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Rubigen - Kampf um Kies

Quelle
Berner Zeitung BZ

Gemeindepräsident Renato Krähenbühl (BDP) setzt sich dafür ein, dass im Gebiet Rütiweid künftig Kies abgebaut wird. Ueli Kobel gehört einer Interessengemeinschaft an, die sich dagegen wehrt.

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Nachbarn, aber Kontrahenten: Ueli Kobel (l.) und Renato Krähenbühl. (Foto: Adrian Moser)

Herr Krähenbühl, wie lebt es sich so im Kästli-Dorf?

Renato Krähenbühl: Rubigen ist ein Dorf mit rund 100 verschiedenen Firmen, darunter sind sehr bekannte. Unsere Gemeinde auf Kästli zu reduzieren, wäre falsch. Kästli baut in Rubigen nur deshalb Kies ab, weil es ihn da gibt.

Haben Sie die Bezeichnung Kästli-Dorf auch schon gehört?

Krähenbühl: Vor allem von Journalisten.

Herr Kobel, fühlen Sie sich manchmal wie im Kästli-Dorf?

Ueli Kobel: Der Eingang zum Dorf bei der Kiesgrube ist hässlich, aber es gibt ihn nun einmal, das wird sich nicht ändern.

Was haben Sie gegen den Kiesabbau in der Rütiweid?

Kobel: Im Kanton Bern gibt es 47 Kiesgruben. Wir sind nicht der Meinung, dass man überhaupt keinen Kies abbauen soll. Bei einer Ablehnung ist aber ein neues Projekt denkbar, das auf die Umwelt besser Rücksicht nimmt.

Was finden Sie bedenklich?

Kobel: Hier befindet sich Landschaftsschutzgebiet. Das soll aufgehoben werden.

Krähenbühl: Das stimmt nicht.

Kobel: Es steht in der Unterlagen.

Krähenbühl: Wir überarbeiten gerade die Ortsplanung. Das Landschaftsschutzgebiet entlang des Schwarzbachs bleibt bestehen. Die Einmündung Steckibach/ Schwarzbach beim Scheibenstand gilt als ökologische Ausgleichsfläche, die ausgeweitet wird.

Kobel: Wie auch immer. Ein Landschaftsschutzgebiet, das in einer Kiesgrube verläuft, ist vielleicht noch eines auf dem Papier. Aber schöne Waldränder mit den Spazierwegen verschwinden, auch 100-jährige Eichen. Es ist eine relativ kleine Fläche, auf die man ohne weiteres verzichten könnte.

Herr Krähenbühl, warum ist der Eingriff für Sie gerechtfertigt?

Krähenbühl: Es gibt einen Bericht des Amts für Wald. Nach der temporären Rodung kann die gesamte Waldfläche innert 15 Jahren wieder hergerichtet werden. Der Waldboden wird zwischengelagert. Und dank standortgerechter Baumartenmischung und aufgewerteten Waldrändern wird mittelfristig gar eine qualitative Verbesserung erzielt.

Kobel: Ja, in 100 Jahren.

Krähenbühl: Der Wald wird schon weit früher qualitativ wieder bestehen.

Welche Auswirkungen hat der Kiesabbau auf das Dorf?

Kobel: Die Grube kommt sehr nah ans Wohngebiet. Wir haben Talwind, Staub und Lärm werden das Dorf beeinträchtigen. Man macht einen zwei Meter hohen Damm. Aber was nützt der?

Krähenbühl: Die Häuser in der Hirschweid sind während der gesamten Abbauzeit mindestens 200 Meter von der Kiesgrube entfernt. Zudem sind diese Häuser alle Richtung Südosten ausgerichtet. Beim Schulhaus haben wir eine ähnliche Situation. Das Schwarzbachgebiet besteht seit Jahrzehnten. Es sind noch nie Klagen wegen Staub und Dreck bis zu mir gelangt. Und wenn ein zwei Meter hoher Damm nicht reicht, muss man ihn halt höher bauen.

Kobel: Wir haben mit Kästli persönlich geredet. Es bestehen keine Möglichkeiten, die Auswirkungen gering zu halten. Der Abbau verursacht den Lärm, den er verursacht. Man kann keine dreissig Meter hohe Mauer bauen.

Krähenbühl: Kies ist nicht ein stilles Gewerbe, das sind wir uns bewusst. Das gibt Lärm. Aber immerhin ist es so, dass die Abbauzeiten klar geregelt sind. Und die Kiesstandorte sind so gewählt, dass die Transportwege möglichst kurz gehalten werden. Im kantonalen Umweltverträglichkeitsbericht steht, dass der Kiesabbau realisiert und betrieben werden kann. In Rubigen ist die Kiesmächtigkeit hoch. Für Fachleute ist klar, man kann nicht einfach auf diesen Standort verzichten.

Kobel: Das sagen wir nicht, Renato. Bei höherer Umweltverträglichkeit haben wir nichts gegen einen Kiesabbau.

Wie müsste das passieren?

Kobel: Wir haben sieben Abbauetappen. Jedes der sieben Felder kann 30 Jahre offen sein. Und Kästli sagte mir persönlich, die letzten Abbaugebiete gehe er erst in 20 oder 30 Jahren an. Das könnte auch schneller gehen. Krähenbühl: 30 Jahre pro Etappe – das ergäbe ja 210 Jahre.

Kobel: Nein. Kästli sieht vor, zwei Etappen gleichzeitig offenzuhalten. Aber niemand weiss, wie lange es wirklich dauert. Auch der Gemeindepräsident nicht.

Krähenbühl: Es gibt keine Anzeichen, dass die vorgesehene Planung völlig falsch ist. Das Gebiet soll innert rund 25 Jahren abgebaut werden.

Kobel: Das Problem ist, dass die Gemeinde die Ausarbeitung der Überbauungsordnung der Firma überlassen hat. Man kann nicht den Bock zum Gärtner machen.

Krähenbühl: Wir haben die Planung eng begleitet. Es war ein jahrelanger Prozess, an dem vierzehn Amtsstellen mitgewirkt und ihn für gut befunden haben.

Welche Auswirkungen hätte die Grube auf den Verkehr?

Kobel: Es wurde gesagt, dass es nicht mehr Verkehr gibt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass man das Auffüllmaterial zusätzlich bringen muss. Ohne Kiesgrube braucht es kein Auffüllmaterial. Der Verkehr wird also wohl etwa gleich bleiben.

Krähenbühl: Ich verstehe nicht. Wenn es keine Kiesgrube gäbe, würde Kies statt Auffüllmaterial mit Lastwagen herangeführt, das im Kieswerk bearbeitet und wieder weggeführt wird. Der Verkehr wird also wohl etwa gleich bleiben.

Die Gemeinde soll in den nächsten 25 Jahren rund 4,5 Millionen Franken Kiesgeld erhalten. Ist das nicht eine schöne Summe?

Kobel: Geld ist für Rubigen natürlich interessant. Aber es macht 0,4 Steuerzehntel aus, so viel ist das dann auch wieder nicht. Und der Betrag ist eine Schätzung. Wie viel es tatsächlich gibt, sehen wir dann. Aber im Richtplan Rubigens steht: Die Landschaft ist das Kapital der Gemeinde.

Ist der Betrag angemessen?

Krähenbühl: Wenn wir in der Rütiweid Gold schürfen würden, wäre er nicht angemessen. Aber Kies ist ein Massenprodukt, der Preis stimmt.

Herr Kobel, man kann den Eindruck haben, dass sich nur eine kleine Gruppe von Anwohnern wehrt, die ihre eigenen Interessen durchbringen will.

Kobel: Ein einziges Mitglied der Interessengemeinschaft ist Anwohner des Plangebiets. Renato Krähenbühl und ich sind Nachbarn. Wir wohnen beide weit weg von der Kiesgrube. Die Interessengemeinschaft setzt sich für das Naherholungsgebiet ein. Mit Problemen der heutigen Kiesgrube befasst sie sich nicht.

Krähenbühl: Sechs Personen sind auf der Website der IG als Kontaktpersonen genannt. Zwei davon kommen vom Bollholzweg. Für die vier anderen hat der Kiesabbau in der Rütiweid einen speziell hohen Stellenwert. Zudem ist das Naherholungsgebiet nicht betroffen.

Herr Kobel, sehen Sie bei einem Ja einen Vorteil?

Kobel: Das Positive ist das Geld für Rubigen. Man verkauft Landschaft gegen Geld.

Herr Krähenbühl, und Sie bei einem Nein?

Krähenbühl: Das Positive wäre, dass die Situation geklärt ist und man wieder zum «Courant normal» übergehen kann. Ich stelle nämlich fest, dass die Wogen im Dorf hochgehen und recht verbissen argumentiert wird.


DAS PROJEKT

Am 10. Juni wird in Rubigen über die Überbauungsordnung Rütiweid abgestimmt. Im Gebiet Rütiweid nahe ihres Rubiger Kieswerks will die Baufirma Kästli in den nächsten rund 25 Jahren rund 2,5 Millionen Kubikmeter Kies abbauen. Dafür soll auch ein 2,4 Hektaren grosses Waldstück gerodet werden. Der Gemeinderat mit Präsident Renato Krähenbühl (BDP) befürwortet das Projekt. Die Interessengemeinschaft «Schützt Rubigen» setzt sich gegen den Kiesabbau ein. Ueli Kobel ist Mitglied der IG. rei


Autor:in
Interview: Johannes Reichen, BZ
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Erstellt: 25.05.2018
Geändert: 25.05.2018
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