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Boll - "Zuerst wars ein Schock"

Quelle
Berner Zeitung BZ

Das Dorf soll in den nächsten Jahren einen neuen Bahnhof und eine neue Überbauung erhalten. Damit das Projekt Boll-Süd möglich wird, muss aber die Sägerei von Peter Brand weichen. Dieser hat sich mit der Situation inzwischen arrangiert.

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Peter Brand gibt seine Sägerei (im Hintergrund) auf. (Bild: Beat Mathys)
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Die Situation
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Vor über 100 Jahren hat der Grossvater die Sägerei eröffnet. Später ging der Betrieb an der Moosgasse in Boll auf den Vater über und vor 41 Jahren auf ihn, Peter Brand. «Viel Herzblut» habe er seither für den Betrieb hingegeben, sagt er. In ihren besten Zeiten zählte die Sägerei Brand ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Sie verarbeiteten Holzstämme zu Dachlatten, Kanthölzern, kurz: zu Bauholz aller Art. Doch das Sägereigeschäft wurde zunehmend härter. Heute kommt viel Bauholz aus dem Ausland. So ist die Sägerei zum Einmannbetrieb von Peter Brand geworden.

Bald wird auch er das Sägen aufgeben. Das hängt mit dem Projekt Boll-Süd zusammen: Die Gleise sowie der Bahnhof Boll-Utzigen sollen südwärts verlegt werden. Zwischen dem heutigen und dem künftigen Gleis wird Platz für neue Wohnhäuser frei (siehe Kasten). Das künftige Bahntrassee verläuft jedoch quer durch die Sägerei Brand – diese muss zwingend abgerissen werden, wenn das Projekt zustande kommen soll.

Mehr Sicherheit

Peter Brand blättert in einem grünen Ordner. Er ist gefüllt mit Briefen, Protokollen, Zeitungsberichten und weiteren Unterlagen zum Projekt. «Als ich vor Jahren zum ersten Mal hörte, dass die Sägerei abgerissen werden soll, war das ein Schock», erzählt Brand. Doch je länger, je mehr habe er den Sinn hinter dem Projekt gesehen. «Die Gleisverschiebung ist gut für die Sicherheit», bilanziert er. Gleich drei unbewachte Bahnübergänge werden verschwinden. Also lenkte Brand ein und ist nun bereit, die Sägerei aufzugeben. Er habe sich mit der Situation arrangiert, sagt er heute. «Für mich stimmt es so.»

Die Bauarbeiten am neuen Bahngleis beginnen voraussichtlich in ein, zwei Jahren. Peter Brand, heute 63-jährig, wird dann mehr oder weniger das Pensionsalter erreicht haben. Seine Kinder – die Tochter (16) sowie die Zwillinge (14) – sind noch zu jung, um eine Sägerei zu übernehmen. Deshalb verzichtet Brand darauf, etwas weiter südöstlich auf seinem Areal eine neue Sägerei aufzustellen. Theoretisch hätte er die Möglichkeit dazu, das Land ist bereits eingezont. Ein Neubau würde aber um die 2,5 Millionen kosten, deutlich mehr also, als Brand für den Verkauf des alten Sägereigebäudes erhält. Schon allein deshalb will er das Wagnis eines Neubaus nicht eingehen.

Neue Wohnung?

Nur drei, vier Meter neben der heutigen Sägerei befindet sich das Wohnhaus, in dem Peter Brand und seine Kinder leben. Dieses kann theoretisch stehen bleiben, wird allerdings direkt an das neue Bahngleis angrenzen. Wie lange Brands nach der Gleisverlegung noch hier wohnen werden, ist unklar. «Kommen Sie», sagt Peter Brand und schreitet über die grüne Wiese unterhalb der Sägerei. Dann bleibt er stehen und erklärt. «Hier möchten wir ein neues Sechsfamilienhaus bauen.» Die Planung ist weit fortgeschritten, das Land ebenfalls bereits eingezont. Der Neubau diene einerseits als Altersvorsorge – «das ist quasi meine Pensionskasse», sagt der Sägereibesitzer. Andererseits werde die Familie hier vielleicht eine neue Wohnung beziehen.

So überwiegt bei Peter Brand nicht mehr die Wehmut, sondern der Optimismus. «Ein Ende», sagt er, «ist immer auch ein Neuanfang.»

DAS PROJEKT

Lange Anlaufzeit

Der neue Bahnhof soll im Herbst 2020 eröffnet werden. Die ersten neuen Wohnhäuser in Boll-Süd sind frühestens 2021 bezugsbereit.

Das Projekt Boll-Süd umfasst zwei Teile. Einerseits will der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) das Bahntrassee und den Bahnhof rund hundert Meter in Richtung Süden verlegen. Andererseits wird zwischen dem alten und dem neuen Gleis eine Überbauung mit 200 Wohnungen möglich. Die Überbauungsordnung (ÜO) liegt seit dieser Woche öffentlich auf.

Dreizehn Liegenschaftsbesitzer sind vom Projekt betroffen. Elf seien einverstanden, sagt Vechigens Gemeindepräsident Walter Schilt (SVP). «Das ist erfreulich.» Zwei Besitzerfamilien haben nicht unterschrieben; ihr gemeinsames Grundstück steht für eine Überbauung nicht zur Verfügung. Falls der Kanton die ÜO genehmige, seien die ersten Neubauten frühestens 2021 bezugsbereit, so Walter Schilt. Andere Liegenschaftsbesitzer haben es weniger eilig, sie werden ihre Parzellen vorderhand belassen, wie sie sind. Als Landbesitzerin involviert ist auch die Gemeinde: Ihr gehört das ehemalige Zaugg-Areal, das sie für 1,3 Millionen Franken an die Gebäudeversicherung verkauft. Diese will das Areal zusammen mit der Losinger Marazzi AG überbauen.

RBS baut zwei Jahre

Rund zwei Jahre dauern die Bauarbeiten am neuen Gleis und am neuen Bahnhof. RBS-Sprecherin Fabienne Thommen hofft, dass die Pläne bis 2018 genehmigt sind und der neue Bahnhof im Herbst 2020 eröffnet werden kann. Die Kosten für dieses Projekt betragen rund 25 Millionen Franken. Davon übernehmen RBS und Kanton rund 20 Millionen, für die Gemeinde verbleiben knapp 5 Millionen Franken.

Der Bahnbetrieb wird während der Bauzeit auf dem bisherigen Gleis weitergeführt. Laut Fabienne Thommen ist trotzdem mit kürzeren Unterbrüchen zu rechnen, zum Beispiel für den Einbau der Bauweiche sowie den Anschluss des neuen Trassees an das alte.


Autor:in
Markus Zahno, Berner Zeitung
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Erstellt: 01.04.2017
Geändert: 01.04.2017
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