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Boxen - Gegner und Zweifel besiegen

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Berner Oberländer

Andri Beiner nimmt diese Woche in Italien an der Europameisterschaft teil. Für den 17-jährigen Boxer aus Münsingen ist das bisher grösste Turnier auch ein Kampf gegen sich selbst.

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Andri Beiner ist für die EM gut vorbereitet. (Foto: Raphael Moser)

Im März ist Andri Beiner Schweizer Meister geworden. Zum zweiten Mal in der Kategorie Jugend (17 und 18 Jahre). Zuvor hatte er den nationalen Titel auch schon bei den Junioren gewonnen. «Andri würde auch bei der Elite gewinnen», sagt Christina Nigg. Für die Trainerin und frühere Weltmeisterin aus Thun bestehen keine Zweifel: «Er boxt technisch auf einem unglaublich hohen Niveau.» Deshalb bezeichnet Nigg ihren Schützling als Überflieger.

Gestern reiste Beiner nach Roseto degli Abruzzi. An der italienischen Adriaküste findet die Europameisterschaft statt. Beiner startet in der Kategorie Jugend. Obwohl er bereits den polnischen, slowakischen, italienischen, österreichischen und deutschen Landesmeister geschlagen hat, gibt er sich vorsichtig: «Man kann auch Pech haben, wenn man etwa schon in der ersten Runde den späteren Europameister zugelost erhält.»

Der mentale Kampf

Obwohl die EM bisher sein grösstes internationales Turnier ist, will sich Beiner nicht verrückt machen lassen. «Egal, wie gross und wichtig der Event, letztlich boxt man in diesem Viereck. Und wenn ich in den Ring steige, habe ich den wichtigsten Kampf eigentlich schon gewonnen.» Wie das denn? Beiner erklärt: «Zweifel gehören immer dazu. Man fühlt sich nicht immer wohl. Boxen ist ein mentaler Kampf gegen sich selber.» Natürlich hat der Berner sportliche Ambitionen, der Einzug in den EM-Viertelfinal würde ihm das Ticket für die WM im August sichern. «Klar will ich gut abschneiden, letztlich vertrete ich auch die Schweiz.» Aber sein primäres Ziel ist, sich weiterzuentwickeln. «Ich will mental stärker werden, meinen Fähigkeiten noch mehr vertrauen.»

Um die Zweifel zu beseitigen, erinnert sich Beiner jeweils an die Leiden. «Ich rufe mir in Erinnerung, was ich alles investiert habe. Es macht nicht immer Spass, morgens um sechs Uhr joggen zu gehen. Doch nach all den Trainings und Sparrings kann ich festhalten, ich bin hervorragend vorbereitet.» Neben positiven Gedanken helfen dem Jüngling auch Rituale. So kommt bei ihm der rechte Schuh immer vor dem linken, dasselbe bei der Bandage und dem Handschuh.

Kein Schlägertyp

Beiner besucht seit Sommer 2016 das Sportgymnasium in Bern. Er ist der einzige Boxer an der Schule. «Zuerst musste ich Klischees widerlegen. Alle erwarteten einen viereckigen Typ mit schräger Nase. Aber ich bin kein Schläger.»

Auch optisch nicht. Der Jüngling ist 183 Zentimeter gross. wiegt 69 Kilo und ist von durchtrainierter, aber schlanker Statur. In der Boxersprache entspricht das dem Weltergewicht. Mit den Schulkollegen ist Beiner ab und zu im McDonald’s anzutreffen. Dies nicht bloss, weil ihn der Fast-Food-Konzern via Sporthilfe pro Jahr mit 2000 Franken unterstützt. «Ich achte zwar auf gesunde und vielseitige Ernährung. Aber ein Besuch im McDonald’s muss einfach auch mal drinliegen.» Genauso wie das Pflegen des Freundeskreises. Und weil Beiner nächste Woche seinen 18. Geburtstag feiert, hat er bereits ein weiteres Ziel, das viele in seinem Alter haben: die Fahrprüfung. «Den theoretischen Teil habe ich bereits absolviert», erzählt er. Derzeit pendelt er mit dem Generalabonnement von seinem Wohnort Münsingen nach Bern in die Schule und nach Thun ins Training. Trotz dem sportlichen Erfolg reicht das Preisgeld noch nicht für ein Auto. Beiner lacht und wehrt ab: «Wenn ich einen Kampf für das Nationalteam bestreite, gibt es manchmal 150 Franken. Aber das ist überhaupt nicht wichtig.»

Der Schweizer Meister träumt zwar von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen, aber eine Profikarriere sei derzeit kein Thema. Beiner boxt nicht, um einst Gagen in Millionenhöhe zu garnieren. «Ich boxe, weil es schön ist, eine elegante Sportart ist und unbeschreibliche Emotionen bietet.» Selbstverständlich ist Beiner ehrgeizig und will erfolgreich sein. Von 54 Kämpfen hat er 41 gewonnen. In Italien sollen in diesen Tagen die nächsten Siege folgen.

Autor:in
Peter Berger, "Berner Oberländer"
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Erstellt: 18.04.2018
Geändert: 18.04.2018
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