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Gedenkabend für Polo Hofer in der Mühle Hunziken: Leer schlucken, Atem anhalten!

Quelle
Der Bund

Mit dem ersten von fünf Gedenkabenden ist in der Mühle Hunziken die Post-Polo-Hofer-Ära eingeläutet worden. Kuno, Büne oder Sina übernahmen die Gesangsparts. Doch neben Polo wurde ein anderer schmerzlich vermisst.

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Es hätte ihm gefallen: Sina und Büne Huber singen im Duett «Die gfallene Ängel» – und im Hintergrund blickt der junge Polo Hofer mit spöttischem Wohlwollen auf die Szenerie hinab. (Bild: Franziska Rothenbühler)

Obacht. Es wird jetzt richtig feierlich: Ganz zum Schluss der Gedenkrevue – quasi in der Nachspielzeit – stehen die musikalischen Wittwen und Wittwer von Polo National geschlossen auf der Bühne und schmettern in «Live Aid»-Manier dessen ohrwurmigsten Schlager durch die holzige Baulichkeit. Jeder übernimmt eine Strophe, der Refrain wird dann einmütig im Chor angestimmt. «Alperose» wird dergestalt im Schlussbouquet abgefeuert, und der «Schalala»-Refrain, welcher das Meitschi im Stück «Wyssebüehl» unsterblich gemacht hat, wird vom Publikum minutenlang in Endlosschlaufe repetiert. Selbst dann noch, als das Saallicht in der Mühle Hunziken längst angeknipst worden ist.

Die ehemaligen Mitmusiker von Polo Hofer kennen das Ritual und nehmen es routiniert zur Kenntnis. Büne Huber von Patent Ochsner und Schmidi Schmidhauser von Chica Torpedo grinsen breit und enthusiasmiert in die Menge. Sina aus dem Wallis bewahrt galaeske Contenance.

Nur Kuno Lauener scheint in dieser Eintracht ein bisschen zu fremdeln: Schalala-Refrains sind irgendwie nicht so sein Ding, und wie er im Finale den Textmonitor anpeilt, lässt vermuten, dass er in der ganzen Sängerriege der textunsicherste Polo-Hofer-Rezitator des Abends ist. Ja, vermutlich hat jeder einzelne Besucher im ausverkauften Saal Polos schnörkelfreie Poesie besser verinnerlicht als der Züri-West-Vorsitzende. Doch das ist an diesem Abend ganz und gar egal.

Beginn der Erinnerungsarbeit

Ziemlich genau neun Monate nach dem Tod von Polo Hofer ist in Rubigen die Post-Polo-Ära eingeläutet worden – mit fünf aufeinanderfolgenden Tribute-Abenden zu Ehren des Erfinders des Mundartrocks. Die Zeit der besinnlichen Erinnerungsarbeit hat also begonnen. Und für die Freunde berndeutschzüngiger Unterhaltungsmusik muss die Affiche angemutet haben wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten, BEA und YB-Meisterfeier auf einen Abend eingedampft.

Zwei Sets sind anberaumt: Das erste wird musikalisch umrahmt von «Die Band», Polos letzter Live-Band. Das zweite bestreitet die altehrwürdige Schmetterband, die von Kuno Lauener einst als «Rolls-Royce» bezeichnet und für ihr sorgfältiges Präzisionshandwerk gerühmt wurde.

Am Frontmikrofon wechseln sich die bereits vorgestellten Mundart-Hoheiten Kuno, Büne, Schmidi und Sina in munterer Folge ab. So hat es kaum überrascht, dass sämtliche Abende innert kürzester Zeit ausverkauft waren, wie Polo Hofers ehemaliger Manager Daniel Stöckli – ein Spezialist für bernische «Weisch no»-Anlässe – verkünden durfte.

Er hat den Anlass zusammen mit dem langjährigen Polo-Tastenmann und Songschreiber HP Brüggemann angezettelt, und er muss zu Beginn des Abends die bitterliche Nachricht überbringen, dass ebendieser HP Brüggemann den Konzertabenden nicht beiwohnen kann. Der Mann, der seit einigen Monaten auf der philippinischen Trauminsel Bohol lebt und Polo Hofer Lieder wie «Im letschte Tram» oder «Ds letschte Hemmli» geschrieben hat, erlitt während der Vorarbeiten zum Anlass in Bern einen Hirnschlag und befindet sich in Spitalpflege.

Büne mit Grandezza

Unnötig zu erwähnen, dass diese Kunde die Gemütslage im Saal zunächst empfindlich trübt. Und so scheint es angemessen, dass in den ersten Darbietungen des Abends nicht dem Party-Polo, sondern dem hintersinnigen und nachdenklichen Hofer gehuldigt wird.

Büne Huber, mit Herrenhut und im Sonntagsanzug, stimmt die (ebenfalls von HP Brüggemann mitverfasste) Ballade «Stilli Wasser» an. Er tut es mit Grandezza und angemessenem Respekt, und er doppelt nach mit dem traurigwiegenden «Die gfallene Ängel» im Duett mit Sina.

Etwas ausgelassener wird die Sache erst, als Schmidi Schmidhauser die Bühne betritt, der mit seiner Band Stop the Shoppers anno 1987 angetreten war, um den langweilig und bieder gewordenen Mundartrock aufzumischen, wie er damals verlauten liess. Der Heissblüter des Genres deckt mit «Nadisna» und «Kiosk» sinnigerweise die karibische Phase des Polo ab – und er tut es mit merklichem Spass.

Auch Marianna Polistena wird ein Song-Block zugewiesen. Die Pianistin und Sängerin, die von Polo Hofer Ende der Siebzigerjahre in die Schmetterding-Band geholt wurde, entscheidet sich mit «Risiko» und «Sing es Gebät» für die beiden schwerblütigsten Lieder von Polos letztem Album. Zwischen den Zeilen dieser Songs schimmert Polos Wissen um sein baldiges Ende durch. Es wird kollektiv leer geschluckt in der Mühle Hunziken.

Kunos Laufwege

Und kollektiv der Atem angehalten wird immer dann, wenn Kuno Lauener auf die Bühne tritt. Er hat die rock-’n’-rolligsten Nummern aus dem Lied-Nachlass gefischt (die etwas ungünstig gealterten «Muschle», «Uf däm länge Wäg», «Wägem Gäld»), und seine Laufwege auf der Bühne sind dermassen unberechenbar, dass man zuweilen Sorge haben muss, er könnte die etwas älteren Herren von der Band über den Haufen rempeln. Doch es geht alles gut. Oder besser gesagt: fast alles. Als Büne Huber im Stück «A däm gwöhnliche Tag» ein Texthänger unterläuft, wird er von Teilen des Publikums mit sehr ernsten Blicken gestraft.

Richtig aufbrausend wirds, als der Gitarrist Mario Capitanio den Nostalgie-Stampfer «Summer 68» voller ruppiger Hingabe darbringt. Richtig begeisternd wirds, wenn die Schmetterband in «Kiosk» zum solistischen Ausufern angestachelt wird. Und fast ein bisschen Kerzenlicht-romantisch wirds, als Sina mit «Im letschte Tram» das zweite Set finalisiert.

Es ist – alles in allem – eine lauschige Tribute-Show, die hier aus dem Boden gestampft worden ist. Polo Hofers Lieder werden nicht in die Gegenwart, sondern bloss in die Vorgegenwart verpflanzt – man hält sich ehrerbietig an die Originale, was für den ersten Gedenkabend durchaus in Ordnung geht. Und es ist anzunehmen, dass der Polo – hätte er dem Anlass auf einem der harten Mühle-Holzsitze beigewohnt – nicht allzu oft tadelnd dazwischengerufen hätte.

Es hätte ihm gefallen.


Autor:in
Ane Hebeisen, "Der Bund"
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Erstellt: 20.04.2018
Geändert: 20.04.2018
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