• Region

Worblentalbahn: Ein Zug für das "Eierfraueli"

Quelle
Der Bund

Vor 100 Jahren – am 4. Juli 1915 – hielt zum ersten Mal ein Zug der Worblentalbahn auf dem Kornhausplatz in Bern. Die Endstation blieb fast 60 Jahre lang in Betrieb. Ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte.

744c61f17f36146c3623e007683dbe7d.jpg
744c61f17f36146c3623e007683dbe7d.jpg
Die Worblentalbahn auf dem Kornhausplatz in Bern um 1916. (Bilder: Archiv RBS)
1f70401c453419ced809c52b34f89f32.jpg
In den 1960er-Jahren schwoll der Verkehr auf dem Kornhausplatz immer mehr an.
744c61f17f36146c3623e007683dbe7d.jpg
1f70401c453419ced809c52b34f89f32.jpg

Vor zwei Jahren feierte die Worblentallinie ihr hundertjähriges Bestehen mit einem grossen Fest. 1913 war die Strecke durch das Worblental nach Worb eröffnet worden. Doch erst am 4. Juli 1915 ratterte das meterspurige Bähnli zum ersten Mal bis in die Berner Altstadt. Damals wurde die Haltestelle am Kornhausplatz eröffnet. In den beiden ersten Jahren hielten die Züge der Worblentalbahn ungefähr dort, wo heute das Stade de Suisse steht, die Haltestelle hiess Forsthaus. 1927 wurde die Fusion der Worblentalbahn mit der Linie über Gümligen zu den Vereinigten Bern–Worb-Bahnen (VBW) vollzogen.

Während Jahrzehnten war am Kornhausplatz für die Passagiere Endstation. Von hier aus ging es zu Fuss oder mit Tram und Bus der Städtischen Verkehrsbetriebe weiter. Die Linie verlief durch das Nordquartier und die Papiermühlestrasse nach Ittigen. Die Höhendifferenz wurde mit weiten Kurven überwunden. «Die Verbindung mit Worblaufen diente mit wenigen Ausnahmen vorab dem Güterverkehr (Rollschemelbetrieb nach und von Deisswil)», schrieb der «Bund» 1998 in einer Sommerserie über verschwundene Bahnen im Kanton Bern.

Demokratischer als die SBB

Die Bedienung der Haltestelle Kornhaus war das, was man heute wohl als Meilenstein bezeichnen würde, und verführte den Redaktor des «Berner Intelligenzblattes» zu einer launigen Reportage, in der er erwähnte, die Stadt erhalte einen neuen und modernen Zug. Danach hielt er mit dem Eisenbahnwagen Zwiesprache. So freute sich der Wagen, dass er die SBB-Linie auf einer Brücke überquerte und auf den protzigen Schnellzug der Bundesbahnen hinuntersehen konnte. Im Eyfeld hielt der Zug für eine ältere Frau mit einem Korb voller Eier. Dies veranlasste den Zug zu vollmundigem Eigenlob. «Glaubst du, so ein hochmütiger Schnellzug, der unsereinen nicht einmal ansieht, würde halten nur eines einfachen Eierfraueli wegen, wie ich es mache? Aber sag selbst, wer ist der grössere Demokrat?»

Im Worblental war der Bau einer Eisenbahn anfänglich auf Widerstand gestossen. Auch gab es Kontroversen über die Linienführung. Die einen wünschten eine durchgehende Normalspurbahn in Richtung Emmental, andere waren grundsätzlich gegen den Anschluss ans Eisenbahnnetz. Als dann einmal der Beschluss gefasst war, verlief der Bau jedoch zügig. Zudem war die Worblentalbahn von Anfang an elektrifiziert. Zeitgenössische Quellen vermeldeten, dass durch die Eröffnung der Worblentalbahn «eine hübsche Rundbahn» mit Worb als Zentrum entstanden sei, die zu Ausflügen einlade. Anfänglich bestanden auch Pläne für einen weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes mit einer Verbindung über Enggistein nach Biglen. Diese Option wurde nicht realisiert.

Höhere Passagierzahlen

Am frühen Morgen des 26. Mai 1974 fuhr der letzte Zug ab Bern-Kornhausplatz. Die Moderne war bereits knapp zehn Jahre früher mit dem Tiefbahnhof des heutigen RBS angebrochen, der 1965 eröffnet wurde. Die Züge wurden ab 1974 über Worblaufen in den Tiefbahnhof geführt, davon erhofften sich die Verantwortlichen eine Frequenzzunahme. Der «Bund» schrieb 1998: «Aus zeitlicher Dis­tanz ist festzuhalten, dass der damals fast epochale Entscheid zur Umleitung der Worblentallinie in den Bahnhof Bern in allen Teilen ein voller Erfolg ist: Die Zahl der Fahrgäste hat sich seither mehr als verdoppelt.» 1984 schlossen sich die Solothurn–Zollikofen–Bern-Bahn (SZB) und die Vereinigten Bern–Worb-Bahnen zum Regionalverkehr Bern-Solothurn RBS zusammen.

Der Kornhausplatz als Endstation war nicht ideal – auch weil der Verkehr immer stärker zunahm, sodass sich öffentlicher Verkehr, Autos und Fussgänger den Raum streitig machten. Die Aufnahme rechts zeigt die belastete Verkehrssituation. Ab und zu kam es auf dem Kornhausplatz auch zu seltsamen Begegnungen. Im Juli 1947 während des Eidgenössischen Turnfests verirrte sich eine Güterlokomotive mit einem Personenzug auf den Kornhausplatz.


Autor:in
Simon Wälti, "Der Bund"
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 06.07.2015
Geändert: 06.07.2015
Klicks heute:
Klicks total: