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Biglen - Arm-Webstühle waren Rolls-Royce

Quelle
Berner Zeitung BZ

Marianna Haller-Arm hat die Hochblüte und den Niedergang der Handweberei erlebt. Sie hat die Arm AG ihrem Sohn Roman übergeben, der in den ehemaligen Produktionsräumen der Firma Wohnungen bauen lässt.

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Marianna Haller-Arm an einem Arm-Webstuhl. Garn zum Weben (hinten) und Ersatzteile (vorne) sind noch in Hülle und Fülle vorhanden. (Bilder: Urs Baumann)
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Im Turm, wo Holzspäne verbrannt wurden, entsteht Wohnraum.
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Von aussen sieht das Haus an der Rohrstrasse 2 in Biglen immer noch aus wie eine kleine Fabrik. Innen erinnert nur noch die Grösse und Höhe der Räume daran, dass hier eine Produktionsfirma war. Marianna Haller-Arm führt durch die Räume, die eben zu Wohnungen umgebaut werden. Sie erklärt, wo was war. Im Parterre befand sich die Schreinerei, wo die Holzteile für die Webstühle der Arm AG hergestellt wurden. Im ersten Stock entstanden Webblätter und andere Metallteile, die es zum Weben braucht. Was von der Produktion noch übrig ist, stapelt sich nun zu Hause bei der Familie Haller-Arm. Zum Beispiel ein Webstuhl, der mit dem Computer verbunden werden kann. «Designerschulen in England verwenden ihn heute noch, damit sie die Webmuster nicht nur sehen, sondern den Stoff auch spüren können», sagt Marianna Haller.

Die 75-Jährige war bis vor einem Jahr Firmenchefin und ist in der Lage, jeden Webstuhl zu bedienen. «Ich webe immer noch oft und gern», sagt sie und zeigt ein angefangenes Stück Wollstoff, auf dem sich in pink und violett wunderschöne Muster ineinander fügen. Es ist als Foto in einem Buch verewigt, das ihr Sohn Roman Haller – 5. Generation der Familie – herausgibt. Darin wirbt er für Wohnen und Kultur in der ehemaligen Fabrik: Damit statt mit Webstühlen setzt der 41-Jährige die Geschichte des Familienbetriebs Arm AG fort (siehe Zweittext).

Was wirft man weg?

Bis vor zwei Jahren hat die Arm AG noch Webstühle produziert, allerdings mit einer von zwanzig auf vier Personen reduzierten Belegschaft. Marianna Haller und ihre Tochter Denise haben die Fabrikations- und Lagergebäude geräumt und auch noch Ware verkauft. «Es war noch einiges da, was wir produziert, sortiert und aufbewahrt hatten», seufzt Marianna Haller. Die Frage «Was wirft man weg?» beschäftigt sie immer noch und wird wohl für längere Zeit nicht beantwortet sein. Zahlreiche Schachteln voller Bestandteile, die kein Laie kennt, füllen den Raum rund um die Webstühle: Schiffli, Spulen, Gurten, Wippen, Klinkenräder, Stoffspanner und Webblätter aus Metall, auch Kämme genannt, durch die der Zettel geführt wird. Mit diesem Warenlager dürfte die Arm AG in der Lage sein, noch über Jahrzehnte Ersatzteile für Webstühle zu liefern.

Billige Stoffe aus Asien

Auf eine kurze Hochblüte, die die Handweberei in den Siebzigerjahren erlebte, folgte der Niedergang. An den Webstuhl setzen sich nur noch wenige Hobbyweber und Bewohner von Alters- und Behinderteninstitutionen. «Profis gibt es bald keine mehr», sagt Marianna Haller. Diese Entwicklung führt sie auf billige, handgewebte Stoffe zurück, die in Asien produziert werden. «Wir haben viele Webstühle nach Indien geliefert.» Allerdings, Marianna Haller freut sich darüber, existieren immer noch Lehrgänge, wo man das Webhandwerk erlernen kann, etwa auf dem Ballenberg. «Lehrlinge gibt es noch, aber leider fast keine Lehrstellen mehr.»

[i] Firmengeschichte

150 Jahre für die Webtradition

1865 gründete Friedrich Arm in Biglen die Firma, die für die Emmentaler Handwebereien Webblätter produzierte, zuerst aus Schilfrohr, später aus Metall.

Nach Christian Friedrich Arm wurde 1935 Walter Arm Firmenleiter. Mitten im Zweiten Weltkrieg begann die Firma mit der Produktion von Webstühlen und mit dem Herstellen von Teppichen aus Stoffresten. Zwischen 1945 und 1950 wurden neue, innovative Webstühle konstruiert und jedes Jahr an der Basler Mustermesse präsentiert.
1950 bis 1960 begann Arm, kleinere Webstühle und Tischwebrahmen zu bauen. 1960 bis 1970 traten Heinz Arm und Marianna Haller-Arm als 4. Generation ins Unternehmen ein. Hallers Ehemann Kurt hatte in Biglen ein Malergeschäft. Die Firma Arm wurde zur AG. Man baute ein neues Lager und eine Schreinerei. Zwischen 1970 und 1980 trat Martin Arm in die Firma ein. Die Handweberei boomte. Arm-Webstühle galten als Rolls-Royce in der Branche und waren bis in die Achzigerjahre hinein gefragt. Dann stagnierte das Geschäft.

Webblätter wurden keine mehr hergestellt, dafür Designwebstühle mit Computeranschluss. 1999 starb Walter Arm, sein Sohn Martin verliess die Firma.
Zwischen 2000 und 2009 nahm die Produktion ab, die Arm AG vermietete Räume, die nicht mehr benötigt wurden. 2007 wurde Marianna Haller-Arm Alleininhaberin. Das Hauptgeschäft waren elektronische Musterwebstühle. 2012 brach die Nachfrage völlig ein. 2013 übernahm der gelernte Schreiner Roman Haller die Aktien und startete 2014 mit dem Bau von elf Wohnungen in den Gebäuden. Auch im markanten Turm auf dem Gelände, in dem einst die Heizzentrale war, wird eine Wohnung eingebaut.

Design und Innenarchitektur im Gespräch: Mi, 14. und 28. Januar; Mi, 14. Februar, jeweils von 19 bis 20 Uhr. Rohrstrasse 2, Biglen.
www.atelierarm.ch


Autor:in
Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 12.12.2014
Geändert: 12.12.2014
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