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Konolfingen - Lebkuchen verbindet

Quelle
Berner Zeitung BZ

Einmal pro Monat lädt der Interkulturelle Treffpunkt für Frauen und Kinder zum gemeinsamen Treffen ein. Diese Woche verzierten Frauen aus aller Welt gemeinsam Lebkuchen.

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Irina Masoud präsentiert mit Tochter Monika den selber geschmückten Lebkuchen. (Bild: Christian Pfander)

Angekündigt gemäss Programm war für den Interkulturellen Treffpunkt für Frauen und Kinder vom Dezember «Lebkuchen verzieren, backen und geniessen». Aber «Lebkuchen gebacken» wurden am vergangenen Mittwochnachmittag nicht, es wurden bloss gekaufte Lebkuchen verziert, dann auf einem Tisch in der Küche des Pfarreisaals der katholischen Kirche präsentiert und von den rund dreissig anwesenden Frauen und Kindern ausgiebig bewundert. Backen sei in dieser Küche zu kompliziert, sagte Barbara Gross, eine der Schweizer Betreuerinnen, nachdem sich die Frauen und Kinder zu Kaffee und Gebäck in den Esssaal nebenan verzogen hatten.

Treffen ohne Männer


Was also bezweckt eigentlich dieser Frauentreff in Konolfingen, bei dem Männer «auf Wunsch der Frauen» ausgeschlossen sind? Das Wichtigste sei, dass sich die Frauen in einem ungezwungenen Rahmen treffen könnten, sagt Gross, und weiter: «Es geht darum, den Frauen eine Chance zu geben, Fuss zu fassen, und darum zu versuchen, ihnen Schweizer Werte mitzugeben.» «Es geht um Integration, aber auch um ein Geben und ein Nehmen», sagt Veronika Gerber, eine zweite Betreuerin, «wir lassen uns von ihnen ihre Bräuche erklären, ihre Kleidung, ihre Tänze und Lieder».

Zum Betreuerteam gehört auch Irina Masoud. Sie stammt aus der Ukraine, heiratete einen Ägypter und lebt mit ihrer Familie seit sieben Jahren in der Schweiz. Seit drei Jahren lebt sie selbstständig, worauf sie grossen Wert legt. Ihr Mann arbeite als Betriebsleiter in einer Möbelfirma, deren Namen sie allerdings nicht nennen will. Masoud, deren Übersetzungskünste («fünf Sprachen») in diesem Kreis gefragt sind, sieht im Treffen die Möglichkeit, dass die Frauen «andere Kulturen kennen lernen und ihr Selbstvertrauen gestärkt wird». Ihre Tochter Monika, eine kecke Sechstklässlerin, scheint mit der hiesigen Kultur schon bestens vertraut, sie möchte Moderatorin am Fernsehen werden. Ihr Vorbild ist Katja Burkard von RTL.

Die Kopftuchfrage


Beim Kaffeekränzchen im Esssaal sitzen Frauen aus Bosnien, Albanien, dem Irak und vielen anderen Ländern mehr. Die Kosovarin Ajsehe Krashniqi lebt seit zwanzig Jahren in der Schweiz, spricht aber kaum Deutsch. Sie habe mit ihren fünf Kindern zu viel zu tun, um Deutsch zu lernen, erklärt sie. Anders die Kurdin Amira Omar aus Syrien. Sie ist seit achtzehn Jahren im Land, spricht recht gut Deutsch. Sie möchte hierbleiben, schliesslich haben zwei ihrer drei Söhne schon Militärdienst geleistet. Und wieso trägt sie ein Kopftuch? «Musliminnen müssen Kopftuch tragen, das steht im Koran» sagt sie, «auch wenn das nicht alle machen». Zu den Kopftuchverweigerinnen gehören offenbar, wie sie auf Nachfrage zugibt, auch ihre beiden erwachsenen Töchter. Ist Religion unter diesen Frauen überhaupt ein Thema? Nein, wird vonseiten der Betreuerinnen versichert, darüber werde nie gross diskutiert, und sowieso, Streit gebe es nie.

«Das Herz öffnen»


Mit am Tisch sitzt mit Miriam Schwyn auch die einzige Schweizerin, die nicht zum Betreuerteam gehört. Sie kommt mit ihrer zweijährigen Tochter zum Treff, weil sie sich auf die Gemeinschaft freue, auf die verschiedenen Kulturen, sagt sie. Klar, die Kommunikation sei schwierig, aber man verständige sich «mit Händen und Füssen». Schwyn geht es auch um «Wertschätzung» und darum, das Herz zu öffnen: «Flüchtlinge werden ignoriert, man versucht gar nicht, mit ihnen Kontakt zu knüpfen.» Auch ihre Tochter Sarah freue sich jeweils, sie habe schon Anschluss gefunden.

Die interkulturellen Treffen finden einmal pro Monat statt, mit stark wechselnder Beteiligung. «Als wir Kambly oder einen Zirkus besuchten, hatten wir siebzig Leute», sagt Veronika Gerber. «Mehr Frauen kommen in der Regel auch dann, wenn sie etwas nach Hause tragen können» – so wie an diesem Mittwoch die verzierten Lebkuchen. Im November allerdings, beim Thema «Erste Hilfe», war die Beteiligung mager: «Es kamen nur vier Frauen.»


Autor:in
Rudolf Burger, BZ
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Erstellt: 15.12.2017
Geändert: 15.12.2017
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