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Münsingen - Postauto bootet Partner aus

Quelle
Berner Zeitung BZ

Plötzlich sind die Dienste des Postautounternehmens Lengacher nicht mehr gefragt: Postauto will die Linien rund um Münsingen selber führen.

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Trübe Aussichten: Urlich Lengacher kann nicht verstehen, dass er nicht mehr Postautounternehmer sein soll. (Bild: Andreas Blatter)

Springt man so mit langjährigen Geschäftspartnern um? Für die Lengacher AG stellte sich die Frage wohl noch nie so drängend wie in diesen Tagen. Seit mehr als fünfzig Jahren fährt das Familienunternehmen mit Sitz in Wichtrach die Postautokurse in der Region Münsingen. Es tut dies als sogenanntes Postautounternehmen – und war in dieser Funktion massgeblich daran beteiligt, dass aus der Stammlinie von einst, die Kirchdorf mit Gerzensee und Wichtrach verband, ein regionales Netz mit mehreren Orts-, Überland- und Nachtlinien wurde. Gut zwanzig Angestellte sind aktuell bei der Firma tätig.

 

Und nun das: Quasi über Nacht haben die Verantwortlichen in der Postautozentrale in Bern ihren lokalen Partner ausgebootet. Zwar wollen sie weiter mit von der Partie sein, wenn Ende 2017 der Busverkehr um Münsingen mit jenem um Belp zusammengelegt und unter eine einheitliche Führung gestellt wird. Entsprechend haben sie beim Kanton, der die Linien in freier Konkurrenz ausgeschrieben hat, eine Offerte eingereicht. Diese geht aber davon aus, dass Postauto das Netz künftig in eigener Regie führt – und auf die Dienste des Postautounternehmens Lengacher verzichtet. Gestern hat die Sendung «Eco» des Schweizer Fernsehens über den Fall berichtet.

Ist die Offerte ungültig?

Was Postauto zu diesem Schritt bewogen hat, muss zurzeit offenbleiben. Auf Anfrage lässt das Unternehmen lediglich verlauten, man äussere sich zu diesem laufenden Verfahren nicht näher, «auch aus Gründen des Wettbewerbs». Ähnlich zurückhaltend tönt Ulrich Lengacher, der Geschäftsführer der Lengacher AG. Er tut dies mit gutem Grund. Als Auftragsnehmer darf er sich in der Öffentlichkeit nicht zu Postauto äussern.

Er lässt nur offen durchblicken, wie sehr ihn das Verhalten der Zentrale in Bern enttäuscht hat. Er kommt zurück auf die zurückliegende Aufbauarbeit, erinnert insbesondere daran, dass er mit Blick auf eine langfristige Zusammenarbeit kräftig Geld ausgegeben hat: Vor sechs Jahren stellte er in Wichtrach für knapp eine Million Franken eine grosse Postautohalle auf.

Vielleicht kommt ihm diese Investition jetzt zugute. Lengacher geht jedenfalls davon aus, dass die Postauto-Offerte fest mit seiner Halle als Basis für den täglichen Betrieb rechnet. Zugleich macht er klar, dass er die Halle dafür nicht zur Verfügung stellen wird, sollte er als Postautounternehmer definitiv auf der Strecke bleiben. Lieber sucht er dann neue Mieter – und nochmals zur Offerte: Beharrt Postauto auf der Eigenregie, geht das Konzept in seinen Augen in einem zentralen Punkt von einer falschen Voraussetzung aus. Deshalb geht er davon aus, dass die Offerte für ungültig erklärt werden muss.

Kanton entscheidet bald

Ob der Kanton das auch so sieht? Noch hält sich die Verwaltung bedeckt. Sie wird die Katze erst in den kommenden Tagen aus dem Sack lassen – und dann gleich bekannt geben, wer das Rennen macht und die beiden Busnetze ab Ende 2017 betreibt. Dem Vernehmen nach haben neben Postauto drei weitere Unternehmen eine Eingabe gemacht.

Das Verhältnis von Postauto zu seinen Partnern scheint generell geändert zu haben. Das stellt Dominik Steiner fest, der in Ortschwaben selber Postautounternehmer ist und zudem die Geschäfte des Branchenverbandes Bus-CH führt. Als Postautounternehmer könne er nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass seine Dienste gefragt seien und es auch blieben, sagt er. Postauto sei in dieser Frage weit kritischer als früher.


Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 28.06.2016
Geändert: 28.06.2016
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