• Region

Gysenstein: Platz für Gäste, Feste und neue Ideen

Platz war genug da. Viele Ideen hatten sie auch. In den letzten Jahren haben sich Corinne und Andreas Reinhard aus Herolfingen bei Gysenstein immer wieder Neues einfallen lassen. So ergab sich eines aus dem anderen, bis letztes Jahr die «Habere» für Feste aller Art die Türen öffnete. Zum Ein-Jahr-Jubiläum fragen wir nach, wie das angelaufen ist.

Corinne und Andreas Reinhard haben die «Habere» vor einem Jahr eröffnet. (Foto: Phil Wenger/Birgit Lehmann)
Corinne und Andreas Reinhard mit ihren Mutterkühen: Am Anfang stand ein Platzproblem, jetzt entwickeln sie laufend neue Ideen. (Foto: Birgit Lehmann)
Die «Habere»: Eine freundliche Eventlocation, die Raum bietet für allerlei festliche oder kulturelle Anlässe. (Foto: Phil Wenger)
Der Reinhardhof bietet Platz für innovative Ideen. (Foto: Phil Wenger)
In diesen Wagen werden Freilandhühner aufgezogen: Bei Reinhards kann man auch Poulet- und Rindfleisch ab Hof beziehen. (Foto: Phil Wenger)
In dieser Küche können Gäste auf Wunsch auch selbst kochen. (Foto: Phil Wenger)

Der Blick durch die Fensterfront ist fantastisch, auch wenn sich an diesem verhängten Tag die Berge nicht zeigen mögen. Corinne und Andreas Reinhard eilen um den langen, festlich gedeckten Tisch und verteilen Tulpenvasen und die letzten Weingläser. Sie bereiten in der «Habere», dem umgebauten Kuhstall, alles für das Geburtstagsfest am nächsten Tag vor. 36 Gäste sind angemeldet, bis zu 50 hätten Platz.

 

«Ich bin gerne Gastgeberin», sagt Corinne Reinhard. Von der Tagesschule her ist sie auch gewohnt, für 70, 80 Personen zu kochen. Als sie vor einem Jahr in der «Habere» für die erste Festgesellschaft kochte, merkte sie jedoch überrascht: «Trotz meiner Routine war das ein ganz anderes Kochen, ich musste in die neue Aufgabe hineinwachsen.» Darin sind sie und ihr Mann geübt, so sind sie auch in das ganze Projekt «Reinhardhof» hineingewachsen.

 

Aus dem Platzproblem…

Der Reinhardhof heute, das sind Corinne und Andreas Reinhard und ihre drei Söhne Levin, 18, Elisha,15, und Nil, 14. Ausserdem Niklaus und Hermine Lieberherr, Corinnes Eltern, denen der Hof ursprünglich gehörte. Und 14 Mutterkühe der Rasse «Simmentaler Fleckvieh» mit ihren Kälbern. Ab Frühling kommen jeweils noch vier Mal 230 Küken dazu, sie werden zu Freiland Mastpoulets aufgezogen und wohnen in dieser Zeit in zwei rollbaren Anhängern.

 

Am Anfang stand aber ein Platzproblem: Mit der neuen Agrarpolitik erfüllte der Stall die Normen für die Milchkuhhaltung nicht mehr. Das Ehepaar Reinhard, er Zimmermann, sie Mitarbeiterin in einer Tagesschule, hatte ursprünglich gar nicht im Sinn gehabt, den Hof zu übernehmen. Als sich die Option bot, beschlossen sie gemeinsam: «Wenn schon, dann stellen wir auf Mutterkuhhaltung um.»

 

…entstand eine Eventlocation

Gesagt, getan. Mit viel Eigenleistung baute Andreas Reinhard einen neuen Laufstall, vor zehn Jahren zogen die Mutterkühe dort ein. Ein Jahr später, als die Kälber alt genug waren, begann die Fleischproduktion. Und schon ergab sich das eine aus dem anderen: «Von Anfang an stand fest, dass wir das Rindfleisch direkt vermarkten wollten», erzählt Andreas Reinhard.

 

Bei Bekannten in Deutschland hätten sie dann eine sehr cool umgebaute «Straussi» gesehen – in der Schweiz als «Besenbeiz» bekannt. «Dort holten wir viel Inspiration», erzählt Corinne Reinhard. Sie waren sich rasch einig: «Wir haben den Platz, und wir sind gerne Gastgeber – wir richten eine Eventlocation ein.»

 

Umbauen und Einrichten

Der Umbau dauerte neun Monate. Zimmermann Reinhard legte zielstrebig Hand an, konstruierte Abstellflächen aus den Futterkrippen und half, den Boden samt Schorgraben mit Gussbeton auszuebnen. Unterstützung erhielt er von Fachleuten für das Elektrische und die Sanitäranlagen. So funktioniert das Ehepaar gut zusammen: Er erledigt das Handwerkliche, sie kümmert sich um Dekoration und Stil.

 

In der freien Zeit waren die beiden auf diversen Gastroplattformen und Flohmärkten anzutreffen, und sie fuhren zu Gaststätten, die ihren Betrieb aufgaben. Sie erinnern sich noch lebhaft an die Glücksmomente, wenn sie fündig wurden. «Gemütlich, rustikal und heimelig» sollte der Raum werden, nicht luxuriös, aber mit einem schönen Ambiente.

 

Berner Wirtepatent erworben

Aber dann beschlossen sie, «wennschon, dann richtig». Und so fuhr Corinne Reinhard an freien Tagen und in den Ferien nach Bern und erwarb dort das Berner Wirtepatent. Sie lernte alles rund um Betriebsführung und -bewilligung und Hygienekonzept, ihr neues Projekt sollte von Grund auf solide aufgezogen sein. Mit dem Wirtepatent erhielt sie automatisch auch die Lizenz für Alkoholausschank.

 

So gerüstet, waren sie letzten Frühling bereit: Sie können in der «Habere» nicht nur einen Eventraum, sondern auch ein komplettes Paket bieten, das «Sorglospaket». Die Preise auf der Homepage für ein solches Gesamtpaket sind nicht ersichtlich: «Das ist je nach Menu so unterschiedlich, dass wir das individuell berechnen müssen», erklärt Corinne Reinhard.

 

Fleisch, Mehl, Events – oder gleich alles

Dass sie damit den Gastwirt:innen aus der Umgebung noch stärker das Geschäft abgraben, glauben die beiden nicht: «Wir haben nicht regelmässig offen, das könnten wir gar nicht stemmen», erklärt Andreas Reinhard.

 

Stattdessen bieten sie mit ihrer Location eben nach Bedarf auch die Möglichkeit, nur den Raum mit oder ohne Küche zu mieten und selbst für das Kulinarische zu sorgen. «Ausserdem können unsere Produkte von Fleisch bis Dinkelmehl online bezogen werden.»

 

Nur für gebuchte Events offen

Auch sonst, finden die beiden, seien sie keine grosse Konkurrenz für andere Gastronomie-Betriebe, vor allem, weil die «Habere» nur für gebuchte Anlässe offensteht. Viele Restaurants gebe es leider ohnehin nicht mehr in der näheren Umgebung. «Und mit unseren verschiedenen Angeboten ziehen wir eine andere Kundschaft an.»

 

Die grössten Erneuerungsschritte haben sie mit dem Umbau und der Eröffnung der «Habere» hinter sich. Aber die Ideen gehen ihnen nicht aus. Schon als wegen Corona alles geschlossen war und sie ihre grosse, lange geplante Familienreise in die USA nicht antreten konnten, hatten sie kurzerhand ein Militärzelt aufgestellt. Dort boten sie «Ferien auf dem Hof» an.

 

Campingstellplätze und Dinkelmehl

Als dann Campingferien boomten, beschlossen sie, drei fixe Stellplätze bereitzustellen. Diese können über Park4night.ch gebucht werden. Wer dort aufstellt, kann von frischen Hofprodukten profitieren. «Und wenn Kinder mit uns in den Stall kommen und mithelfen, können sie viel über nachhaltige Landwirtschaft lernen», ist Andreas Reinhard überzeugt.

 

Das allerneuste Produkt ist Dinkelmehl, das sie in der Mühle Wüthrich in Schüpbach mahlen lassen, für Feste bäckt Corinne Reinhard daraus frisches Brot. Die Produktion ist jetzt erst einmal «klein und fein», aber nach dem Motto «klein anfangen und dann hineinwachsen» wird sie vielleicht noch ausgeweitet.

 

Hauptsache Herzblut

Während Corinne und Andreas Reinhard die letzten Dekorationen auf dem langen Festtisch verteilen, wirbeln ihnen schon wieder neue Ideen und Pläne durch den Kopf. Manchmal sind sie selbst gespannt, was noch auf dem Reinhardhof Platz finden wird.

 

Aber vorerst sind sie voll damit beschäftigt, ein bis zwei Mal pro Monat Geburtstagsfeste, Firmenfeiern, Vorlesungen, Konzerte oder andere Anlässe auszurichten. Viel mehr läge momentan gar nicht drin, denn für beide ist klar: «Wenn wir etwas anpacken, dann mit Herzblut.»

 

[i] Infos zur «Habere» auf dem  Reinhardhof. Corinne und Andreas Reinhard haben übrigens nichts mit Res Reinhard von BERN-OST zu tun, die Namensgleichheit ist reiner Zufall.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 16.03.2024
Geändert: 16.03.2024
Klicks heute:
Klicks total: