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"Ein Flügelschlag zum Himmel": Silvia Schneider über die Demenzerkrankung ihrer Mutter – und wie daraus ein Buch entstand

Diesen Freitag, 23. März, stellt die Stettlerin an der Vernissage im Worber Medien-Center ihr neues Buch vor. Es ist ein ganz persönliches. In "Ein Flügelschlag zum Himmel" berichtet sie über die intensive Zeit während der Demenzerkrankung ihrer Mutter, wie sie als Tochter damit umzugehen versuchte und ihre Erfahrungen schliesslich zu Papier brachte.

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"Ich habe immer geschrieben": Im Worber Medien-Center hält Silvia Schneider nun ihre erste Buch-Vernissage. (Bild: Res Reinhard)
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Vielseitiges Schaffen: Silvia Schneider schreibt über persönliche Erfahrungen, wie die Demenzerkrankung ihrer Mutter - die das Foto als junge Frau zeigt -, verfasst aber auch Auftragsbiografien. (Bild: Eva Tschannen)
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Das türkisfarbene Buch ziert ein gelber Schmetterling. Und auch wenn der Untertitel «Wie ich lernte, mit der Alzheimer-Erkrankung meiner Mutter umzugehen» keinen leichten Lesestoff vermuten lässt, vermittelt der Schmetterling eine gewisse Leichtigkeit. «Es handelt sich dabei um eine Originalzeichnung meiner Mutter. Sie zeichnete den Schmetterling in mein Poesiealbum», erklärt Silvia Schneider während des Gesprächs im Worber Medien-Center.

Versöhnung während des Abschiednehmens

Angeregt durch eine gute Freundin, die sich in derselben Situation befindet, entschied sich Silvia Schneider, ihre eigenen Erlebnisse in einem Buch zusammenzufassen. Die heute 53-Jährige ist im Bünderland aufgewachsen, lebt jedoch seit längerem in Stettlen. Als es ihrer Mutter aufgrund der Demenzerkrankung immer schlechter ging, reiste sie alle zwei Wochen zu ihren Eltern nach Chur. Und blieb schliesslich ganz, bis ihre Mutter im Dezember 2014 verstarb. «Da ich gerne schreibe, habe ich in dieser Zeit Tagebuch geführt. Ich musste die Emotionen irgendwie verarbeiten», erinnert sich Schneider.

Bereits vor ihrer Demenzerkrankung habe ihre Mutter an Depressionen gelitten. Die eigene Kindheit sei dadurch nicht immer einfach gewesen. «Meinen Frieden habe ich beim Reisen und als dreifache Mutter gefunden», sagt sie und fügt dankbar an: «Während des Abschiednehmens haben wir uns versöhnt.»

Sprache als Ventil

Dass Silvia Schneider die Sprache wählte, um mit dem Erlebten umzugehen und anderen Betroffenen Mut zu machen, scheint kein Zufall zu sein. Bereits als Kind wollte sie Schriftstellerin werden. Ermuntert durch Schwester Ingrid Grave - die durch die «Sternstunde Philosophie» später schweizweit bekannt wurde – beschloss sie als 13-Jährige ein Buch zu schreiben. «Eine krasse Liebesgeschichte mit Todesfällen am Anfang und Ende des Buches», blickt sie mit einem sympathischen, etwas verlegenen Lächeln auf die Zeit als junge Klosterschülerin zurück.

Auch wenn die begeisterte OL-Läuferin beruflich anschliessend einen anderen Weg einschlug und heute als Sekretärin an der Universität Bern tätig ist, hat sie das Schreiben seither immer begleitet. Zeitungsberichte über den Orientierungslauf aber auch mehrere Theaterstücke stammen aus ihrer Feder. Eines davon wurde gar aufgeführt. «Ich habe immer geschrieben. Immer wieder auch für andere Leute», sagt Schneider.

Die Lebensgeschichte anderer erzählen

So entstanden ist etwa «Auszeit – (m)eine Liebeserklärung an Norwegen». Inspiriert dazu, die Erlebnisse des dreimonatigen Norwegen-Aufenthalts in Buchform zu bringen, hat sie Maria Schmid. Sie ist auch Teil eines neuen Projekts von Silvia Schneider. Gemeinsam haben sie Kaleidos-Buch gegründet, eine Art Verlag, in dem nach «Ein Flügelschlag zum Himmel» künftig die Lebensgeschichten anderer Personen erscheinen sollen.

«Es ist spannend, eindrücklich und ein Bedürfnis, dass man in einem gewissen Alter sein Leben aufschreiben möchte», so Schneider, die aktuell an der Uni Fribourg das CAS «Lebensgeschichte und Lebenserzählungen» belegt. Rund 100 Stunden an Gesprächs- und Schreibzeit benötigt sie, um 100 Seiten zu schreiben. Bereits fertig sind die Lebensgeschichten ihrer Eltern sowie zwei weitere Biografien.

Schmetterling mit besonderer Bedeutung

Die Auftragsbiografien liess Silvia Schneider drucken. Die ersten drei Werke hat jedoch ihr 82-jähriger Vater gebunden. «Er hat auf Ricardo eine Presse gekauft und sich über das Internet das nötige Wissen angeeignet», beschreibt sie stolz sein persönliches Engagement. Für die Vernissage am Freitag wird er extra von Chur nach Worb kommen.

Und auch mit dem titelgebenden Schmetterling verbinden sowohl Vater als auch Tochter besondere Erlebnisse. «In der Nacht als meine Mutter starb, sass ich an ihrem Bett und habe ein Gedicht über einen Schmetterling geschrieben.» In den ersten zwei Jahren nach ihrem Tod sei dann mehrmals an ungewöhnlichen Orten und zu ungewöhnlichen Zeiten ein Schmetterling aufgetaucht. Ein gelber – wie auf dem Buchumschlag.

[i] Buchvernissage «Ein Flügelschlag zum Himmel», Freitag, 23. März, 18 Uhr im Medien-Center Worb. Zum Veranstaltungseintrag auf BERN-OST…


Autor:in
Eva Tschannen, eva.tschannen@bern-ost.ch
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Erstellt: 22.03.2018
Geändert: 22.03.2018
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