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Münsingen - "Wir wollen keinen Landverschleiss"

Quelle
Berner Zeitung BZ

Diese Frage wird Münsingen im Sommer beschäftigen: Soll durch den Rossboden eine neue Entlastungsstrasse gebaut werden? Eine Interessengemeinschaft wehrt sich vehement gegen das Projekt.

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Gegner der Strasse: Martin Schütz (l.) und Patrick King im Münsinger Rossboden. (Bild: Andreas Blatter)

Martin Schütz geht auf einem kleinen Weg die Bahnlinie entlang. Gleich daneben liegt der grüne Rossboden. «Es ist so still hier», sagt Schütz, «kein Lärm, kein Verkehr.» Nun kämpft er dafür, dass dies so bleibt. Denn genau hier will der Münsinger Gemeinderat eine neue Strasse bauen und damit die Bernstrasse und das Ortszentrum entlasten. Deshalb gründete Schütz zusammen mit Mitstreitern die Interessengemeinschaft autofreier Rossboden. «Das hier ist die Postkartenansicht von Münsingen. Wird sie einmal kaputtgemacht, dann für immer.»

Zwar könnte das Parlament am Dienstag das Projekt verhindern. Das ist aber unwahrscheinlich (siehe Kasten). Auch Schütz geht davon aus, dass die Vorlage im Herbst vors Volk kommt. Schon im Hinblick darauf lud er gestern gemeinsam mit Patrick King zu einer Medienkonferenz.

Bedürfnis nach intaktem Land

Vor rund drei Wochen veröffentlichte der Gemeinderat seinen Antrag ans Parlament. Darin bevorzugt er eine Entlastungsstrasse, die durch den Rossboden führt und dafür das Psychiatriezentrum (PZM) schont (wir berichteten). Den Ausschlag gab die Haltung des kantonalen Denkmalpflegers, wonach eine PZM-Variante nicht realisiert werden kann. «Der Gemeinderat scheut ein Einspruchsverfahren des Denkmalpflegers», sagt Schütz.

Er kritisiert auch, dass wichtige Grundlagen wie etwa die Regionale Richtplanung Aaretal nicht berücksichtigt worden seien. Der Rossboden sei ein Landschaftsschutzgebiet und gehöre auch zum Ortsbildschutzgebiet. Beide Anliegen würden missachtet. Dabei sei das Bedürfnis nach solchen Landschaften gross. «Wir wollen keinen Landverschleiss.»

Keine 40-Tönner

Weiter stehe im Verkehrsrichtplan von 2009, dass flankierende Massnahmen eine «siedlungsverträgliche Umsetzung» und eine «möglichst geringe Belastung für das Quartier» garantieren sollen. Eine solche Massnahme wäre aus Sicht der IG etwa der Verzicht auf Lastwagen. Sie hatte eine solche «Light-Variante» vorgeschlagen – doch sei diese vom Gemeinderat nicht geprüft worden.

«Es ist nicht nötig, dass hier 40-Tönner verkehren», sagt Patrick King. Denn der Lastwagenanteil auf der Bernstrasse sei äusserst gering. Pro Stunde würden nur gerade 12 Lastwagen auf der neuen Strasse verkehren. Eine Strasse nur für Autofahrer würde neue Möglichkeiten für eine andere Linienführung bedeuten, ist die IG überzeugt.

«Unser Ziel ist es, dass die Bevölkerung diese Strasse ablehnt», sagt Schütz. Er rechnet sich Chancen aus.

PARLAMENT

Eine einmalige Chance oder bloss die Verlagerung des Problems?

Das Gemeindeparlament befasst sich am Dienstag mit der Entlastungsstrasse. Die Meinungen sind fast gemacht.

Der Münsinger Gemeinderat legt dem Parlament am 30. Mai einen Investitionskredit von 6,5 Millionen Franken für eine Strassenvariante vor, die durch das Gebiet Rossboden führt (siehe Haupttext). Bei einem Ja kommt es im September zu einer Urnenabstimmung. Das ist wahrscheinlich, wie eine Umfrage zeigt,

«So nah an einer Lösung waren wir noch nie», sagt Urs Baumann von der SVP (6 Sitze). «In den letzten Jahren haben wir alle Ja gesagt zu grossen Überbauungen wie Lorymatte, Giessenpark oder Erlenau.» Nun müsse man konsequenterweise auch das Verkehrsproblem angehen. Die Fraktion unterstützt auch die Rossboden-Variante, obschon sie in der Mitwirkung noch die PZM-Variante bevorzugte – welche aber der Denkmalpfleger ablehnt.

Ja stimmt auch die GLP (3 Sitze). «Für uns ist einer der Hauptgründe, dass wir damit beim Dorfplatz und beim Bahnhof eine Entlastung erreichen», sagt Andreas Oestreicher. Damit werde sichergestellt, das der öffentliche Verkehr den Fahrplan im innerörtlichen Bereich einhalten könne. «Denn es gibt Leute, die zu Spitzenzeiten nicht mehr mit dem Tangento-Bus fahren.»

«Aus unserer Sicht haben wir jetzt eine einmalige Chance», sagt auch Markus Troxler von der FDP (3 Sitze). «Es wäre eine Katastrophe, wenn sich die Stimmbevölkerung nicht dazu äussern könnte.» Als einziger Vertreter der BDP (2 Sitze) wird Lionel Haldemann an der Parlamentssitzung teilnehmen. Er wird Ja stimmen: «Es wäre gut, wenn endlich etwas ginge.»

Und die Freien Wähler (2 Sitze)? «Wir sind uns einig, dass es nicht nur positive Punkte bei diesem Projekt gibt», so Ueli Schweizer. Aber das Projekt bringe sicher eine Verbesserung – auch mit den Verbesserungen in Rubigen, wo der Autobahnanschluss saniert und ein neuer Kreisel gebaut wird.

Offen ist, wie sich die Fraktion von EVP (3 Sitze) und EDU (1 Sitz) entscheidet. «Begeistert ist niemand», stellt Dieter Blatt klar. «Bei uns gibt es Stimmen, wonach die Strasse nur die Symptome, aber nicht die Ursachen bekämpft.» Andere hielten sie wegen des Gewerbes für nötig. Ein Unentschieden sei ebenso möglich wie ein 3:1 für die eine oder andere Seite.

Grossmehrheitlich gegen die Strasse sind die Grünen (6 Sitze). «Wir haben das Gefühl, dass diese Strasse nicht nachhaltig ist», sagt Annj Harder. «Wir stellen immer wieder fest, dass neue Strassen neuen Verkehr bringen.» Sie würde auch bedauern, dass «das Naherholungsgebiet Pfarrstutz/Rossboden verschwinden würde».

Die SP (4 Sitze) ist zwar gegen die Strasse, ein Mitglied wird aber Ja stimmen. «Der Stau wird nur verlagert, etwa auf den neuen Bernstrassekreisel, die Autobahn oder in die umliegenden Gemeinden», sagt Elisabeth Striffeler. «Der kleine Zeitgewinn steht in einem einem völligen Missverhältnis zu den Kosten.» Und: Werde die Entlastungsstrasse beim Bahnhof West fertiggestellt, führe dies auch zu einer erheblichen Mehrbelastung in den angrenzenden Quartieren.


Autor:in
Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 24.05.2017
Geändert: 24.05.2017
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