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Wichtrach am Eidgenössischen Musikfest: Zu viel Regen, zu wenig Punkte

Quelle
Berner Zeitung BZ

Am Eidgenössischen Musikfest in Montreux herrschte für die Musikantinnen und Musikanten aus Wichtrach nicht nur eitel Sonnenschein. Nicht allein des Regens wegen, der ihre Marschmusikparade buchstäblich ins Wasser fallen liess.

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Nasser Empfang: Präsident Kai Spycher (rechts) und seine Kollegen bei der Ankunft in Montreux. (Bild: Walter Pfäffli)
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Volle Konzentration auch am Taktstock: Dirigent Thomas Blättler leitet das Spiel der Musikgesellschaft Wichtrach. (Bild: Walter Pfäffli)
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Volle Konzentration an den Instrumenten: Die Wichtracher Musikantinnen und Musikanten spielen sich für den Konzertvortrag ein. (Bild: Walter Pfäffli)
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Gespanntes Warten: Nach den Vorträgen im Konzertlokal. (Bild: Walter Pfäffli)
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Gelöste Stimmung: Auf der Fahrt zum Konzertlokal. (Bild: Walter Pfäffli)
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«Die Wichtrach-Musig spielt auch bei Regen.» Fast scheint es, als wolle sich die muntere Schar Mut machen angesichts der schlechten Wetterprognose, die für den zweiten Tag am Eidgenössischen Musikfest gelten soll. Zu wach ist die Erinnerung an die letzte Ausgabe des traditions­reichen Blasmusikwettspiels vor fünf Jahren in St. Gallen.Auch damals regnete es, als die Musikgesellschaften unter freiem Himmel marschierend und musizierend ihr Können unter Beweis stellen sollten.

Die Jury entschied deshalb kurzerhand, die Paraden nicht zu werten. Die Wichtracher machten sich trotzdem mit ihren Instrumenten ­unverdrossen auf den Weg. «Wir hatten uns schon aufgestellt, ­hätten zudem die Strecke ohnehin zurücklegen müssen», erzählen sie im Rückblick.

Noch sitzen sie an diesem frühen Samstagmorgen im Trockenen. Am Fenster des Cars, der sie zum diesjährigen Festort Mon­treux fährt, zieht das Freiburgerland vorbei, und plötzlich drückt einen Moment lang gar die Sonne durch. Die Freude währt indes nur kurz. Kurz vor dem Ziel ­regnet es wieder in Strömen.

Enttäuschte Gesichter

Ähnlich schütten sollte es später den ganzen Mittag über. Und als Wichtrach Anfang Nachmittag zur Marschmusikdemonstration antreten soll, macht nach einem längeren Hin und Her plötzlich die Nachricht im Wartelokal die Runde: Die Parade ist abgesagt und wird angesichts des engen Programms auch nicht nachgeholt. «Wirklich schade», stellt ­Dirigent Thomas Blättler mit hörbarem Bedauern fest. «Ein wichtiger Höhepunkt fehlt.»

Die Wichtracher machen nicht zum ersten Mal lange Gesichter an diesem Tag. Schon zwei Stunden zuvor steht ihnen die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Es ist kurz vor Mittag, eben haben sie die beiden mit viel Aufwand eingeübten Konzertvorträge hinter sich gebracht.

Nun erhalten sie von den drei Juroren die Bewertung. Für das erste, das vor­gegebene Stück mit dem Titel «Friend­ly Takeover» gibts 240 von 300 Punkten, für das zweite, das selbst gewählte Stück mit dem Titel «Cry of the Falcon» 231 von 300 Punkten.

Gerade dieses zweite Resultat ist für viele umso bitterer, als «Cry of the Falcon» seit längerem zum Repertoire gehört und entsprechend oft und gern gespielt wird. Dazu kommt, dass die Stücke nicht ohne sind. Sie sind mal schnell und mal langsam, mal laut und mal leise, entwickeln so eine Dynamik, die ein technisch präzises Spiel genauso verlangt wie ein gutes Gespür für die Dynamik. Die Aaretaler machen sich mit vollem Einsatz ans Werk und ­erreichen – zumindest in den ­Ohren des interessierten Laienpublikums – ohne hörbar grössere Patzer das Ziel.

Der Dirigent tröstet

Die Musikantinnen und Musikanten selber sehen die Sache dennoch leicht anders, leicht kritischer. Von fehlendem Spirit ist die Rede, als die Wertung fürs Erste verdaut ist, davon, dass man zu vorsichtig gespielt, die Emotionen zu sehr gezügelt habe. Erschwerend wirkte sich weiter aus, dass der Saal «trocken tönte», wie es Dirigent Blättler in seiner kurzen Manöverkritik formuliert. Die leisen Passagen hätten ganz gut funktioniert, wogegen den lauten – anders als zu Hause im Übungslokal – der Glanz gefehlt habe. Aber: «Wichtig ist, dass wir alle da sind und das Fest geniessen können», fügt er tröstend bei.

Ein Verein fürs Dorf

Auf diesen letzten Punkt hat ­bereits auf der Hinfahrt im Car Präsident Kai Spycher hingewiesen. «Das Eidgenössische», erklärt er, «ist für uns das, was im Sport eine Weltmeisterschaft ist.» Eine Gelegenheit also, sich an einem Grossanlass unter ­seinesgleichen zu messen – darüber hinaus biete das Fest die ­Gelegenheit, über alle Kantons- und Landesteilgrenzen hinweg miteinander ins Gespräch zu kommen. Das falle jeweils umso leichter, als die Begeisterung für die Musik ja allen gemeinsam sei.

Bei allem Streben nach dem ­guten Resultat im Wettspiel – Spycher betont, dass sich die ­Musikgesellschaft Wichtrach als Dorfverein versteht und als solcher noch ganz andere Funktionen hat. Das zeigt sich nicht nur an ihren Aufgaben, zu denen das regelmässige Verschönern von Gottesdiensten oder der Empfang von Vereinen nach einem Fest gehören.

Im Verein sei jeder willkommen, der Freude an der Blasmusik habe, «es gibt keine Aufnahmeprüfung». Zu dieser Breite passt, dass sich die Wichtracher in der sogenannten dritten Stärkeklasse bewegen, der vierten von fünf Kategorien, die am Fest bewertet werden.

Weshalb er persönlich Musik mache? Anders als bei vielen Kollegen, bei denen das Blasinstrument seit langem in der Familie Tradition habe, sei er von aussen dazugekommen, erinnert sich Spycher an seine Jugendzeit in Wichtrach. «Ich war einmal an einem Vereinsempfang dabei und fand das Spiel sehr schön.»

«Vorwärts, Bier!»

Im Wartelokal versuchen derweil die Wichtracher, aus der Absage des Marschmusikwettstreits das Beste zu machen. Immerhin steht am Abend noch das gemeinsame Festbankett auf dem Programm. Was sie nun mit der Zeit dazwischen tun werden?

Ein junger Musikant ruft in ­Anlehnung an die ausgefallene Parade und mit einem Augenzwinkern in die Runde: «Vorwärts, Bier!»

Einfach Pech
«Trotz des unsicheren Wetters konnte der Parademusikwettbewerb (fast) normal abgewickelt werden.» Was die Organisatoren des Eidgenössischen Musikfests in einer ersten Bilanz zufrieden anmerkten, muss für die Musikgesellschaft Wichtrach umso bitterer tönen. Ein zweiter Satz im gestrigen Communiqué erklärt, wieso: Der Wettstreit habe nur zwischen 14 und 15 Uhr unterbrochen werden müssen, heisst es. Just in jenem Zeitfenster also, in dem die Wichtracher hätten auftreten sollen.

Mit ihren rund 26 000 Musikanten verzeichnet die diesjäh­rige 34.?Ausgabe des grössten Schweizer Blasmusikanlasses einen neuen Teilnehmerrekord. Das Fest geht nächstes Wochenende weiter.


Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 13.06.2016
Geändert: 13.06.2016
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