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Fussballer Michael Frey: Das Spiel seines Lebens

Quelle
Berner Zeitung BZ

Michael Frey trifft am Sonntag im Cupfinal in seinem fussballerischen Wohnzimmer Stade de Suisse auf YB. Der FCZ-Stürmer ist in grosser Form. Und der 23-jährige Berner mit langer YB-Vergangenheit polarisiert immer noch. Die Geschichte eines anständigen, aber auch anstrengenden Menschen.

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Wuchs in Münsingen auf: Michael Frey. (Bild: bscyb.ch)

Man hätte zu gern gewusst, was Michael Frey vor dieser Begegnung sagt. Aber Michael Frey spricht nicht. Er schreibt, er wolle vor dem Cupfinal nicht reden, er sei müde und konzentriere sich auf das Spiel. Das sei nichts Persönliches, das Verhältnis mit dem Journalisten aus Bern sei ja gut. Und sowieso, man habe in den letzten Jahren doch hundertmal zusammen gesprochen.

Der Medienboykott, möglicherweise bewusst für die Berner Presse ausgewählt, ist bedauerlich, ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Geschichte unbedingt erzählt werden muss. Selbst ohne frische Zitate.

Spektakuläre Aussagen hat dieser junge Mann genügend geliefert, auch sie führten zu einer eher verzerrten Wahrnehmung dieses liebenswürdigen, aber eigentümlichen Menschen durch weite Teile der Öffentlichkeit. Ein «Plauderi» sei er, sagen viele, die Medienchefs seiner Vereine schwitzten oft, wenn Frey in der Hitze nach dem Gefecht draussen auf dem Feld vor die Kameras trat und einen Spruch nach dem anderen raushaute. Mit einem Selbstvertrauen ausgestattet, das in der braven Schweiz des Mittelmasses verboten sein müsste. Frey wäre bestimmt auch als Mentalcoach erfolgreich gewesen.

Einer aus dem echten Leben

Michael Frey ist in Münsingen aufgewachsen, «Rasenmäherli» wurde er als Bub genannt, weil er wild auf dem Platz umherrannte. Im Grunde genommen hat sich daran bis heute wenig geändert. Frey ist kein Filigrantechniker, er ist eine Dampfwalze, robust und unerbittlich, ein Instinktkicker von der Strasse, einer aus dem echten Leben und nicht ein hochgezüchtetes Elitefussballschule-Talent.

Und nun schweigt dieser Mann, der mal gesagt hat: «Man lebt besser, wenn man ausdrückt, was man gerade fühlt oder denkt, statt es in sich hineinzufressen.»

Es ist schwer zu sagen, ob das für YB eine gute Nachricht ist. In drei Tagen trifft Frey im Cupfinal mit Zürich auf die Young Boys. Im Stade de Suisse. In seinem fussballerischen Wohnzimmer, in dem er nach jahrelanger Reife und Debüt mit 17 in der Super League auszog, um mindestens die Fussballwelt zu erobern.

Gerade mal 20 Jahre alt war Frey geworden, als er im Sommer 2014 kurz vor Ende des Transferfensters zu Lille ging. Die YB-Fans haben ihm diesen Wechsel nie verziehen, dabei hatte Positivdenker Frey früh klargemacht, was seine Mission ist. «Ich will der beste Stürmer der Welt werden», erklärte er mal in seinem aussergewöhnlichen Optimismus.

Schoggistängeli vom Metzger

YB war Freys grosse Liebe, jahrelang habe er sein Herz gegeben für diesen Club, sagte er nach dem Wechsel zu Lille, aber es sei Zeit für den nächsten Schritt – auf dem Weg in ronaldoeske Sphären. In der Ligue 1 lief es vorerst ordentlich, er haute und walzte sich durch die Abwehrreihen, doch eine üble Knöchelverletzung warf ihn weit zurück. Frey fiel ein Jahr aus, Komplikationen ohne Ende, er fluchte über den französischen Arzt, der ihn operiert hatte, einmal sagte er in freyer Rede: «Der Dorfmetzger von Münsingen hätte das genauso gut gemacht.» Immerhin: Für den Fleischspezialisten seines Heimatdorfes war das allerbeste Werbung, er schenkte Frey ein Schoggistängeli.

So ist das mit Michi Frey. Stets unterhaltsam, er ist ein Pointenbringer, direkt und unverbraucht, ehrlich und anders. Nicht so abgeschliffen wie viele Profifussballer, deren Bla-Bla-PR-Geschwafel anödet. Frey redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und dazu passt ganz gut, bekannte er einmal, er gehe zur Beruhigung Enten füttern. Er ist ein ernsthafter Lausbub, kombiniert Spieltrieb mit Arbeitsethos. Es gibt keine Schublade für ihn, das irritiert viele, zumal Frey gern und begabt zeichnet und malt, sich mit flapsigen Äusserungen aber wenig reflektiert geben kann. Wobei er misstrauischer gegenüber Medienvertretern geworden ist.

Adi Hütter ist kein Frey-Fan

Das Frankreich-Abenteuer brach Frey ab, nach einem halben Jahr bei Luzern kehrte er 2016 zu YB zurück. Mindestens die Fussballwelt wollte er immer noch erobern, nun halt vorerst wieder jene zu Hause. Es blieb beim Versuch. «Er setzt sich zu stark unter Druck», sagte Christoph Spycher letztes Jahr. Der YB-Sportchef kennt Frey schon lange, und sein Herz sträubte sich 2017 dagegen, den Stürmer zu verkaufen. «Der Kopf aber drängte zu einer Veränderung. Es war für uns beide sehr emotional, aber es ist besser, wenn er in Zürich einen neuen Anlauf nimmt», sagte er.

In Bern war Michael Frey nicht mehr genehm. Die Fans regten sich sogar über einen legendären überschwänglichen Jubel Freys nach einem Tor gegen Vaduz auf. Und bei YB tat er sich unter Trainer Adi Hütter schwer. Mit seiner Energie und seinem Ehrgeiz ist Frey ein komplizierter Arbeitnehmer. Muss er auf die Bank, kann er tagelang sauer sein, das ist anstrengend. Obwohl er ein anständiger Kerl ist.

Zudem setzte Hütter nicht auf den kraftvollen Wühler mit dem breiten Kreuz, der seine Rasenmäherqualitäten auf dem Kunstrasen ohnehin nicht ideal ausspielen konnte. Der YB-Coach war keineswegs traurig, wurde Frey wegtransferiert. «Ich will spielen», sagte derweil der Fussballer nach seinem Wechsel zum FC Zürich, «und wenn ich das nicht mehr darf, wird mir quasi meine Freiheit genommen. Wenigstens um einen Stammplatz muss ich kämpfen können. Bei YB durfte ich das nicht immer.»

Und so fügen sich alle Puzzleteile in dieser rasanten Achterbahnfahrt durch eine immer noch recht junge Karriere zu einem spektakulären Bild zusammen. Das ist am Sonntag ein richtig grosser Match für Frey. Er mag gereift sein, weil er sich selber schützt, andererseits könnte er hinstehen und dem Journalisten ein paar nichtssagende Sätze hinwerfen, wäre er wirklich gelassener geworden. Die Wahrheit ist vermutlich eine andere: Frey brennt, und wie, dieses «Mentalitätsmonster», wie ihn Uli Forte bezeichnet. Forte trainierte den Berner bei YB und auch beim FCZ, ehe er im Februar entlassen wurde. «Michi wird am Sonntag parat sein», sagt Forte, «er ist einer für diese grossen Bühnen.»

In grandioser Form

Die NZZ schrieb kürzlich, viele Auftritte des Malochers Frey hätten diese Saison eher den Eindruck eines Überlebenskampfes hinterlassen als den eines Fussballspiels. Fortes Nachfolger Ludovic Magnin nennt Frey einen «Charakterspieler», das schon, aber er suspendierte ihn im Frühling nach einem Wortgefecht im Training ausgerechnet vor einem FCZ-Heimspiel gegen YB. Es ist halt nicht einfach mit Frey. Nach einer Grippe kehrte der Stürmer mit sechs Treffer in vier Partien zurück. Er ist in grandioser Form.

Und sowieso: Tore hat Frey immer geschossen. Auch bei YB. Beim FCZ waren es diese Saison zwölf in der Liga. Und im Cupviertelfinal steuerte er beim unfassbaren Comeback gegen Thun das 2:3 in der 85. Minute und das 4:3-Siegtor in der 94. Minute bei. Es war ein Frey-Moment, einer, den er wie immer auf Instagram mit einer Jubelpose festhielt. À la Ronaldo. Er kommuniziert längst intensiv über die Selbstdarstellungskanäle, die das Internet bietet. Und die hohen Ziele, die gibt er nicht auf. 24 wird er im Sommer, die WM 2018 verpasst er, aber in vier Jahren an der Weltmeisterschaft in Katar wird er 28 sein, im idealen Fussballeralter. Ist nicht auch Cristiano Ronaldo, der beste Stürmer der Welt, immer stärker geworden?

Genugtuung? Rache?

Auf Instagram schrieb Frey Anfang Saison: «I am what I am.»

Ein Kämpfer vor dem Herrn ist er, der am Sonntag wie um sein Leben rennen und grätschen wird, vorne und hinten, nicht immer taktisch herausragend, aber mit unbändiger Leidenschaft. Er wird die Hauptrolle besetzen in seiner eher biederen Equipe. Und es würde kaum überraschen, avancierte Frey in seinem bisherigen Spiel des Lebens zum Matchwinner. Vielleicht mit zwei Toren. Vielleicht mit einem Last-Minute-Coup. Danach würde er Auskunft geben. Über seine grosse Genugtuung, es den Zweiflern und Nörglern in Bern gezeigt zu haben.

Würde er das? Und was hätte Frey in dieser Woche gesagt, wenn er geredet hätte, was der Schnabel hergibt? Dass ihn die Jubelbilder in Bern ärgern, weil er gern bei der Meisterfeier dabei gewesen wäre? Dass er sich an YB rächen wolle? Dass er sich auf den Sonntag freue und darauf, die Fans der Young Boys zu ärgern?

Es ist vielleicht ganz angemessen, schweigt Michael Frey. Sein Wiedersehen mit YB in dieser bedeutenden Begegnung ist brisant genug.


Autor:in
Fabian Ruch, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 24.05.2018
Geändert: 24.05.2018
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