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Münsingen - Fasnacht kann romantisch sein

Quelle
Berner Zeitung BZ

Die Saison ist eröffnet. Rund um den Schlossgutplatz hatten dieses Wochenende die Fasnächtler das Sagen. Einer von ihnen ist André Wenzler.

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André Wenzler (am Saxofon) ist Präsident der Chlepfschytter. (Bild: Iris Andermatt)

Müde, aber glücklich: So blicken einem die Gesichter an diesem Samstag kurz nach Mittag auf dem Schlossgutplatz entgegen. Ein paar Tassen Kaffee sollen die Lebensgeister wieder zum Erwachen bringen. Am Vorabend wurde bis in die Morgenstunden gefeiert. Und an diesem Nachmittag geht es nahtlos weiter. Der Umzug steht auf dem Programm. Fasnacht, das ist ein dichtes Programm, bei wenig Schlaf und viel Bier.

Auch André Wenzler konnte nicht viel schlafen. Knapp vier Stunden seien es gewesen, so der Steffisburger. Auf seinem Gesicht ist die Müdigkeit - Schminke sei dank - aber nicht erkennbar. Als Präsident der Chlepfschytter - eine der zwei Münsinger Guggen - ist Wenzler beim Heimspiel besonders in der Pflicht. Für ihn und seine 27 Mitmusikanten wird es das erste Wochenende in einer Reihe von Anlässen sein, die in den nächsten Wochen anstehen. «Für uns ist es toll, die Saison jeweils hier eröffnen zu können», sagt Wenzler.

Am Anfang nur ein Abend

Dass in Münsingen Fasnacht vor allen anderen gefeiert wird, hat Tradition. In den 80er-Jahren haben die Italiener den Carnevale zum ersten Mal ins Dorf gebracht. Aus einer Samstagabendfasnacht ist schliesslich ein ganzes Wochenende geworden. Nicht zuletzt wegen der Chlepfschytter, die 1987 gegründet wurden, und den Freitagabend zu «ihrer» Nacht gemacht haben. Mittlerweile organisiert Wenzlers Gugge die Fasnacht zusammen mit der zweiten musikalischen Fasnachtsclique, den Notä­frässer. Ein Dorf, zwei Guggen: Ist das nicht eine klassische Konkurrenzsituation? «Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Wir ergänzen uns sehr gut», sagt Wenzler. Die Notäfrässer seien früher die Juniorfraktion der Chlepfschytter gewesen, so Wenzler. Und wie das mit den Jungen halt so ist, irgendwann werden sie flügge. Bei den Notäfrässer war das der Gang in die Eigenständigkeit.

Wenzler selbst stieg direkt bei den «Grossen» ein. Zwar besuchte er schon vorher die Fasnacht, aber lange Zeit nicht als Aktiver. So richtig vom Fasnachtsvirus angesteckt wurde er durch seine Frau, die bei den Chlepfschytter noch immer Mitglied ist. «Ich konnte damals aber noch kein Instrument spielen. Also musste ich zuerst ein Jahr lang üben, bis ich die Tasten richtig traf und mitmachen konnte», sagt Wenzler.

Gesucht: Horn und Posaune

Das Instrument seiner Wahl: das Saxofon. Hätte es da nicht auch einfachere Varianten gegeben? Etwa als Trommler? «Das unterschätzt man. Für Trommel oder Pauke braucht es ein sehr gutes Rhythmusgefühl», so Wenzler. Für einen Neustarter sei es daher einfacher, ein Blasinstrument zu erlernen. Heute müsste er wohl Posaune oder Horn pauken. Denn auf diesen beiden Instrumenten sei die Besetzung momentan dünn, so Wenzler.

Ob Profi oder Quereinsteiger - bei den Chlepfschytter haben alle dieselben Rechte. Über neue Lieder wird jeweils im Plenum abgestimmt. Den musikalischen Lead überlasse er aber gerne anderen, sagt Wenzler lachend. Sein Steckenpferd ist das Organisieren. Etwa nächstes Jahr, wenn das 30-Jahr-Jubiläum der Chlepfschytter ansteht. «Das wird sicher ein besonderes Jahr», so Wenzler. Auch die Notäfrässer feiern 2017 ein Jubiläum, nämlich ihr 20-jähriges Bestehen.

Seine organisatorischen Fähigkeiten aber muss André Wenzler bereits an diesem Samstag unter Beweis stellen. Zuerst ein Anruf: Ein Posaunist fällt wegen eines beruf­lichen Notfalls für den Umzug aus; dann das Zusammentrommeln. Der Fototermin steht an. Alle Chlepfschytter stehen zusammen, lassen sich abknipsen und spielen dann zur Belohnung noch ein paar Töne. Leichter Schneefall setzt ein, während die Besucher auf dem immer voller werdenden Schlossgutplatz ihre Tanzbeine zu schwingen beginnen. Schnee, farbige Kostüme, tanzende Besucher, vertraute Klänge: Alkohol und Party zum Trotz - Fasnacht kann auch ganz schön romantisch sein.

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Autor:in
Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 18.01.2016
Geändert: 18.01.2016
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