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Andreas Schneider aus Walkringen: "Ein Huhn kann auf einem A4-Blatt gehalten werden"

Bevor wir am 25. September über die Massentierhaltungs-Initiative abstimmen, haben wir mit zwei Bauern aus der Region gesprochen. Der eine stimmt für, der andere gegen die Initiative. Heute berichten wir über die Argumente für die Initiative.

Andreas Schneider: "Auf einem Autoparkplatz kann man fünf Schweine halten." (Fotos: Rolf Blaser)
Andreas Schneider: "Ich verstehe nicht, dass alle Bauern dermassen dagegen sind."
Andreas Schneider müsste bei einem Ja nichts verändern: "Unser Hof entspricht den Bio-Richtlinien von 2018."
Der Hof Enetbiglen in Walkringen.
Schneiders halten 22 Hinterwälder Milchkühe, 20 Rinder und Kälber.

Die Initiative will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der landwirtschaftlichen Haltung in die Verfassung aufnehmen. Andreas und Kathrin Schneider betreiben ihren Bio-Hof Enetbiglen in Walkringen. Sie werden Ja stimmen.

 

BERN-OST: Andreas Schneider, was finden Sie gut an der Massentierhaltungs-Initiative?

Andreas Schneider: Mir geht es darum, dass die Tiere mehr Platz haben. Nach den gängigen Tierschutzvorschriften haben sie zu wenig Platz. Stellen Sie sich vor, ein Huhn darf auf einer Fläche, so gross wie ein A4-Blatt* gehalten werden.

 

Bei Mastschweinen sind die Platzverhältnisse auch schlimm. Diese haben 0.9 Quadratmeter zur Verfügung. Das heisst, auf einem Autoparkplatz kann man fünf Schweine halten. Das ist zu wenig Platz.

 

Die 0.9 Quadratmeter gelten für ein Mastschwein mit einem Gewicht bis 110 Kilo. In diese Kategorie fallen die meisten Mastschweine.  **)

 

Die Bauern sagen, wir hätten schon das strengste Tierschutzgesetz der Welt. Stimmt das nicht?

Das ist für mich ein billiges Argument. Wir haben auch das beste Gesundheitswesen, das heisst aber nicht, dass man stehen bleiben soll und nichts mehr ändern.

 

Die Initiative fordert, dass jedes Tier einmal pro Tag auf die Weide kann. Ist das nicht übertrieben?

Die Initiative betrifft sehr wenig Bauernbetriebe, nur fünf Prozent. Ich verstehe nicht, dass alle Bauern dermassen dagegen sind. Mast- oder Legehühner sind so überzüchtet, dass sie oft gar nicht rausgehen, weil sie kaum noch können.

 

Die Initiative fordert langsamer wachsende Tiere. In der heutigen Zeit klingt diese Forderung unrealistisch.

Nein, es muss in die Richtung gehen. Der Bauer wird immer abhängiger von Fenaco und Milchabnehmern. Eine Kuh muss heute mit Eiweiss und Soja gefüttert werden. Meine Kühe fressen nur Gras und Heu. Wenn man eine Hochleistungskuh so füttert, stirbt sie. Mit Gras und Heu können nur 6'000 Kilo Milch pro Kuh und Jahr produziert werden. Wenn eine Kuh 10'000 Kilo Milch produzieren soll, braucht sie zusätzlich Kraftfutter, sonst geht die Kuh kaputt.

 

Bei der Initiative geht um die Würde des Tieres. Bei vielen Tieren kann das Grundverhalten nicht mehr ausgelebt werden. Eine Sau ist ein intelligentes, neugieriges Tier. Säue wollen wühlen, suhlen und die Umwelt erkunden. Wenn sie den ganzen Tag in einem Stall stehen und kaum Platz haben, können sie das nicht.

 

Müsste Ihr Betrieb bei einem Ja etwas verändern?

Nein. Unser Hof entspricht den Bio-Richtlinien von 2018. Vom Platz her hat sich seither nichts verändert.

 

Die Initiative fordert eine schonende Schlachtung, kann man das überhaupt?

Das ist sehr schwierig. Das Problem ist, dass es immer weniger Schlachthöfe für Masttiere gibt. Der Schlachthof Langnau wird in absehbarer Zeit schliessen. Danach kann noch in Oensingen und Estavayer geschlachtet werden. Somit werden dort mehr Tiere geschlachtet, was nicht dem Tier zugutekommt.

 

Nur gerade fünf Prozent der Bauernbetriebe wären laut Bundesrat von der Initiative betroffen. Im Umkehrschluss: Die Initiative ist gar nicht nötig, 95 Prozent machen schon alles richtig.

Aber genau für diese fünf Prozent ist es nötig. Auch diesen Tieren soll es besser gehen.

 

Die Initiative bietet eine Übergangsfrist von 25 Jahren, ist das nicht zu lange?

25 Jahre sind eine Bauerngeneration. Einen Stall zu bauen, muss geplant werden, es kostet Geld. Die Übergangsfrist wurde bewusst so gewählt, damit in Ruhe geplant werden kann.

 

Welche Chancen geben Sie der Initiative?

Ich hoffe auf ein knappes Ja. Aber es wird eng.

 

[i] Andreas (57) und Kathrin (58) Schneider betreiben den Hof Enetbiglen in Walkringen in der zweiten Generation, sie haben drei Kinder. Schneiders bauern nach den Bio-Demeter-Richtlinien, diese gelten als die strengsten Bio-Richtlinien.

 

Sie halten 22 Hinterwälder Milchkühe, 20 Rinder und Kälber, 4 Hühner und 3 Schweine. Sie bauen Kartoffeln und Hopfen an. Aus dem Hopfen wird das Bier Änetbigle von der Brauerei "Mein Emmental" gebraut. Sie bewirtschaften 18 Hektaren Land. Andreas Schneider ist SP-Mitglied und Gemeinderat in Walkringen.

 

[*] Laut Tierschutz-Kontrollhandbuch des Bundesamts für Veterinärwesen gelten folgende Regeln bei der Haltung von Hennen: Pro Quadratmeter dürfen 12.5 Tiere gehalten werden. Eine Henne hat somit Anspruch auf 800 Quadratzentimeter (29.7 x 27 cm). Das ist ein wenig mehr als ein A4-Blatt. Ein A4-Blatt misst 624 Quadratzentimeter (29.7 x 21 cm).

 

**) Die Präzision beim Gewicht des Mastschweins wurde nachträglich ergänzt.

 

[i] Morgen erscheint auf BERN-OST ein Artikel, in dem die Gegenseite zu Wort kommt.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 11.09.2022
Geändert: 14.09.2022
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