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Kiesen - Schliessung der Poststelle sorgt für Zwist im Gemeinderat

Quelle
Thuner Tagblatt

Gemäss Gemeindepräsident Ernst Waber wolle der Gemeinderat gegen die Poststellenschliessung in Kiesen vorgehen. Drei weitere Mitglieder des Rates widersprechen ihm.

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In Kiesen konnten Selina Waber, Urs Baumann und Katja Riem 5100 Unterschriften gegen die Schliessung verschiedener Poststellen an den Postvertreter Andreas Neugebauer (2.v.l.) übergeben. (Bild: PD)
Im Kiesener Gemeinderat ist man sich uneins. «Die Gemeinderäte Christina Campolongo, Markus Dietrich und Robert Homberger fühlen sich vom Gemeindepräsidenten Ernst Waber desavouiert», schreiben jene drei Exponenten der Kiesener Exekutive in einer Stellungnahme an die Adresse dieser Zeitung. Der Grund für den Unmut: «Der Bericht ‹Kiesen kämpft um seine Poststelle› im Thuner Tagblatt vom 6. März entspricht nicht in allen Teilen dem tatsächlichen Sachverhalt.»
 

Es treffe nicht zu, dass der ­Gemeinderat in der aktuellen Zusammensetzung die Poststellenschliessung nicht goutiere, erklären sie. Dies hatte Gemeindepräsident Waber (SVP) zu Protokoll gegeben. Waber – er wurde per 1. Januar 2017 anstelle einer der beiden offiziellen Gemeinderatskandidatinnen in den Rat gewählt – fungiert seit Anfang 2018 als Gemeindepräsident.

Neu im Rat sitzen seit jenem Zeitpunkt auch Fritz Affolter (parteilos) und Beatrice Riem (SVP). Die bisherigen Mitglieder Adrian Waber, Robert Homberger, Christina Campolongo und Markus Dietrich (alle parteilos) komplettieren den Rat.
 

Entscheid bestätigt

Dass der Rat sich gegen die Entscheidung der Post stelle, sei falsch, heisst es in besagtem Schreiben weiter: «Das Gegenteil ist der Fall: Der Rat in der aktuellen Zusammensetzung hat ein Rückkommen auf den letztjährigen Entscheid des Gemeinderates betreffend Schliessung der Poststelle Kiesen abgelehnt.»

Gemeindepräsident Waber bestätigt dies auf Anfrage: «Der Entscheid, den der Rat unter der letztjährigen Präsidentin gefällt hat, wurde vom neuen Gemeinderat dieses Jahr bestätigt.» Ein Umstoss des Entscheides habe der Rat als nicht sinnvoll erkannt. «Der Entscheid ist für mich aber insofern ein Fehler, als man die Bürgerinnen und Bürger nicht mit einbezogen und über deren Köpfe hinwegentschieden hat.»

Er selber wolle nach dem Gespräch, dass die Gemeinde mit der Post Ende März erneut sucht, möglicherweise auf den Entscheid zurückkommen: «Dies wollen jene drei Ratskollegen vermutlich nicht.»

«Optimale Lösung»

Dass die Post in Kiesen geschlossen werden soll, bedauern grundsätzlich auch Campolongo, Dietrich und Homberger, wie sie schreiben. Aber: «Wir sind der Ansicht, dass mit einer Agentur im Volg-Laden die optimale Lösung gefunden werden kann.»
 

Die SVP Kiesen-Oppligen, die ebenfalls – nach eigenen Angaben noch bis Herbst 2018 – von Ernst Waber präsidiert wird, hält indes an ihrer Petition gegen die Poststellenschliessung fest: In den rund 28'000 Haushalten im Wahlkreis Bern-Mittelland-Süd konnte die Partei laut eigenen Angaben rund 5000 Unterschriften gegen die Schliessung verschiedener Postämter in der Region sammeln. Diese wurden am Mittwoch in Kiesen einem Vertreter des Unternehmens übergeben (vgl. unten).

[i] SVP übergibt Petition mit 5000 Unterschriften

Am Mittwoch konnte die SVP Kiesen-Oppligen Andreas Neugebauer von der Schweizerischen Post eine Petition übergeben, in der 5000 Personen gegen die Schliessung verschiedener Poststellen im Wahlkreis Bern-Mittelland-Süd unterschrieben haben. Dies schreibt die SVP in einer Mitteilung. Roland Lamprecht von der Syndicom-Gewerkschaft Medien und Kommunikation beschrieb die Aktion laut Mitteilung als «ein enorm starkes Zeichen». Die 5000 Unterschriften würden zeigen, dass die Kunden einen weiteren Abbau von Poststellen nicht mehr tolerierten. Der Gemeinderat von Kiesen stehe nun in der Pflicht, sich gegen die Schliessung zu wehren. Bei der Entgegennahme der Petition wurde gegenüber den Vertretern der Post von den rund 40 Anwesenden viel Kritik laut, wie die Partei schreibt. Die Initianten hoffen nun auf einen Meinungsumschwung bei der Post. pd

[i] Kommentar: Kommunikation überdenken

Der Gemeindepräsident als offizieller Vertreter des Gemeinderats nimmt Stellung in der Presse – drei der sechs weiteren Ratsmitglieder zeigen sich öffentlich unzufrieden darüber und bezeichnen gar einige seiner Aussagen als falsch. Und als widersprüchlich zu dem, was im Rat beschlossen wurde. Im Kiesener Gemeinderat scheint der Haussegen schief zu hängen – die bevorstehende Schliessung der Poststelle kann dabei nur Verstärker, nicht aber Auslöser des Problems sein.

Nicht umsonst ist ein Gemeinderat eine Kollegialbehörde, in der gerade der Präsident die Aufgabe hat, in der Öffentlichkeit ratsinterne Beschlüsse zu vertreten und im Interesse aller Mitglieder zu sprechen – damit jene ihm nicht öffentlich in den Rücken fallen. Die Mitglieder des Kiesener Gemeinderats müssen dringend ihre interne und externe Kommunikation überdenken. Janine Zürcher, Thuner Tagblatt

[i] Siehe auch Newsbericht "Kiesen - Kiesen kämpft um seine Poststelle" vom 5.3.2018


Autor:in
Janine Zürcher, Thuner Tagblatt
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Erstellt: 16.03.2018
Geändert: 16.03.2018
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