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Arbeiten trotz Corona: Die Sorgen in der Altenpflege

Seit rund zwei Wochen herrscht in der Altersbetreuung Worb Besuchsverbot. Auch die Spaziergänge der Bewohnenden sind eingeschränkt, sie dürfen nur noch rund ums Haus flanieren. Nicht alle können mit dem Freiheitsentzug gut umgehen. Für die Pflegerinnen und Betreuerinnen bedeutet die Situation mehr Arbeit und mehr Sorgen – in erster Linie um die alten Menschen in ihrer Obhut. Von den Massnahmen betroffen sind aber auch die alten Leute zuhause und damit die Spitex. Für die Pflegerinnen beider Institutionen gilt: Sie sind bereit, viel zu leisten.

Pflegefachfrau Claudia Neuhaus sorgt sich um die alten Leute - im Heim und zuhause. (Bild: Anina Bundi)

„Die Leute werden langsam chli missmutig. Manche verstehen die Gründe für die Einschränkungen nicht oder finden sie lächerlich.“ Das erzählt Claudia Neuhaus, Pflegefachfrau in der Altersbetreuung Worb. Für sie und ihre Arbeitskolleginnen (nebst 75 Frauen arbeiten in der Altersbetreuung nur 5 Männer, sie sind hier mitgemeint) bedeutet das in erster Linie mehr Aufwand. „Es gibt deutlich mehr Rede- und Betreuungsbedarf.“ Mehr Zeit für einzelne Bewohnende habe man aber nicht. Unter den Angestellten sei die Stimmung relativ gut, auch wenn Sorgen und Angst nicht weit sind. „Die Situation gibt schon zu denken“, sagt Neuhaus.

 

Bis jetzt keine Corona-Fälle

Bestätigte Corona-Fälle gibt es bisher weder unter den Bewohnenden noch beim Personal. Dagegen fielen Kolleginnen aus, weil sie sich wegen Fieber, Husten oder anderen Symptomen in Selbstisolation begeben mussten oder weil sie selber zur Risikogruppe gehören und zuhause bleiben müssen.

 

Andere sind dadurch gefordert, dass sie wegen der geschlossenen Schulen nun auch die Kinder zuhause haben und sie bei den Schularbeiten unterstützen sollten. Claudia Neuhaus hat drei Kinder im Alter von 10, 14 und 17 Jahren. Zeitaufwändig sei vor allem, sich mit der Technik auseinanderzusetzen, jetzt wo der Unterricht elektronisch stattfindet. „Langsam fängt es bei den Kindern auch an mit demotiviert sein. Die Hobbies und die Gspändli fehlen.“ Dadurch seien die Eltern gleich nochmal mehr gefordert. Da sie selber nur 30 Prozent arbeitet und ihr Ehemann teilweise Homeoffice machen kann, halte sich die Doppelbelastung für sie noch in Grenzen. „Es gibt aber Kolleginnen mit drei Kindern im Grundschulalter. Das ist dann schon anders.“

 

Knappes Schutzmaterial

Sorgen macht sie sich vor allem um die alten Menschen – im Heim, aber auch in der Familie. „Mein Vater kommt sonst zwei, drei Mal pro Woche bei uns essen und ist jetzt sehr allein.“ Im Heim bemühe man sich, die Bewohnenden zu schützen. Allerdings mangelte es dafür bis vor kurzem an Material und mussten die Pflegerinnen mit einer Hygienemaske pro Schicht auskommen. Da nun eine neue Lieferung auf dem Weg ist, sind es neu zwei. „Und wir halten wo immer möglich Abstand und waschen die Hände noch mehr als sonst.“ Selber seien die Angestellten relativ ungeschützt.

 

"Der Lohn ist nicht gerade überwältigend"

Allgemein wünscht sie sich, mehr Wertschätzung. „In der Altersbetreuung und in der Pflege gibt es ein Nachwuchsproblem. Das liegt auch an den Arbeitsbedingungen. Für die Dienstzeiten, die wir haben, den Druck und die Verantwortung, ist der Lohn nicht gerade überwältigend.“

 

Mehr Arbeit haben auch die Mitarbeiterinnen (68 Frauen und 2 Männer) der Spitex oberes Worblental sagt Geschäftsleiterin Patricia Altmann. Bis jetzt sei dies vor allem die Umsetzung der Pandemieplanung, zum Beispiel das Umstellen von Abläufen und die Einführung von verschärften Hygienemassnahmen. Die Pflegerinnen liefern aber auch mehr Mahlzeiten aus, weil die Leute nicht mehr auswärts essen können. Auch müsse mehr Zeit eingerechnet werden, um die Klientinnen und Klienten zu informieren. „Gerade ältere Menschen sind verunsichert.“

 

"Wir ziehen alle an einem Strick"

Im Team sei die Stimmung zurzeit noch sehr positiv. „Wir ziehen alle am gleichen Strick und alle sind bereit, mehr zu leisten.“ Zumindest die Doppelbelastung der Frauen sei bei der Spitex nicht so ein Thema. Viele Angestellte seien aus dem Alter raus, wo Kinder zu betreuen sind. „Zudem sind jetzt viele Männer zuhause, die mithelfen können. Und natürlich haben alle auch Betreuungstage zugute.“

 

Auch die Spitex-Mitarbeiterinnen machen sich mehr Sorgen um die Menschen, die sie betreuen, als um sich selber. „Für die Pflegenden ist die Situation vielleicht etwas weniger beängstigend als für andere Menschen. Sie sind auch sonst mit Krankheit und belastenden Situationen konfrontiert und damit, dass Menschen sterben werden. Es ist einfach ein neuer Aspekt.“ Auch bei der Spitex gibt es momentan noch keine Covid-19 positiven Klientinnen und Klienten. Allerdings weiss niemand, was da noch kommt. „Wir sind etwas angespannt. Aber hoffentlich bereit!“


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 01.04.2020
Geändert: 01.04.2020
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