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Münsingen - Die Senevita-Überbauung sorgt für heisse Köpfe
Am Dienstagabend diskutierten im Münsinger Schlossgutsaal Gegner und Befürworter der Überbauungsordnung (ÜeO) q Senevita über die zukünftige Gestaltung des Gebiets westlich des Münsinger Bahnhofs. Die Visionen gehen weit auseinander. Am 4. März stimmt das Volk über das Referendum gegen die einstimmig vom Gemeinderat gutgeheissene Überbauungsordnung ab.
Rund siebzig Personen nahmen am von BERN-OST moderierten Anlass teil, rund dreissig verfolgten die Diskussion live auf Facebook. War das Interesse damit zwar etwas geringer als bei der Podiumsdiskussion zur Entlastungsstrasse Nord (ESN), die Debatte verlief nicht weniger reghaft.
Einer der grossen Kritikpunkte der Gegner am Projekt ist die Höhe des geplanten Gebäudes. „Sieben Stockwerke ist überdimensioniert“, sagte Dieter Ammann, Sprecher des Referendumskomitees. Die Gegner befürchten eine verstärkte Trennung der Ortsteile westlich und östlich des Bahnhofs. Man könne die Gebäudehöhe auf fünf Stockwerke reduzieren, sagte Amman, wobei er klarstellte, dass die Gegner des Projekts nicht gegen die Pflegeplätze seien.
Hasler: „Wir brauchen die Pflegeplätze dringend“
Diese waren eines der Hauptargumente der Befürworter der ÜeO q Senevita. „Wir brauchen diese 50 Pflegeplätze dringend“, sagte Ex-Gemeinderat Jakob Hasler (EVP), der zusammen mit Gemeindeparlamentarierin Helene Denkinger (glp) die Befürworter vertrat.
Diese rechnete vor, dass die Fixkosten für die Betreibung eines Alters- und Pflegeheims bei fünf Stockwerken durch weniger Wohnungen geteilt würden, was teurere Wohnungen zur Folge hätte.
Damit die Wohnungen erschwinglich seien, müsse man die Mietzinsen senken, weswegen man versuche, die Fixkosten durch mehrere Personen zu teilen.
Unterirdische Industriestrasse: machbar und finanzierbar?
Der zweite grosse Stein des Anstosses ist die geplante Verkehrsführung über den neuen Bahnhofvorplatz, wo die Industriestrasse bis zur Sägegasse verlängert werden soll. Die intensive Nutzung des Bahnhofplatzes von Fussgängern, Velo- und Autofahrenden wurde auch von Stimmen aus dem Publikum kritisch erwähnt. Das Referendumskomittee schlägt eine unterirdische Führung der Industriestrasse vor.
Die Idee sei es, die verschiedenen Einstellhallen zwischen der Sporthalle und der Belpbergstrasse schlau miteinander zu verbinden, sagte Ex-Gemeinderat Christoph Maurer (Grüne), Vertreter der Referendumsführer. „So entstehen auch keine Mehrkosten“, sagte er zum Kostenpunkt dieser Lösung. Er geht von einem einstelligen Millionenbetrag aus.
Eine entsprechende Studie für einen Tunnel, welche der Gemeinderat von einem Ingenieurbüro durchführen liess, schätzte Kosten in der Höhe von rund fünfzig Millionen Franken. Die Kosten seien ein Argument sagt Hasler: „Bei fünfzig Millionen würde es die Münsinger Bevölkerung 4000 Franken pro Kopf kosten.“
Maurer möchte den Grabenbach freilegen
Ein Problem eines Tunnels an dieser Stelle wäre, dass der Tunnel den unterirdischen Grabenbach unterqueren müsste, wie Hasler und Gemeinderat Andreas Kägi bemerkten, wodurch wiederum das Niveau zwischen dem Tunnel und den weniger tief liegenden Einstellhallen überwunden werden müsste. Maurer: „Mein Anliegen ist es, den Grabenbach heraufzunehmen.“ Ihm schwebt eine Freilegung des Bachs über den Bahnhofplatz vor.
Zwingende Verlegung der Industriestrasse?
Weiter kam auch die Verlegung der bestehenden Industriestrasse an die Bahngeleise zur Sprache. „Man könnte die alte Industriestrasse brauchen wie sie ist und sie nicht verlegen, das gibt viele Kosten“, meinte Heinz Wittwer aus dem Publikum.
Der Richtplan zum Ortsteil Bahnhof West sehe weitere Gebäude vor, welche die Industriestrasse an ihrer heutigen Lage verunmöglichten, erklärte Hasler. „Klar ist, wenn die Entlastungsstrasse kommt, müsste die Industriestrasse verlegt sein, denn die heutige hat die Kapazität für die geplanten Verkehrsfrequenzen nicht“, sagte er.
Revolution oder Pflegeplätze
Im Schlussvotum empfahl Maurer den Stimmbürgern mit einem verkehrsfreien Bahnhofvorplatz für eine "Revolution in Münsingen" zu stimmen. Hasler dagegen verdeutlichte die Wichtigkeit der geplanten Pflegeplätze und wies auf die Notwendigkeit der neuen Industriestrasse im Zuge des Baus der Entlastungsstrasse hin.
Kritik an Senevita
Wie bereits in Kommentaren von BERN-OST-Lesern, wurde aus dem Publikum Kritik am Unternehmen Senevita laut. Albert Kündig berichtete von einer Rendite von 33 Prozent, welche Senevita erwirtschaftet habe. „Es ist eine absurde Situation, dass wir mit unseren Ergänzungsleistungen den Gewinn eines Konzerns finanzieren“, sagte Kündig.
Die 33 Prozent hätten mit dem Gewinn nichts zu tun, sagte der anwesende Leiter Unternehmensentwicklung der Senevita, Werner Müller. „Davon kommen noch Zinsen, Mietzinse, Abschreibungen und Erneuerungen weg, am Schluss bleibt eine kleine einstellige Zahl“, so Müller.
Er, wie auch der Münsinger Gemeindepräsident Beat Moser, der auch Stiftungsratspräsident der Stiftung für Betagte ist, verurteilten auch die „respektlosen Äusserungen“ – Seniorensilo, Altersghetto –, welche von der gegnerischen Seite für die hochgeschossigen Altersheime vor der Podiumsdiskussion verwendet worden waren.
[i] Zum Video der Podiumsdiskussion auf der Facebook-Seite von BERN-OST
[i] Siehe auch:
- "Münsingen - Widerstand gegen das 'Altersghetto'" vom 06.02.2018
- "Abstimmung zur Münsinger Senevita-Überbauung: Die Argumente der Gegner und der Befürworter" vom 1.2.2018
Erstellt:
07.02.2018
Geändert: 07.02.2018
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