwortliche der Miteigentümergemeinschaft angestellt.

«Oestreicher hätte deshalb in den Ausstand treten müssen.» Auf der Syntas-Website ist der Betroffene tatsächlich als «Projektleiter Bauverfahren» im Team aufgeführt. Laut Oestreicher ist er aber lediglich ein freier Mitarbeiter. Darüber habe er die Kommission rechtzeitig informiert. Für Präsident Werner Fuchser (EVP) gab es keinen Anlass für einen Ausstand. Oestreicher betont zudem: «Ich habe keinerlei persönliche Interessen an diesem Fall.»


Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 23.03.2017
Geändert: 23.03.2017
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