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Frauenfussball - Die Bernerinnen im Schweizer EM-Kader: Von Biglen aus Deutschland erobert

Quelle
Berner Zeitung BZ

Vom Emmental hinaus in die grosse, weite Fussballwelt: die Geschichte von Rekordnationalspielerin Martina Moser.

Wenn das Frauennationalteam heute im holländischen Deventer gegen Österreich das erste EM-Spiel der Verbandshistorie bestreitet, werden die Eltern von Martina Moser im Stadion zugegen sein. «Sie waren schon an der WM 2015 in Kanada dabei», sagt die 126-fache Rekordnationalspielerin. Es verleihe ihr stets ein gutes Gefühl, wenn sie während der Nationalhymne Mama und Papa auf der Tribüne erspähe. Die 31-Jährige, in Biglen aufgewachsene Mittelfeldspielerin ist ein ausgeprägter Familienmensch. «Unser Zusammenhalt ist wirklich gross», sagt sie. Im Kreis der Liebsten tankt Moser Energie, holt sich Rat, entspannt sich. Dabei sei ihr Vater Fan und grösster Kritiker zugleich, erklärt Moser, lacht, fügt aber sogleich ernst an: «Ohne die Unterstützung der Eltern und meiner beiden Brüder hätte ich es sportlich nie so weit gebracht.»

Dem Bruder nachgeeifert

Rückblende: Vor 16 Jahren, im Sommer 2001, sorgt Martinas zwei Jahre älterer Bruder Adrian (sie hat auch noch einen drei Jahre jüngeren) als 17-Jähriger im Trikot des B-Ligisten FC Thun für Furore, gilt als eines der absoluten Toptalente des Landes. Martina eifert ihm nach, hat gerade ihren Wechsel vom Knabenteam des FC Biglen in die NLB-Frauenequipe von Rot-Schwarz Thun vollzogen. Auch die zierliche Martina ist enorm talentiert – das Fussballgen scheint in der sportbegeisterten Familie Moser zu liegen. Sie schafft es als erst 15-Jährige Teenagerin zur Stammkraft, beeindruckt mit ihrer Unerschrockenheit, Klasse und vielen Toren. Vier Jahre reift sie in Thun, erlebt zwei Aufstiege in die NLA und einen Abstieg mit, ehe sie 2005 zum SC LUwin.ch Luzern wechselt. Dort erreicht sie zweimal in Serie Rang 2 in der Torschützenliste der NLA, absolviert ihr erstes Länderspiel gegen Polen, weckt Begehrlichkeiten.Derweil die Karriere von Bruder Adrian etwas ins Stocken gerät (er wechselt gerade von Yverdon zu Biel), erhält Martina 2007 ein Angebot des Bundesligisten SC Freiburg. «Ich war ziemlich überrascht von der Anfrage, wollte die Chance aber unbedingt packen», erinnert sie sich. Sie macht den damals noch eher unüblichen Schritt für eine helvetische Fussballerin, heuert im schönen Breisgau an, pendelt in die Grenzstadt, weil sie nebenbei noch beim Fussballverband als KV-Angestellte arbeitet.

Technikerin und Kämpferin

Drei Jahre bleibt sie in Freiburg, lernt dabei taktisch viel dazu, verbessert ihre Technik, ihr komplettes Spiel. Schon damals kann die feingliedrige, schmächtige (1,57 Meter) Mittelfeldspielerin eine Partie lesen, ist handlungsschnell, giftig im Zweikampf, verfügt über eine starke Technik und geht gerne und erfolgreich in den Abschluss. Eine rare Kombination, die ihr 2010 das nächste Angebot einbringt. Wolfsburg, in Deutschland eine grosse Nummer, hat angeklopft, Moser vollzieht den Schritt zum Vollprofi, schlägt ihre Zelte in der VW-Stadt auf. Doch zu Beginn kämpft sie mit Heimweh, vermisst Familie und Freunde, «möchte am liebsten zurück in die Schweiz», wie sie zugibt. Doch die Mosers sind Kämpfer, aufgeben ist nicht ihr Ding. Martina beisst sich durch. «In dieser Zeit entwickelte ich mich sicher auch als Persönlichkeit weiter, bin sozusagen erwachsen geworden.» Bei den Wölfinnen erhält sie zwar ihre Einsätze, bucht auch Tore (6 in 39 Spielen). In einem Team mit etlichen Stars bekleidet sie jedoch eher eine Nebenrolle, kommt oft erst als Einwechselspielerin zum Zug. Da kommt die nächste Anfrage 2012 gerade recht. Hoffenheim erkundigt sich nach Moser, will ein neues Team um die etablierte Nationalspielerin formen. «Viele glaubten, das sei ein Rückschritt, weil Hoffenheim damals in der 2. Liga spielte. Ich aber sah die Chance, eine Führungsrolle zu übernehmen. Das reizte mich sehr», erklärt Moser.

Führungskraft in Hoffenheim

Also wechselt sie in den Kraichgau, schiesst den Klub in ihrer ersten Saison mit 13 Toren in 21 Spielen gleich zum Aufstieg. Eine Entscheidung, die zur smarten Frau passt. Sich nicht auf Lorbeeren ausruhen, Herausforderungen suchen, an sich arbeiten. Mit diesen Tugenden hat es Moser bis zur Rekordnationalspielerin gebracht (zusammen mit Caroline Abbé, die gleich viele Einsätze aufweist), so hat sie ihren Traum, vom Fussball leben zu können, verwirklicht. Dabei habe sie von Jahr zu Jahr Fortschritte erzielt, sagt Moser. Überhaupt sei die Entwicklung im Frauenfussball in den letzten 15 Jahren enorm. «Vor allem physisch und taktisch ist extrem viel gegangen, es ist fast wie ein anderes Spiel.» Als sie als Teenagerin in Thun gespielt habe, habe sie oft gehört, wie gut sie kicken könne. «Im Vergleich zu heute war ich damals fussballerisch aber nirgends.»

Rückkehr in die Schweiz

Nach fünf Jahren in Hoffenheim und insgesamt zehn Jahren in Deutschland wird Moser in der neuen Saison für die Frauen des FC Zürich auflaufen. Sie wird Teilzeit auf der Geschäftsstelle des FCZ ihrem Beruf als KV-Angestellte nachgehen und auch ins Talentmanagement eingebunden werden. Auch YB habe angefragt, «aber das Angebot des FCZ war einfach top».

Von Biglen aus hat Martina Moser Deutschland erobert, mit der Rückkehr in die Schweiz schliesst sich ein Kreis. Dass sie dabei wieder ganz nah bei ihren Liebsten sein wird, dürfte der ganzen Familie Moser Freude bereiten.


Autor:in
Adrian Lüpold, Berner Zeitung
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Erstellt: 18.07.2017
Geändert: 18.07.2017
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