• Sport

Unihockey - Nebelsuppe, Salat, Appetit auf mehr

Quelle
Berner Zeitung BZ

Manuel Engel ist der einzige Schweizer Spieler in Schweden. Der 24 Jahre alte Berner aus Schlosswil hat bei den Växjö Vipers gelernt, bessere Entscheidungen zu treffen.

ebb050548955733f4583584f865f8668.jpg
ebb050548955733f4583584f865f8668.jpg
Im schwedischen Winter: Manuel Engel posiert in Växjö. (Bild: rek)

In Växjö gesucht, aber nicht gefunden: das Licht. Südschweden trägt ein dunkles Winterkleid. Die Sonnenstrahlen verirren sich im Nebel, und unter der grauen Glocke liegt Växjö. Knapp 80 000 Einwohner, das Zentrum von Kronobergs län, einem der drei Verwaltungsbezirke der Provinz Småland. Wer Småland hört, entflieht in die Kindheit zu Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, zu den Kindern von Bullerbü. Lönneberga und Bullerbyn sind nah und doch 100 Kilometer entfernt. Växjö ist vielmehr bekannt für Glaskunst – und für Sport. Die Tennisgrössen Mats Wilander und Stefan Edberg haben hier ihre Heimat, und Björn Borg ist immerhin mit seiner Schuh- und Unterwäschekollektion präsent. Växjö ist die Heimat der Lakers, des Leaders der schwedischen Eishockeyliga. Växjö ist die Heimat der Vipers, letzte Saison Playoff-Finalist im Unihockey. Växjö ist die temporäre Heimat von Manuel Engel.

Der Berner trägt eine Kappe, hat den Schal locker um den Hals geschlungen. Die Kälte ist hier nicht beissend wie in Nordschweden, doch seit Anfang November hat Engel die Sonne kaum gesehen. Der Schnee sorgt für ein wenig Aufhellung. Es ist Mittag, die Strassenlampen leuchten, Engel sagt: «Ja, die Sonne fehlt mir.»

Die ideale Kombination

Die Sonne einmal ausgeblendet, fehlt es Engel in Växjö an wenig. Vor zweieinhalb Jahren verliess der Schlosswiler seine Familie, sein Umfeld, seinen Klub, die Unihockey Tigers. «Sich an einem neuen Ort profilieren, wo dich niemand kennt, sich weiterentwickeln als Sportler und als Mensch: Die Zeit war reif dafür», sagt Engel. Der damalige Växjö-Sportchef und frühere Tigers-Trainer Johan Schönbeck half bei den ersten Schritten. Längst geht Engel seinen Weg allein. Der 24 Jahre alte Berner ist der einzige verbliebene Schweizer Unihockeyaner in der weltbesten Liga, was er «schade» findet, «weil du hier zu einem besseren Spieler wirst. Die Gegner treffen bessere Entscheidungen. Das zwingt dich, ebenfalls bessere Entscheidungen zu treffen.»

Växjö ist überschaubar, das Zentrum klein. Leicht ausserhalb befindet sich ein beeindruckender Sportkomplex, alimentiert vom reichen Geschäftsmann Anders Öman, mit Fussball- und Leichtathletikstadion, Eis- und Unihockeyhalle. Engel sagt: «Die Bedingungen sind perfekt.» In Växjö kann er Sport und Studium auf ideale Weise kombinieren. Engel wohnt in einer Dreizimmerwohnung, fünf Fahrminuten vom Zentrum und eine Viertelstunde vom Trainingsgelände entfernt. An der Linné-Universität absolviert er einen «stinknormalen Bachelor» in Marketing. Pro Woche stehen vier bis fünf Trainings an, dazu kommen zwei Krafteinheiten und die Wettkämpfe. «Ich habe es gut, kann mich auf den Sport fokussieren.» Dies fällt ihm auch deshalb leicht, weil er nicht mehr in die Klubprozesse eingebunden ist wie im Emmental. Dort kannte und kennt Manuel Engel jeden, Vater Niklaus war zudem sein Trainer im Fanionteam, und das Tigers-Umfeld gilt nicht eben als das ruhigste. «Sagen wir es so: Bei Växjö bin ich nicht mehr mitten im Salat, sondern einfach nur Spieler. Das macht es einfacher.»

Die «unbezahlbare Erfahrung»

Nur: Die einfachste Zeit erlebt Engel gerade nicht. Im Frühling bestritt Växjö den Superfinal gegen Falun. 13 000 Zuschauer sahen im Stockholmer Globen, wie Falun in extremis 5:4 siegte und Meister wurde. Die unerfahrene Vipers-Equipe zahlte für wenige Fehler einen hohen Preis. Dennoch spricht Engel von einer «unbezahlbaren Erfahrung. Im vollen Globen um den Titel zu spielen: Eindrücklicher geht es nicht mehr. Dieses Erlebnis hat Appetit auf mehr gemacht.» Seither läuft es dem Angreifer aber nicht mehr wie gewünscht. 4 Punkte aus 15 Partien machen den Flügel in der Statistik zur teaminternen Nummer 12. Engel sagt, die Situation stresse ihn nicht, weil er sich regelmässig Chancen erspiele. Doch die Mimik verrät die Unzufriedenheit. Heute erhält er im Heimspiel gegen Helsingborg die nächste Gelegenheit. Die Vipers liegen in der Svenska Superligan gemessen an Punkten (27) und punkto Zuschauerschnitt (922) an fünfter Stelle.

Die historische Marke

Als einziger Schweizer in Schweden wurde Engel zuletzt eine besondere Beachtung zuteil. Im November hatte die Schweizer Nationalmannschaft beim Vierländerturnier in Kirchberg erstmals überhaupt gegen die stolzen Tre Kronor gewonnen (7:5) – notabene im 67. (!) Anlauf. Engel sagt, der Respekt vor der Schweiz sei im Norden gestiegen, das Ergebnis registriert worden, «aber gleichzeitig wurde die Niederlage von den Schweden runtergespielt». In der Superligan hat der Berner beobachtet, dass sich hinter den zahlreichen Topcracks alsbald eine kleine Lücke öffnen könnte. «Die Schweden haben wirklich eine tolle Spielergeneration. Aber die nächste dürfte einen Tick weniger dominant sein» – was aber nichts an der Rangordnung ändern werde: «Die Schweden sind besser, und sie werden besser bleiben.» Und mit den Besten möchte sich der 24 Jahre alte Schlosswiler noch mindestens bis Frühling 2019 regelmässig messen. Manuel Engel hat die Herausforderung gesucht und in Växjö gefunden.

Autor:in
Reto Kirchhofer, Växjö, Berner Zeitung BZ
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 14.12.2017
Geändert: 14.12.2017
Klicks heute:
Klicks total: