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Rubigen - Kiesaffäre wirft Schatten auf Rubigen

Quelle
Der Bund

Volk stimmt über Aufhebung des umstrittenen Kiesreglements ab.

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Anwohner werfen der Kästli AG vor, sie halte beim Kiesabbau die Abstände nicht ein. (Foto: Adrian Moser)

Im mutmasslichen Kieskartell, das vom «Bund» kürzlich auf­gedeckt worden ist, nimmt die Kästli AG eine wichtige Rolle ein. Einer der Mitinhaber etwa ist gleichzeitig auch Verwaltungsratspräsident der Kies AG Aaretal (Kaga), die im Zentrum der Vorwürfe steht.

Die Gemeinde Rubigen hat der Kästli AG in der Vergangenheit immer wieder den roten Teppich ausgerollt. Seit Jahrzehnten baut das Unternehmen dort Kies ab, seit kurzem auch auf der östlichen Seite der Bahnlinie Bern-Thun. Zu diesem Zweck wurde extra eine neue Unterführung unter dem Trassee gebaut. Kästli ist der grösste Arbeitgeber in der Gemeinde und Trikotsponsor des örtlichen Fussballklubs. Hinter vorgehaltener Hand heisst es, Kästli geniesse einen grossen Rückhalt – ja sei sogar ein Teil der Gemeinde, obwohl kein Kästli– Verantwortlicher dort wohne.

Die Kästli-Gruppe möchte ohnehin den Hauptsitz von Ostermundigen nach Rubigen verlegen. Neben der Kiesgrube plant sie ein neues Dienstleistungszentrum für 15 Millionen Franken. Vor einem Jahr haben die Rubiger Stimm­berechtigten mit einem Ja-Anteil von 57 Prozent der Umzonung des 16 500 Quadratmeter grossen Stücks Kulturland zugestimmt und einen Kredit von 900 000 Franken für die Erschliessung des Areals gesprochen. Und nun gibt es schon wieder eine Abstimmung: Am 30. November soll das Volk darüber befinden, ob das Kiesreglement aus dem Jahr 1961 aufgehoben werden soll.

Illegaler Kiesabbau?

Pikanterweise ist seit zweieinhalb Jahren ein Rechtsstreit um das Reglement im Gang. Gruben-Anwohner haben Anzeige erstattet, weil sie der Meinung sind, Kästli baue illegal Kies ab. Ein Entscheid ist noch nicht gefallen. «Wir sind verwundert, dass der Gemeinderat das Reglement jetzt aufheben will. Er setzt sich damit über das laufende baupolizeiliche Verfahren hinweg», sagt Sprecherin Corinne Beringer. ­Ihrer Meinung nach werden im neuen Artikel im Baureglement, der als Ersatz dienen soll, die wichtigsten Punkte aus dem Kiesreglement nicht übernommen. Ein Kritikpunkt ist der Abstand der Grube zu Wohnhäusern. Im Kiesreglement ist die Rede von 200 Metern. In ihrer Anzeige ­machen die Anwohner geltend, Kästli halte diesen nicht ein. Sie werfen dem Unternehmen auch vor, zu viele Abbauflächen offen zu halten – mehr als die 8000 Quadratmeter, die im Reglement vorgesehen sind.

«Gemeinde nicht zuständig»

Dass das Kiesreglement trotz laufendem Verfahren aufgehoben werden soll, stellt für den Gemeinderat indes kein Problem dar. Aus seiner Sicht ist das Regle­ment nach über 50 Jahren längstens überflüssig geworden. «Der Kiesabbau ist mit einer Überbauungsordnung und übergeordneten Bestimmungen auf kantonaler und eidgenössischer Ebene gut und klar geregelt», sagt Gemeindepräsident Renato Krähenbühl (BDP). Die Bestimmungen, die aus Gemeindesicht zusätzlich nötig sind, sollen nun im Baureglement festgehalten werden. «Damit können wir den Schutz der Bevölkerung genügend sicherstellen.» Zusätzlich benötigt Kästli auch noch individuelle Bewilligungen.

Nichtsdestotrotz waren die Enthüllungen des «Bund» kürzlich Thema im Gemeinderat. Mit der bevorstehenden Abstimmung hätten diese aber nichts zu tun, sagt Krähenbühl: «Für kartellrechtliche Angelegenheiten ist nicht die Gemeinde zuständig, sondern die Wettbewerbskommission.» Er bestätigt indes, dass Kästli im Dorf «einen guten Namen» geniesse, obwohl der Kies­abbau Lärm und Verkehr zur Folge habe. Es gebe jedoch keine Anzeichen, dass die Firma die Gemeinde im Griff habe. Auf die Dorfpolitik nehme Kästli keinen Einfluss.

Vor Verwaltungsgericht

Die Anwohner leisten noch an weiteren Fronten Widerstand. Sie wehren sich auch gegen die vom Volk angenommene Überbauungsordnung für den neuen Kästli-Hauptsitz. Das Verfahren ist derzeit vor Verwaltungs­gericht hängig. Das kommt nicht überall gut an. Die Rubiger FDP etwa verschickte kürzlich ein Schreiben an alle Haushalte. Darin hielt sie im Zusammenhang mit der geplanten Aufhebung des Kiesreglements und der Überbauungsordnung fest, dass die Gegnerschaft «einzig in privatem und lokalem Interesse», darauf abziele, «die Tätigkeit der Kästli AG mindestens zu ver­zögern». Und: «Wer sich mit der Kästli AG auseinandergesetzt hat, weiss, dass das Dienstleistungszentrum nicht nur wirtschaftlich, sondern auch öko­logisch nachhaltig denkt.»

[i] Kies- und Deponiegeschäft

Mehr Kies für Lyss

Der Kiesabbau hat in Lyss eine lange Tradition: Seit fast 140 Jahren ist das Gewerbe in der Seeländer Gemeinde tätig. Am 30. November befinden die Stimm­berechtigten nun über einen neuen Kiesabbau- und Wiederauffüllungsvertrag. Dadurch soll die Firma Vigier in einem noch nicht angetasteten Teil des Grubenperimeters Kies abbauen dürfen.

Im Fall einer Annahme würde künftig mehr Geld in die Kasse der Kommune fliessen. Diese rechnet für den Abbau und die Deponie mit einem Erlös von rund 9 Millionen Franken. Gemeindepräsident Andreas Hegg (FDP) spricht daher auch vom «besten Vertrag», den die Gemeinde je ausgehandelt hat. Wie viel Vigier pro Kubikmeter Kies bezahlen wird, ist allerdings nicht bekannt. Die beiden Parteien haben diesbezüglich Stillschweigen vereinbart, damit die Verhandlungsposition von Vigier andernorts nicht geschwächt wird. Dies lässt aufhorchen. Denn Vigier ist Teil des mutmasslichen Kieskartells im Raum Bern-Thun, das vom «Bund» kürzlich aufgedeckt worden ist.

Die neuen Erkenntnisse waren bislang in Lyss noch kein Thema. Das Gemeindeparlament hatte im September den Vertrag mit Vigier mit 37:0 Stimmen angenommen. Im Falle einer Ablehnung müsste der Abbau im Verlaufe des nächsten Jahres ein­gestellt werden.

Autor:in
Adrian Schmid, Der Bund
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Erstellt: 21.11.2014
Geändert: 21.11.2014
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