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Linden und Bowil - Gemeinden wollen Region wechseln - Kanton steht auf die Bremse

Quelle
Thuner Tagblatt

Linden und Bowil möchten ihre Bevölkerung über den Wechsel des Verwaltungskreises entscheiden lassen. Während die Lindener mit einer Abstimmung im Frühling 2018 liebäugeln, rechnet man in Bowil damit, dass dies nicht vor 2020 möglich sein wird.

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Linden und Bowil mit Wechselgelüsten. (Grafik: Horrenbach-Buchen/Thuner Tagblatt)

Es waren die neu ausgehandelten Kulturverträge für die Regionalkonferenz Bern-Mittelland, die das Fass vor gut einem Jahr zum Überlaufen brachten. Dass das ländlich geprägte Linden fortan jährlich 9000 Franken an Kulturinstitutionen in und um die Stadt Bern zahlen sollte, passte der Gemeinde nicht. In einer Konsultativabstimmung an der Gemeindeversammlung vom Juni 2015 sprachen sich – bei einer Gegenstimme – 39 Lindener für einen Wechsel der Region und des Verwaltungskreises aus. Es war Wasser auf die Mühlen des Gemeinderats. Kürzlich bekräftigte Gemeindepräsident Thomas Baumann an der Gemeindeversammlung die Absicht, in den Verwaltungskreis Thun zu wechseln (wir haben berichtet).

Linden: Abstimmung 2018?

«Der Perimeter der Regionalkonferenz Bern-Mittelland, der ja bis nach Kerzers reicht, ist schlicht zu gross», findet Baumann. «Gerade für Gemeinden wie Linden, die am Rand liegen, bringt die Zugehörigkeit zu wenig.» Der Gemeinderat sei deshalb schon vor zwei Jahren ein erstes Mal mit dem Anliegen an den Regierungsrat gelangt. Dieser will an den Regionalkonferenzen aber vorerst nichts ändern – jedenfalls bis Ende 2016. Bis dann läuft die Evaluation der Strategie für Agglomeration und regionale Zusammenarbeit (Sarz), bei welcher der Kanton die bestehenden Perimeter überprüfen lässt (vgl. Info unten). «Wir erwarten die Resultate dieser Überprüfung im Frühling 2017», sagt Thomas Baumann und fügt an: «Der Regierungsrat dürfte wohl bald darauf einen Entscheid fällen, sodass wir die Abstimmung über einen Regionswechsel im Optimalfall auf die Frühlings-GV 2018 ansetzen könnten.» Die Lindener seien in der Regel schon nur vom Freizeitverhalten her eher nach Thun statt nach Bern orientiert, deshalb mache es Sinn, über eine Änderung nachzudenken.

93 Prozent für einen Wechsel

In Bowil, einer Nachbargemeinde von Linden, liebäugelt man ebenfalls mit einem Wechsel des Verwaltungskreises und der Regionalkonferenz. Die Fühler werden dort allerdings in Richtung Emmental ausgestreckt. Dass das Bedürfnis nach einem Wechsel in der Bevölkerung durchaus vorhanden ist, zeigte sich unlängst bei einer schriftlichen Umfrage. Während eines Monats hatten alle Stimmbürger Zeit, sich dazu zu äussern, zu welcher Region sie sich hingezogen fühlen und ob der Gemeinderat einen Wechsel anstreben soll. «Bei einem Rücklauf von 48 Prozent sprachen sich 93 Prozent der Umfrageteilnehmer für einen Wechsel aus», hält Bowils Gemeindepräsident Moritz Müller fest. Der Gemeinderat habe in der Folge beim Regierungsrat ein offizielles Gesuch für den Wechsel eingereicht.

Was den Zeitpunkt einer möglichen Abstimmung anbelangt, ist Müller indes weitaus skeptischer als sein Lindener Amtskollege: «Ich gehe davon aus, dass sie nicht vor 2020 erfolgen wird.» Laut Müller, der für die SVP im Grossen Rat sitzt, würden derzeit die gesetzlichen Grundlagen fehlen, damit Gemeinden den Verwaltungskreis wechseln könnten. Um dies zu ändern, reichte er eine entsprechende Motion ein, die in der Septembersession des Grossen Rats traktandiert ist und vom Regierungsrat zur Ablehnung empfohlen wird. Für Müller ist das unverständlich, «denn es ist heutzutage für eine Gemeinde einfacher, den Kanton zu wechseln, als den Verwaltungskreis».

Wachter widerspricht Müller

Den Vorwurf, ein Kantonswechsel sei einfacher als ein Verwaltungskreiswechsel, lässt Daniel Wachter, Amtsvorsteher beim Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR), nicht gelten. Erstgenanntes sei ein komplexes, zeitintensives Prozedere und könne bis zu sechs Jahre dauern. Im Fall eines Verwaltungskreiswechsels bestehe die Option, «beim Regierungsrat ein Gesuch um Einleitung der Abänderung des Anhangs zum Organisationsgesetz zu stellen». Der Grosse Rat müsste dann entscheiden, ob er das Gesetz ändern will oder nicht. Laut Wachter seien dem Kanton derzeit nur 2 von total 352 bernischen Gemeinden bekannt, die mit einem Verwaltungskreiswechsel liebäugeln. Weiss allenfalls Motionär Müller von weiteren Gemeinden, die Wechselgelüste hegen? «Offiziell nicht, und inoffiziell sage ich nichts dazu.»

[i] VERWALTUNGSKREISE UND REGIONALKONFERENZEN

Linden und Bowil liegen am südöstlichen Rand des Verwaltungskreises Bern-Mittelland, der insgesamt 85 Gemeinden umfasst (vgl. auch Grafik). Die gleichen Gemeinden bilden ausserdem die Regionalkonferenz Bern-Mittelland, welche in Bereichen wie Raumplanung, Verkehr oder Kultur Aufgaben vom Kanton übernimmt und dafür von diesem Geld erhält. Die städtisch geprägte Regionalkonferenz Bern-Mittelland stösst bei ländlichen Gemeinden zunehmend auf Kritik, beispielsweise wegen der zu bezahlenden Beiträge an Kulturinstitutionen (vgl. Haupttext). Der vom Kanton in Auftrag gegebene Bericht zur Strategie für Agglomeration und regionale Zusammenarbeit (Sarz) soll bis Ende 2016 darüber Aufschluss geben, ob die Aufgaben angepasst werden müssen. Erst dann will der Regierungsrat entscheiden, ob allenfalls auch die Perimeter der Regionalkonferenzen angepasst werden. Die Gemeinden Linden und Bowil wollen ihre Bevölkerung so oder so über einen Wechsel abstimmen lassen.

Bislang bestehen Regionalkonferenzen in Bern-Mittelland, im Emmental und in Oberland-Ost. In der Region Thun-Oberland-West übernehmen der Entwicklungsraum Thun sowie die Planungsregionen Kandertal und Obersimmental-Saanen vergleichbare Aufgaben, erhalten dafür jedoch eine weniger hohe Abgeltung (wir berichteten). Vor dem Abschluss von Sarz kann gemäss Regierungsrat nicht über eine allfällige Regionalkonferenz Thun-Oberland-West abgestimmt werden.

[i] UMFRAGE ZU SARZ

Moritz Müller, SVP-Grossrat und Gemeindepräsident von Bowil (vgl. Haupttext), lässt an der Umfrage zur Strategie für Agglomeration und regionale Zusammenarbeit (Sarz) kein gutes Haar: «Der Kanton hat vier externe Büros beauftragt. Es werden aber nicht einmal alle Gemeinden befragt.» Im Falle von Bowil habe er dafür sorgen müssen, dass sich die Gemeinde schriftlich äussern könne. «Es fehlt bei dieser Umfrage an Seriosität», so Müller, der vermutet, dass allzu kritische Gemeinden gar nicht erst kontaktiert würden. Beim Kanton widerspricht man dem. «Die externen Evaluatoren berücksichtigen, dass bei diesen Interviews sämtliche Gemeindetypen befragt werden, und sind auch beauftragt, die uns bekannten eher kritisch zu den Regionalkonferenzen positionierten Gemeinden abzuholen», sagt Daniel Wachter vom Amt für Gemeinden und Raumordnung. Nach den Interviews werde ein unabhängiges Expertengutachten erstellt. In der anschliessenden Vernehmlassung könnten sich alle interessierten Gemeinden beteiligen. gbs


Autor:in
Gabriel Berger, Thuner Tagblatt
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Erstellt: 21.06.2016
Geändert: 21.06.2016
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