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Bolligen - Sturm um die Linde

Quelle
Der Bund

In Bolligen weht derzeit kein lindes Lüftchen: Der Grund ist die Abstimmung über das Restaurant Linde am 5. Juni. Die Gegner haben das Referendum ergriffen und sprechen von "Vetterliwirtschaft", weil ein Mitglied des Gemeinderats zum Zug kommen soll.

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Die Linde mit dem Saal ist Stammlokal vieler Vereine – von den Schützen über die Schwinger bis zu den Hornussern. (Bild: Adrian Moser)

Der Streit dreht sich ums Geld. Die Linde in Habstetten werde verschenkt, sagen die Gegner. Dass mit Markus Walther (SVP) ein Mitglied des Gemeinderats zum Zug kommen und das Restaurant im Baurecht übernehmen soll, bezeichnen sie als Vetterliwirtschaft und Kuhhandel. Andere Optionen seien gar nicht geprüft worden. Auf beiden Seiten wird für die Abstimmung am 5. Juni stark mobilisiert: Die Ortsparteien SP, SVP, FDP, Bolligen Parteilos, BDP und EVP unterstützen mit einem Flyer die Abgabe der Linde: So seien das Restaurant und der Saal auf lange Sicht gesichert. Die Beiz sei wichtig für die Vereine und das Dorfleben.

Auch der Bolliger Gemeinderat wirbt für ein Ja. Walther geht mit dem Baurecht eine Sanierungspflicht im Umfang von 3 Millionen Franken ein. So werde eine «tragfähige Lösung» ermöglicht, sagt Gemeindepräsident Rudolf Burger (Bolligen Parteilos). Die Familie Walther führe mit ihrer Zimmerei ein seriöses und erfolgreiches KMU. Der Vorwurf der Vetterliwirtschaft sei wohl unvermeidbar, wenn ein Gemeinderat Vertragspartner der Gemeinde sei, sagt Burger. "Wir haben mit Walther hart verhandelt." Dessen Zimmerei befindet sich im Westteil des Gebäudes. Walther übernahm den Teil 1995 ebenfalls im Baurecht und wohnt mit seiner Familie auch dort.

Unterschiedliche Berechnungen

René Décorvet, der das Referendum gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung vom März ergriffen hat, macht hinter die Argumente Fragezeichen. Das Gebäude befinde sich nicht in einem so schlechten Zustand wie behauptet. Die 3 Millionen Franken seien zu hoch angesetzt, es gehe auch um "umfangreiche Erweiterungen". Für eine Instandstellung reichten 900'000 Franken, sagt Décorvet. Der Verkehrswert des Gebäudes belaufe sich auf 1,4 Millionen Franken, darum solle Walther für die Linde auch noch 1 Million Franken auf den Tisch legen. "Falls er dies nicht will, soll die Linde öffentlich ausgeschrieben werden." Décorvet zeigt sich kämpferisch: Sollte das Referendum am 5. Juni abgelehnt und damit der Vertrag mit Walther bewilligt werden, überlegt er sich rechtliche Schritte in Form einer Anzeige wegen ungetreuer Amtsführung.

Markus Walther selber verteidigt die Zahl von 3 Millionen Franken, es gehe schliesslich um die Totalsanierung des Gebäudes: Küche, Haustechnik, Brandschutzmassnahmen, Lift, energetische Sanierung, eine neue Wohnung, der Umbau der bestehenden Wohnungen. Die Kosten seien durch ein Architekturbüro berechnet worden. "Wenn wir noch eine Million Franken zusätzlich zahlen müssten, rechnete sich das nicht mehr", sagt Walther. Auch die Zusagen der Banken für die Finanzierung würden dann hinfällig. Ein Restaurant stelle auch ein Risiko dar. Die Pacht durch den heutigen Wirt läuft Ende Oktober aus. Mit dem Baurechtsvertrag würde Walther die Verpflichtung übernehmen, einen neuen Pächter zu suchen.

Das Referendumskomitee kritisiert ausserdem das Nutzungsrecht für den grossen Parkplatz auf 50 Jahre hinaus. Der Platz wird auch für Viehschau, Chilbi und Bundesfeier genutzt. Es handle sich um eine wichtige Baulandreserve, die auf 50 Jahre hinaus blockiert werde, schreibt das Komitee. Der Handlungsspielraum der Gemeinde werde dadurch eingeschränkt. Für Walther gehört der grosse Parkplatz dagegen dazu, die zehn Parkplätze direkt an der Strasse reichten für den Betrieb des Restaurants bei weitem nicht aus, sagt er.

Missgunst und Brunnentröge

So weit die Argumente: Es gibt aber auch Vorwürfe und Gerüchte – Nebengeräusche hinter den Kulissen. So ist etwa davon die Rede, dass der Gemeinderat falsche Tatsachen vorgetäuscht habe und den effektiven Wert des Gebäudes habe verheimlichen wollen. Für die Gemeindeversammlung sei von den Dorfvereinen stark mobilisiert worden, um das Geschäft glatt durchzubringen. Auf der anderen Seite heisst es, die Gegner seien von Neid und Missgunst getrieben und würden die Linde gerne selber übernehmen. Die Personen hinter dem Referendum werden teilweise als Aufwiegler angesehen, die man zu Gotthelfs Zeiten in den nächsten Brunnentrog geworfen hätte. So steht es in einem anonymen Brief, der in der Gemeinde zirkuliert.

[i] Baurechtsvertrag - 16'000 Franken im Jahr:

An die Abgabe im Baurecht ist eine umfassende Sanierung der Linde mit Kosten von 3 Millionen Franken geknüpft.

Am 22. März hat die Gemeindeversammlung in Bolligen mit grossem Mehr beschlossen, die Linde in Habstetten an das Ehepaar Walther abzugeben. Das genaue Stimmenverhältnis wurde nicht ermittelt. Anwesend waren 352 Stimmberechtigte. Der Baurechtszins wird mit dem Vertrag auf 16'500 Franken im Jahr festgesetzt, dies entspricht 15 Franken pro Quadratmeter. Die Laufzeit des Baurechts beträgt 50 Jahre. Gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung wurde das Referendum ergriffen. Es kam mit 326 gültigen Unterschriften zustande. Abgestimmt wird am 5. Juni. Das Komitee wirbt für ein Nein, Parteien, Vereine und der Gemeinderat setzen sich für ein Ja ein.

Das Baurecht ist an Bedingungen geknüpft: Mit dem Baurecht verpflichtet sich Walther, die Liegenschaft für 3 Millionen Franken zu sanieren und das Restaurant mit Saal weiterzubetreiben. Kommt er der Sanierungspflicht nicht nach, so fällt die Linde an die Gemeinde zurück. Die Auflagen bezeichnet der Gemeinderat als streng. Im Falle eines Neins müsste die Gemeinde wohl "den Verkauf der Linde ohne weitere Auflagen und Verpflichtungen in die Wege leiten", heisst es in der Abstimmungsbotschaft. Denn der Betrieb eines Restaurants mit Saal gehöre nicht zu den Kernaufgaben einer Gemeinde. Das Restaurant Linde war 1960 von der Einwohnergemeinde Bolligen erworben worden.


Autor:in
Simon Wälti, "Der Bund"
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Erstellt: 24.05.2016
Geändert: 24.05.2016
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