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Fussball - Von Münsingen nach Lille

Quelle
Berner Zeitung BZ

Michael Frey wechselt zu Lille. Der 20-Jährige hat gestern Abend einen Vertrag beim französischen Spitzenklub unterschrieben. Für YB ist das sportlich ein grosser Verlust.

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Der Sympathieträger verlässt YB: Der in Bern sehr beliebte Michael Frey auf dem Sportplatz in Münsingen, wo er als Bub stets Fussball spielte. (Bild: Andreas Blatter)

YB versuchte gestern vieles, um den Spieler zum Bleiben zu bewegen. Zahlreiche aktuelle und ehemalige Akteure der Young Boys schrieben Michael Frey am Montag SMS und teilten ihm mit, er solle doch noch ein wenig in Bern bleiben. Auch Trainer Uli Forte und Sportchef Fredy Bickel kämpften um Frey, doch der 20-Jährige liess sich nicht mehr umstimmen. Das Angebot des französischen Spitzenklubs Lille war zu verlockend für ihn. «Jeder Fussballer träumt doch davon, einmal ins Ausland zu gehen», sagte Frey letzte Woche bei einem Termin mit dieser Zeitung. Und dann: «Niemand weiss vorher, wann der beste Zeitpunkt für einen Wechsel ist.»

Michael Frey, seine Familie und die Berater sahen den Moment für gekommen, den nächsten Schritt in der Karriere des jungen Stürmers in Angriff zu nehmen. Nach einem starken Saisonstart mit YB und einigen wichtigen Toren akzentuierte sich zuletzt das Interesse europäischer Klubs an Frey. Im Juli gab es sogar Gerüchte, die Grossklubs Liverpool und Dortmund und Juventus würden sich mit dem Schweizer U-21-Nationalspieler beschäftigen. «Ich habe nichts gehört», sagte Frey noch letzte Woche, «und konkrete Angebote gab es keine im Sommer.»

Immer noch unbekümmert

Man spürte zuletzt im Gespräch mit Michael Frey, dass er sich von YB emanzipiert hatte. Noch vor wenigen Monaten sprach er wie ein Fan von den Young Boys, doch der kampfstarke, ehrgeizige, fleissige Youngster spürte zuletzt, dass er eher früher als später den Weg ins Ausland realisieren möchte. «Ich werde YB immer im Herzen tragen», sagte er, «und natürlich will ich in Bern Titel gewinnen. Aber wenn man ins Ausland wechseln kann, ist das eine grosse Herausforderung.»

Es gibt nicht nur bei YB ganz viele Leute, die finden, Freys Wechsel erfolge zu früh. Der Angreifer ist zwar reifer geworden und abgeklärter, kommt aber zuweilen immer noch sehr jugendlich und unbekümmert daher. Michael Frey lebt auch immer noch bei den Eltern in Münsingen, der Schritt direkt aus dem Kinderzimmer in die erste eigene Wohnung im Ausland ist nicht zu unterschätzen. Aber Frey hat bisher jede Hürde in seiner Karriere souverän gemeistert – und letztlich ist ohnehin entscheidend, was auf dem Rasen passiert.

Lille jedenfalls ist eine perfekte Adresse für Frey, der einen Vierjahresvertrag unterschrieb und die Nummer 11 tragen wird. Es ist relativ ruhig in der Kleinstadt, und der Verein ist ein ausgezeichnetes Sprungbrett. Auch Stephan Lichtsteiner, heute bei Juventus, lancierte einst in Lille seine Auslandkarriere, und Alex Frei schaffte in Rennes, einem vergleichbaren Klub, den Durchbruch. Die Ligue 1 in Frankreich ist allerdings ein ziemlich hartes Pflaster für Stürmer, die Abwehrkräfte sind äusserst robust, es fallen insgesamt eher wenig Tore.

Etwas mehr als vier Millionen

Der Wechsel von Michael Frey zu Lille zog sich gestern in die Länge. Frey rückte am Morgen ins Camp der Schweizer U-21-Auswahl ein und flog erst am Abend nach Frankreich. Bis nach 22 Uhr verhandelten der Klub und Freys Berater, ehe der Deal kommuniziert wurde. Um Mitternacht war das Transferfenster zu. YB soll etwas mehr als vier Millionen Franken erhalten – und verliert einen Hoffnungsträger. «Wir legen einem Spieler keine Steine in den Weg, wenn er ins Ausland gehen will», sagt YB-Sportchef Fredy Bickel. Die Super League ist letztlich eine Ausbildungsliga.


YB muss ja nach heftigen Millionendefiziten in den letzten Jahren kräftig sparen, die Ablösesumme hilft dabei. Und weil es im Kader der Young Boys zahlreiche hoffnungsvolle Talente gibt, dürfte Michael Frey nur der erste von einigen jungen YB-Spielern sein, die den Weg ins Ausland einschlagen.


Autor:in
Fabian Ruch, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 02.09.2014
Geändert: 02.09.2014
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