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Schlosspark Allmendingen: Vertreibung aus dem Paradies
Im Januar feierte Benjamin Doyon in der alten Schreinerei gemeinsam mit dem Ristretto-Wirtepaar Segota und vielen Allmendingern ein Abschiedsfest. Jetzt ist es Zeit für den definitiven Abschied: Ende Monat müssen Doyon und seine Lebenspartnerin das Jordihaus verlassen.
Das Jordihaus in Allmendingen ist ein kleines Paradies. Besonders jetzt, wo die Apfelbäume blühen und die Wiesen in üppigem Grün spriessen. Ein altes Bauernhaus mit Nebengebäuden, eines davon besagte Schreinerei, ein Gemüsegarten, Hühner, diverse kleine, gemütliche Ecken, rundherum Wiesen und der Schlosspark.
"Ich passe in keine Schublade"
Doyon hat für diese letzten Tage in seinem Zuhause Ferien genommen. "Wir wollen es noch geniessen und so viel wie möglich hier sein", sagt er wehmütig. Vier Jahre hat Doyon hier gelebt.
Benjamin Doyon führt seit seiner Jugend ein spezielles Leben. Er war lange unterwegs. "Sieben Jahre zu Fuss, sieben Jahre mit dem Pferd, davor hatte ich im Lauterbrunnental gealpnet und im Eriz gebauert", erzählt er. Ein Hippie sei er aber nicht. "Ich glaube nicht, dass ich in eine Schublade passe. Ich bin auch kein Aussteiger, sondern eingestiegen in die alles umfassende Gemeinschaft Erde."
Visionen einer liebevolleren und friedlichen Welt
Bevor er nach Allmendingen kam, wohnte er in seinem Wohnwagen bei einem Bauern und schrieb ein Buch über "Gedanken, Träume und Visionen einer liebevolleren Welt", wie er zusammenfasst (siehe Link). "Danach brauchte ich einen Ort, um meine Visionen umzusetzen. Ich wollte wieder in einer Gemeinschaft wohnen, etwas Selbstversorgung und Natur- und Kunsthandwerk betreiben."
Das Jordihaus stand damals leer. Doyon handelte eine günstige Miete aus, als Gegenleistung musste sich der Eigentümer um nichts kümmern. "Ich machte das Haus und den Garten wieder bewohnbar, zog neue Strom- und Wasserleitungen ein, befreite die Umgebung von alten Zäunen, Glasscherben, Unrat und Brennesseln", erzählt er.
Schwitzen wie die Indianer
Im Haus fanden von nun an Seminare und Vollmondtreffen statt, für die Doyon den Platz zur Verfügung stellte. Er selber bot unter anderem Schwitzhüttenwochenenden an, in denen er mit Interessierten nach Art der Lakota-Indianer feuerte, schwitzte und Zeremonien durchführte. Das Haus füllte sich mit Leben, mit seinem Sohn und einem Freund. Seit einem Jahr wohnt hier auch seine Lebenspartnerin Priska.
"Die meisten Allmendinger sind nicht begeistert vom Bauprojekt"
Zwischen dem Wohnhaus und der Schreinerei führt ein Wanderweg durch. In den vier Jahren hier hat Doyon viele spazierende Allmendinger kennengelernt. "Die meisten sind nicht begeistert vom Bauprojekt", sagt er. "Es verändert den Dorf- und Landschaftscharakter und sie bedauern das Verschwinden der speziellen Athmosphäre rund um das Jordihaus."
Bauherrschaft des Wohnparks Schloss Allmendingen ist die Steiner AG mit Haupsitz in Zürich und einer Niederlassung in Worblaufen. Kirill Osokin ist Projektleiter des Wohnparks und sagt, wie es weitergeht: "Im Mai wird noch nicht viel passieren. Ab Mitte Juni legen wir die Zufahrtspisten, im Juli beginnen die Rodungen und Abbrüche. Diese dauern bis Mitte August, dann wird gebaut. Im ersten Quartal 2016 werden wir das Projekt abgeschlossen haben."
Römersiedlung unter dem Jordihaus?
"Als ich eingezogen bin, hiess es, in einem Jahr müsse ich gehen, weil gebaut würde", erzählt Doyon. Er geht davon aus, dass es zu weiteren Verzögerungen im Bauvorhaben kommt. "Verschiedene Leute vermuten Überreste einer Römersiedlung unter dem Gelände." Bei Probegrabungen im Vorfeld habe man aber leider noch nichts gefunden. Doch auch falls seine Vermutung zutrifft: "Der Auszugstermin ist definitiv. Am 30. April ist Übergabe."
Für danach haben Benjamin Doyon und Priska nur eine Zwischenlösung. Sie sind auf der Suche nach einem neuen Ort für ihr kleines Paradies.
[i] Auf paradiesbauer.weebly.com gibt es mehr zu Benjamin Doyons Leben, Visionen und seinem Buch.
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Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern.ost.ch
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Erstellt:
27.04.2014
Geändert: 27.04.2014
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