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Konolfingen - Junge Menschen, alte Geschichten

Quelle
Berner Zeitung BZ

Die Neuntklässler befassen sich seit Wochen mit der Geschichte ihres Wohnortes. Dazu gehört auch das Los der Verdingkinder. Eines dieser Schicksale, jenes vom Hudi Eiseli, wird in einem Theaterstück erzählt.

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Federführend: Peter Glatz, Werner Weber, Magdalena Rieben und Willi Blaser (v. l.). (Bild: Walter Pfäffli)

Mit einer grossen Geste aktiviert der Dirigent den weiblichen Teil des Chores. «Und ds Vreneli ab em Guggisbärg, und ds Simes Hans-Joggeli änet dem Bärg.» Es klingt gut, aber noch etwas leise. Dann der männliche Teil des Chores, dieselbe Strophe. «Und ds Vreneli ab em Guggisbärg, und ds Simes Hans-Joggeli änet dem Bärg.» Rauer und auch lauter tönt es von dieser Seite. Der Dirigent ist noch nicht ganz zufrieden. Er geht zu den jungen Frauen und redet ihnen ins Gewissen. «Bei diesem Einsatz müsst ihr voll parat sein. Es gibt nur eine Chance.» Dann ein kurzes Kopfnicken Richtung Regisseur Peter Glatz, welches suggeriert: Kommt schon gut.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Übermorgen gilt es für die Neuntklässler aus Konolfingen ernst. Nicht ds Vreneli vom Guggisberg, sondern ds Hudi Eiseli von Gysenstein steht im Zentrum ihrer Theateraufführung. Eine Lokalgeschichte, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts spielt. Geschrieben hat sie Adolf Gerber (1884–1953), ein berndeutscher Sprachkünstler, der Zeit seines Lebens in der Region Konolfingen gewirkt hat. Zu einem Theater umgeschrieben hat das Stück Werner Weber. Der ehemalige Sekundarlehrer ist bei den Proben mit dabei und fiebert mit, dass die Jugendlichen ihren Text sicher über die Lippen bringen. «Sie haben das gut im Griff», sagt Weber voller Vertrauen. Bei den ersten Proben habe man noch die Hemmungen überwinden müssen. Aber seither sei eine stetige Steigerung spürbar, sagt Weber. «Äs chunt guet», ist er sich sicher. Der Mittwoch wird für ihn gleich in doppelter Hinsicht ein besonderer Tag. Zusammen mit Magdalena Rieben und Willi Blaser hat er die «Chonolfinger Gschichtli» von Adolf Gerber neu überarbeitet. Das Buch feiert wenige Stunden vor der Theaterpremiere Vernissage.

Noch ein My lauter

Die Vorfreude ist gross. «Eine Frau in der Badi hat mich kürzlich angesprochen und gesagt, sie freue sich auf das Buch. Die Geschichten lösen bei ihr alte Kindheitserinnerungen aus», erzählt Werner Weber. Aber es sind nicht nur leichte Erzählungen, sondern auch sehr ernsthafte Problematiken, mit denen sich Adolf Gerber auseinandergesetzt hat. Etwa Migration. Die Einwanderer kamen damals nicht aus Syrien oder Eritrea, sondern aus dem Berner Oberland nach Konolfingen. Beim Hudi Eiseli geht es um die Geschichte der Verdingkinder, die zu dieser Zeit auf fremden Bauernhöfen zur Arbeit gezwungen wurden. Mitinitiant Willi Blaser hat einen persönlichen Bezug zum Thema. Sein Vater war selbst ein Verdingkind. «In Konolfingen hat es gleich mehrere Kinder gegeben, die verdingt wurden», weiss Blaser. Sechs von ihnen kenne er persönlich. Die jüngere Generation, die das Stück nun spielt, hat diesen Bezug naturgemäss weniger stark. Trotzdem hätten sich einige der Thematik voll und ganz hingegeben, sagt Blaser.

Herzblut, die wichtigste Zutat eines jeden Theaters, wird also zur Genüge vorhanden sein, wenn es am Mittwoch so weit ist. Und bis dahin wird sicher auch der weibliche Teil des Chores noch ein My an Lautstärke zulegen.

[i] Theater: Mittwoch, 8. Juni, 20 Uhr, Donnerstag, 9. Juni, 20 Uhr, und Samstag, 11. Juni, 14.30 Uhr, im Kirchgemeindehaus Konolfingen

Autor:in
Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 06.06.2016
Geändert: 06.06.2016
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