- Region
Bowil - Ein Dorf in der Identitätskrise
Soll die Gemeinde aus dem Verwaltungskreis Bern-Mittelland austreten und ins Emmental wechseln? Der Infoabend am Montag war ein erster Gradmesser. Es ist eine Frage von Identität, Geld und dem Gefühl von Akzeptanz.
Bowil 2030 heisst die Vision, welche eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Gemeinde ausgearbeitet hat. Die Resultate wurden am Montagabend der Bevölkerung präsentiert.
Schöne Skizzen, farbige Pläne. Eine Frage aber blieb unbeantwortet: Wer soll das bezahlen? Der Steuerfuss liegt heute bei bereits hohen 1,89 Einheiten. Regierungsrat Christoph Neuhaus riet dem Gemeinderat bereits offen zur Fusion. Das wissen auch die Einwohner. «Zuerst verschwanden die Kleinbauern, dann die Käserei und das Dorflädeli. Bald kommt die Kirche dran und schliesslich die Gemeinde», so das Votum eines älteren Einwohners.
Müller meint es ernst
Die Stimme kam zu einem Zeitpunkt, als das träumerische Idealbild eines Bowil im Jahre 2030 längst vergessen war. Die Zukunftslust war der Zukunftsangst gewichen. Es ging ums Eingemachte: um die Identität, ja um die Zukunft von Bowil. Liegt diese im Emmental oder im Berner Mittelland?
Denn der eigentliche Grund, wieso die Leute an diesem Abend so zahlreich in die Schule strömten, lag am zweiten Traktandum: Soll Bowil aus dem Verwaltungskreis Bern-Mittelland austreten und ins Emmental wechseln? Gemeindepräsident Moritz Müller (SVP) sagt Ja.
Das Problem: Für einen Austritt gibt es momentan keine rechtliche Grundlage. «Es wäre heute einfacher, den Kanton zu wechseln», gibt Müller sogar zu. Aber Bowils Gemeindepräsident meint es ernst. Er strebt im Grossen Rat, dem er angehört, eine gesetzliche Lösung an. Zuerst aber will Müller den Segen seiner Gemeinde einholen. Die entsprechende Bevölkerungsbefragung läuft noch bis Mitte April.
Es gibt auch Kritik
«Man kann die Frage auch so stellen, dass man die gewünschte Antwort erhält», sagte eine kritische Bowilerin zur Umfrage. Die erste der beiden Fragen zielt voll auf die Emotionen: «Mit welcher Region identifizieren Sie sich?» Mögliche Antworten: Bern-Mittelland oder Emmental.
«Das Gefühl, Emmentalerin zu sein, ist sehr stark», so die Votantin. Aber das habe keinen direkten Zusammenhang damit, in welchem Verwaltungskreis Bowil sei. Die Einwohnerin zeigte ausserdem auf, wie stark die Verbindungen mit den umliegenden Gemeinden im Kreis Bern-Mittelland sind. «Ich will diesen Gemeinden nicht den Rücken kehren», schloss sie.
Der wesentliche zweite Teil der Umfrage: Soll der Gemeinderat seine Bestrebungen für einen Verwaltungskreiswechsel fortführen? Moritz Müller legte seine Position dazu klar dar. Er zeichnete ein Bild von Bowil als ungehörte Stimme. Besonders im Gremium der Regionalkonferenz habe man nichts zu sagen. «Diese Konferenz ist mittlerweile eine vierte Staatsebene geworden», so Müller. Als Kleingemeinde werde man nicht ernst genommen. Und das Geld werde überall dort ausgegeben, wo es einem nichts bringt. Überhaupt, das Geld: «Der Steuerfranken ist im Emmental mehr wert als in Bern», ist Müller überzeugt.
Die Diskussion war ein Hin und Her zwischen Befürwortern und Gegnern der Vorlage. Aber bei vielen Voten überwog das Gefühl, irgendwo zwischen Stuhl und Bank gefallen zu sein. «Wir werden überall am Rande sein. Was spielt es für eine Rolle, welcher Rand das ist?», fragte ein Einwohner die Runde. Diese Frage wird Bowil wohl noch lange beschäftigen.
Erstellt:
15.03.2016
Geändert: 15.03.2016
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