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Karfreitag und Ostern: «Nach dem Leid die Hoffnung»

Auf die freien Tage freuen sich alle. Aber längst wissen nicht mehr alle, was eigentlich hinter den Feiertagen Karfreitag und Ostern steckt. Wir fragten eine Frau, die es wissen muss: Carmen Stark, Pfarrerin in der Kirchgemeinde Biglen.

Pfarrerin Carmen Stark: «Für mich ist Ostern das grosse Ereignis, das uns Hoffnung gibt und in die Zukunft leuchtet.» (Foto: cw)

Von Beruf zuerst Hochbauzeichnerin, dann Marketingfachfrau und schliesslich Pfarrerin; vom thurgauischen Schweizersholz zuerst 20 Wochen lang mit dem Rucksack durch Südamerika, und nach einem Wüstentrekking in Marokko zum Theologiestudium an der Uni Bern: Carmen Stark, 49, hat bereits etliche Stationen erlebt.

 

Mehr als wichtige Bräuche

Vor viereinhalb Jahren hat sie ihre Arbeit als Pfarrerin in Biglen/Arni/Landiswil aufgenommen: «All diese Berufs- und Lebenserfahrung helfen mir in meinem Beruf viel», sagt sie. In den christlichen Feiern von Karfreitag und Ostern sieht sie mehr als wichtige Bräuche – und sie seien alles andere als veraltet.

 

BERN-OST: Frau Stark, die meisten wissen gar nicht mehr, welche Bedeutung hinter Karfreitag und Ostern steckt. Was bedeuten für Sie persönlich diese Feiertage?

 

Carmen Stark: Karfreitag steht für Tod und Trauer, Ostern für die Auferstehung Jesu und für Hoffnung. Beide Tage bedeuten mir persönlich sehr viel – ja, sie sind für mich eigentlich die wichtigsten christlichen Feiertage.

 

Und was bedeuten die Feiertage generell? 

Am Karfreitag starb Jesus am Kreuz den Verbrechertod. Damals brach für seine Anhänger:innen eine Welt zusammen: Nach dem Tod dessen, der sie vom römischen Joch befreien sollte, fühlten sie sich verloren und wussten überhaupt nicht mehr, was auf sie zukommt. Darum, und weil Jesus am Kreuz gestorben ist, müssen wir an diesem Tag dem Leiden Raum geben – denn es hat auch heute noch seinen Platz im Leben.

 

Das klingt etwas düster…

Das Gute ist, dass wir eben nicht in Hoffnungslosigkeit absinken müssen: Anders als die Menschen vor 2000 Jahren dies unmittelbar konnten, realisieren wir heute, dass auf den Tod vom Karfreitag die Auferweckung Jesu in ein neues Leben folgte. Dies feiern wir an Ostern.

 

Welche Feier finden Sie wichtiger?

Beides gehört zusammen: ohne Karfreitag keine Ostern. Im Licht der Auferstehung Jesu dürfen wir hoffnungsvoll in unsere Zukunft blicken: Nach dem Tod wartet  ein neues Leben in Gottes Gegenwart. Die Auferstehung ist jedoch keine billige Verströstung; sie wirft ihr Licht auf unser Leben im Hier und Jetzt. Die Auferstehung Jesu zeigt, dass wir trotz Trauer und Verlust eine Zukunft haben, nicht erst im Ewigen Leben.

 

Sie unterrichten auch Konfirmand:innen. Bibelgeschichten wie jene von Kreuzigung und Auferstehung sind aber schon sehr weit weg von der Alltagswelt von Jugendlichen…

Auch ich habe den Eindruck, dass die Bibel vielen Jugendlichen sehr fremd ist. Andererseits staune ich über ihre Sprachfähigkeit. Dazu ein Beispiel aus meiner aktuellen Konfklasse: Ich liess die Jugendlichen je einen Gegenstand aus einem Stapel ziehen und wollte dazu von ihnen wissen, wie sie diesen mit Gott und Glauben verbinden. Ein Jugendlicher hatte eine Duschbrause ergriffen und erklärte, damit wasche Gott seine Sünden weg. Er hat also eine Vorstellung von «Sünde».

 

Wie lassen sich denn Bibelgeschichten auf unsere moderne Welt übertragen?

Tatsächlich müssen wir die Erfahrungen aus der Bibel auf die heutige Zeit aktualisieren, um sie für unsere heutige Zeit fruchtbar machen. Mir ist es wichtig, dass die Jugendlichen selbst versuchen, einen Bezug der biblischen Geschichten zu ihrem Leben herzustellen, auch in Bezug auf Karfreitag und Ostern. Hier ist ebenfalls die Frage wichtig: Wo erlebe ich Verlust und Trauer? Wie scheint das Licht der Auferstehung in mein Leben?

 

Und die Bibel kann Jugendlichen helfen, auf diese Fragen Antworten zu finden?

Ja, und ich versuche mit ihnen zusammen herausfinden, was sie wirklich trägt im Leben. Ein zentraler Pfeiler im christlichen Glauben ist die Gemeinschaft, dieses Wissen «ich bin nicht allein». Gemeinschaft bedeutet auch, Verantwortung füreinander zu übernehmen und füreinander da zu sein. Wenn wir danach leben, haben wir schon viel erreicht für eine gute Welt.

 

Liefert die Bibel also aktuelle Werte, die auch in unserer Gesellschaft noch gelten?

Unbedingt! Ich bin überzeugt, dass die Bibel mehr ist als nur eine Sammlung von Erfahrungen aus längst vergangenen Zeiten! Am Leben und Wirken Jesu erkennen wir, was Leben sein sollte: das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden, gelebte Liebe. Und die Psalmen, beispielsweise, verraten uns, welche Leiden und Klagen die Leute schon vor 2000 Jahren beschäftigten – aber auch, wie sie damit umgingen. Das beweist auch heute noch: Wir sind nicht allein mit unseren Sorgen. Schon dieses Wissen kann helfen. Auch Klagen und etwas Herauslassen kann hilfreich wirken. Gott erträgt, dass wir klagen, ja, dass wir ihn manchmal sogar anklagen.  Dies führt zu einer weiteren zentralen Frage: «Was glaube ich?»

 

Wie sieht das bei Ihnen aus – glauben Sie an Gott?

Ja, und zwar an den Gott der Bibel, der mich liebt und mir hilft, das Leben zu deuten und zu meistern: Als Gegenüber oder Ansprechperson im Gebet, als Kraft in Momenten, in denen ich Kraft brauche. Mein Weg verlief oft alles andere als gradlinig und barg auch Schwierigkeiten, aber ich habe immer gespürt, wie Gott mich führt.

 

Was bewegt Sie in diesen Tagen besonders?

Die Frage, wie ich die Osterbotschaft so übermitteln kann, dass sie den Leuten von unserer Kirchgemeinde schon heute ins Leben scheint! Am besten gelingt mir das in meiner Tätigkeit als Seelsorgerin. Konkret heisst das: Zuhören, Sorgen, Trauer und Ängste ernst nehmen, Freude teilen, Halt geben, Beten, Da sein – und gemeinsam versuchen, in das Licht der Osterhoffnung zu treten.

 

Und was bewegt Ihre Kirchgemeinde?

Die Weltsituation. Und das persönliche Schicksal. Das von Angehörigen. Viele ältere Menschen beschäftigt übrigens die Frage, wohin sich die Kirche bewegt, denn für sie ist das noch eine wichtige Institution. Mit den Jugendlichen versuche ich immer wieder herauszufinden, wo sie in dieser Welt stehen, was für sie gut oder gerecht ist. Dabei entstehen oft sehr spannende Diskussionen, beispielsweise: Darf man etwas an sich Verbotenes tun, wenn es einem guten Zweck dient?

 

Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als Pfarrerin im Alltag?

Ich möchte vor allem zeigen, dass ich für meine Kirchgemeindemitglieder da bin. Und dass wir, alle zusammen, eine Gemeinschaft bilden.

 

Kommen an Feiertagen mehr Leute in die Predigt?

An Feiertagen wie Karfreitag und Ostern kommen zwar deutlich mehr Leute in die Kirche – vor allem zum Ostergottesdienst: Während der Karfreitagsgottesdienst vielen wohl etwas zu schwermütig ist, freuen sie sich an Ostern über die hoffnungsvolle Botschaft. Auch Bräuche wie die grosse Osterkerze, Symbol der Auferstehung, an der wir eine Kerze für die kürzlich Verstorbenen anzünden, finden viele sehr tröstlich.

 

Zu guter Letzt: Wie feiern Sie den Karfreitag und das Osterfest?

Am Karfreitag habe ich frei und möchte einen Gottesdienst besuchen. An Ostern werde ich früh aufstehen und hoffe, dass dies auch noch andere tun, um mit mir um sechs Uhr früh den Ostermorgen und um 9.30 Uhr den Ostergottesdienst in Biglen zu feiern. Danach reise ich in den Thurgau, um die Ostertage mit meiner Familie zu verbringen.


Autor:in
Interview: Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 29.03.2024
Geändert: 29.03.2024
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