• Sport

Bolliger Rennfahrer Alain Valente: "Hinter dem Steuer sind wir dann alle gleich"

Quelle
Der Bund

Der kaufmännische Angestellte gibt alle seine Ferientage her, um seinem Traum vom Profirennfahrer näherzukommen.

16c3855794c1e979ab24c4f7699ee2d5.jpg
16c3855794c1e979ab24c4f7699ee2d5.jpg
Alain Valente fuhr erste Rennen noch vor seiner Autoprüfung. (Foto: Franziska Scheidegger)
Wenn Alain Valente in ein Rennauto steigt, ist er in einer anderen Welt: «Ich steige ein und steige aus, dazwischen ist nichts, ich bin einfach gefahren.» Der 20-jährige Bolliger sagt es mit einer solchen Ruhe, dass man ihm glaubt. Wie ein rasender Automacker sieht er gar nicht aus, eher wie ein hoch konzentrierter Sportler. Für viele bleibt ein Sportwagen ein unerreichbarer Traum, für Valente ist er wahr geworden: «Ich sitze in einem Lamborghini, aber ich realisiere es oft gar nicht mehr.» In diesem Jahr fährt er mit einer Spezialanfertigung von Lamborghini die italienische Gran-Turismo-Meisterschaft (GT). Etliche Marken stellen ein GT3Modell her: ein Rennauto, das bestimmte Standards erfüllen muss.

Bis sich sein Bubentraum erfüllte, dauerte es lange. Mit vier Jahren sass er zum ersten Mal in einem Kart, mit sieben fuhr er die ersten Rennen. Auf das Kartfahren kam er durch seinen Vater. Dieser habe italienische Wurzeln, sagt Valente, doch er habe sich die Sprache an den Rennen selbst beigebracht. 2010 wurde er Schweizermeister im Kartfahren, ein Jahr darauf Europameister. Als 16-Jähriger fuhr Valente zwei Jahre in der italienischen Formel-4-Meisterschaft, wo er sechs Podiumserfolge an sieben Rennwochenenden erzielte und als bester Schweizer abschloss. So wurden Sponsoren auf ihn aufmerksam. 2014 gewann er den Young Driver Award, was mit einem stattlichen Preisgeld verbunden war. «Das bedeutete für mich den Sprung in die Welt der Tourenwagen.» Es war auch der Sprung in eine Welt, in der es schnell um sechsstellige Beträge geht. Ohne dieses Preisgeld würde er vielleicht heute noch Kartfahren.

Seither besteht die grösste Arbeit darin, neue Geldgeber zu suchen. Das Rennenfahren sei nur noch ein kleiner Teil. «Von tausend Dossiers, die ich einschicke, erhalte ich vielleicht eine Ovomaltine zurück», sagt er und lacht. Beim Gespräch mit dem «Bund» legt er ein Dossier auf den Tisch. Auf Bildern posiert der junge Mann mit einem Auto, das von Sponsorenlabels überdeckt ist. Bei den meisten anderen Autos sieht man die makellose Karosserie, denn die Fahrer sind so reich, dass sie keine Sponsoren benötigen. «Hie und da habe ich schon das Gefühl, nicht in diese Welt zu passen», sagt Valente nachdenklich. Es gebe Teilnehmer, die mit Helikopter oder Privatjet zu den Rennen anreisten. Viele der Fahrer hätten reiche Eltern im Rücken, die ihnen teure Übungsfahrten auf der Rennstrecke finanzierten. Er kann sich in einer Saison im Schnitt nur wenige Testfahrten leisten. Doch wenn der Startschuss knallt, vergisst Valente die finanziellen Unterschiede. Dann müsse man die volle Leistung abrufen, hier und jetzt, egal, wie oft man trainieren konnte: «Hinter dem Steuer sind wir dann alle gleich.»

Nicht mit dem Heli, sondern am Steuer des eigenen «normalen» Autos fährt Valente an die Rennen. «Jetzt darf ich das zum Glück selber tun.» Als er Formel 4 fuhr, war er noch nicht volljährig, weshalb ihn die Familie häufig zur Rennstrecke chauffierte. Es tönt wie ein Witz: Valente besass eine Lizenz für den Motorsport, aber kein das Permis für den alltäglichen Strassenverkehr. Als er volljährig wurde, holte er die Autoprüfung nach. Dafür brauchte er nur zwei Fahrstunden, um die Manöver zu lernen.

Hat man noch ein Sozialleben, wenn man jedes Wochenende verplant ist? «Ja», sagt Valente, «denn es sind leider nur sieben Wochenenden, an denen Rennen stattfinden.» Sein Sozialleben spiele sich überwiegend in der Rennszene ab. Unter der Woche arbeitet er als kaufmännischer Angestellter, joggt und hebt Gewichte im Fitnessstudio, damit er das reglementarische Idealgewicht behält. Für die verlängerten Wochenenden an den Rennterminen verbraucht er fast alle Ferientage. Hat er Zeit für ein Hobby? «Schlafen», sagt er und lacht. Kart fahre er immer noch. Zudem sei der Motorsport Traumberuf und Hobby zugleich. Und er gehe zum Squashen und fahre Velo. Aber auch das tönt eher nach Training. Valente nickt: «Alles führt zum Ziel.» Ist der Rennstall von Peter Sauber ein Berufsziel? Formel 1 sei ein Traum, sagt er, doch dieser sei zu teuer. Darum habe er sich für den Tourenwagensport entschieden. Er hoffe, bei einem Werk angestellt zu werden. «Dann könnte ich vom Rennfahren leben.»

Autor:in
Céline Rüttimann, Der Bund
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 22.05.2017
Geändert: 22.05.2017
Klicks heute:
Klicks total: