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Martin Christen ohne "Worber Post": Wie er verabschiedet wurde, was er nun vorhat

Die heutige Worber Post erscheint erstmals seit 1989 ohne Martin Christen, den langjährigen Chefredaktor. Mit dem Aufhören sei es ihm ernst, sagt er gegenüber BERN-OST. Nur noch Däumchen drehen wird er wohl trotzdem nicht. Denn: Die Bäume müssen geschnitten und das Schwyzerörgeli gespielt werden.

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Martin Christen vor der Druckerei Aeschbacher, wo die Worber Post gedruckt wird. (Bild: Tobias Kühn)
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Lilo Christen, Niklaus Gfeller, Gemeindepräsident von Worb, und Martin Christen bei der Verleihung des Kulturpreises 2009. (Bild: Res Reinhard)
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"Er kennt jeden, aber wirklich JEDEN in Worb", "Das MC-Herz: ein grosses, gutes Herz", "Unverbesserlicher 68er", "Ein unparteiischer Profi mit Herzblut und Gespür" - so erinnern sich Weggefährten in der Worber Post (WoPo) vom vergangenen Dezember, die ganz im Zeichen der Pensionierung des beliebten Chefredaktor Martin Christen stand. Unverwechselbar sein Habitus: Kleine, schnelle Schritte, leicht gebeugte Haltung, immer, aber wirklich IMMER, eine Zigarette im Mundwinkel. Oder in der Hand, bereit, sie anzuzünden. Dazu behauptet er: "Mein Arzt sagt, ich habe die Lunge eines Marathonläufers." (Tatsächlich hat er, wer würde es glauben, eine Vergangenheit als Langstreckenläufer. Bis dreissig war er ausserdem aktiver Fussballer und Athlet und gewann als Mitglied des SATUS (Schweizerischer Arbeiter-, Turn- und Sportverband) u.a. mehrere Schweizermeistertitel in Leichtathletik.)

"Ein wenig too much"

Ein Wort, das immer wieder fällt, wenn von Christen die Rede ist: Bescheidenheit. Martin Christen ist bescheiden. Den Worber Kulturpreis hat er mehrmals abgelehnt und erst nach einer Petition mit 250 Unterschriften endlich akzeptiert und auch die WoPo-Sonderseiten zu seinem Abschied sind ihm, bei aller Freude über die geballte Ladung Respekt, Dankbarkeit und Zuneigung, etwas peinlich. Sogar eine Standing Ovation an seiner letzten GGR-Sitzung musste er über sich ergehen lassen. "Ich bin geehrt und berührt, aber es ist ein wenig too much." Obwohl seine politische Haltung bekannt ist (MC ist ein Linker), schreiben ihm in der WoPo auch alle GGR-Parteien einen herzlichen Abschiedsgruss.

Vielleicht ist es eben diese Bescheidenheit, die dazu geführt hat, dass Martin Christen nach fast dreissig Jahren bei der Worber Post mit vielen kritischen Artikeln, immer noch von allen gegrüsst wird. Sicher aber ist es seine Professionalität. Während in anderen Gemeinden die Verwaltung viermal jährlich ein Info-Faltblatt herausgibt, hat Worb eine richtige Zeitung, auf die man stolz sein kann. Mit Mitteilungen der Gemeindebehörden und der GGR-Parteien, aber auch mit vielen selbst recherchierten Artikeln über Themen, die es vielleicht nicht in die regionale Presse schaffen würden, die für Worb aber relevant sind.

Starke Emotionen, gut versteckt

Ruhig auch und gefasst wirkt er. Eigentlich immer. Wohl auch gerade dann, wenn er bewegt ist. Beim WoPo-Abschiedsapéro in der Druckerei sei er gefragt worden, ob er denn eigentlich keine Emotionen habe. Seine ironische Antwort: "Als der liebe Gott die Emotionen verteilt hat, merkte er, dass er bei mir mit Haaren und Hirnzellen eher grosszügig war und das hat er dann kompensiert." Erzählt es und gibt im selben Augenblick zu: "Ich habe ganz starke Emotionen und der Abschied von der Worber Post bewegt mich sehr."

Trotzdem sei er nicht in Versuchung, den Abschied nur halb zu vollziehen. Obwohl ihn Nachfolgerin Cornelia Krämer darum gebeten habe, verzichtete er auf einen Sitz im WoPo-Beirat. Auch an die Sitzungen werde er nicht mehr gehen, sagt er. "Aber natürlich bin ich da, wenn es Probleme gibt." Krämer ist seit eineinhalb Jahren bei der WoPo und als aktive Worberin, unter anderem mitverantwortlich für die Kinderfasnacht, auf dem besten Weg, so bekannt zu werden, wie ihr Vorgänger.

Auch BERN-OST hat profitiert

Dass es Martin Christen, dem Hansdampf in allen Gassen, langweilig werden könnte, befürchtet aber wohl niemand. Vieles, das Worb ausmacht (oder ausmachte), geht zumindest teilweise auf sein Konto: Das Chinoworb, der Braui-Plouder im Kleintheater, der nostalgische Worber Fotokalender, Wahlfeste im Bärensaal, und auch BERN-OST wäre heute nicht, wo es ist, hätte Christen nicht seine journalistische Erfahrung und seinen Sachverstand eingebracht.

Auch privat lief es für Martin Christen gut, ist er dankbar, zufrieden, auf bescheidene Art stolz. Eine langjährige und, dem Vernehmen nach, glückliche Ehe mit Lilo Christen und drei Söhne, Marc, Jan und Cyril, die alle gut geraten sind und mit denen er in einer guten Beziehung steht. Seine Wünsche für die Zukunft? "2018 soll das beste Jahr werden, das es je gab. 1950 bis 2017 waren auch gut, aber das lässt sich noch toppen."

Zu den Rolling Stones - und sonst halt Schwyzerörgeli

Nach konkreten Plänen gefragt, sagt er: "Falls es Keith Richards mal nicht mehr geben sollte, will ich sein Nachfolger werden." Martin Christen hat Jahrgang 1950. "Das ist der beste Jahrgang", sagt er für einmal ganz unbescheiden. Er sei in einer Superzeit aufgewachsen. "Die Popmusik, die Freiheit durch Wirtschaftsaufschwung und Pille, die "Love and Peace"-Revolution." Und wenn das mit den Rolling Stones nichts werde, lerne er halt Schwyzerörgeli.

Auch etwas Selbstoptimierung ist geplant: "Mehr da sein für Haus und Hof. Wir lebten immer die klassische Rollenverteilung. Ich war Lilo eine ganz schlechte Hilfe und Stütze." Auf dass das glückliche Zuhause auch weiterhin glücklich bleibt. Denn, was die Wissenschaft weiss, weiss MC schon lange: "Lebensfreude ist ein wichtiger Faktor für Gesundheit."

[i] Die Ausgaben der Worber Post als PDFs auf der Gemeindewebsite von Worb.

Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 17.01.2018
Geändert: 18.01.2018
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