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Vom Töff-Pionier zur Legende: Pesche Jutzis wilde Fahrt
Wer kennt Pesche Jutzi nicht? Er war Motocross Schweizermeister und betrieb während Jahren den Töff Laden Jutzi Motorsport in Walkringen. Im BERN-OST-Gespräch erzählt er von seinen Beinbrüchen und wie er in Brasilien zu einem Haus kam.
Peter Jutzi (77) empfängt mich im Laden Jutzi Motorsport hinter dem Bahnhof in Walkringen, schüttelt mir die Hand und stellt sich als «Pesche» vor. Bevor er aus seinem Leben zu erzählen beginnt, setzen wir uns im Kaffeeraum der Garage an einen Tisch.
In Bowil aufgewachsen
Jutzis Geschichte beginnt früh, 1947 geboren, wächst er mit sieben Geschwistern in Bowil auf. Jutzis lebten sehr abgelegen. «Bei uns auf der Schafschürli war es so steil, ich konnte bis in die sechste Klasse nicht Velofahren», er muss lachen. Dafür sass er schon früh auf einem Motorrad. Seine Leidenschaft waren immer Motorräder und insbesondere: Motocross.
Erste Fahrten auf einer 500er
Er habe schon früh begonnen an alten Motorrädern rumzuschrauben. «Viele kauften sich damals einen Töff und als sie dann ein Auto hatten, standen die alten Maschinen rum. Wir haben diese repariert und sind sie gefahren, das waren meistens 500er. Eine Prüfung hatten wir damals noch nicht.» Pesche Jutzi kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er schüttelt ungläubig den Kopf, als er das erzählt, er habe viele Sachen gemacht. Aber alles dürfe ich in dem Artikel nicht schreiben.
Kein Franz gelernt im Welschen
Nach der Schule verbrachte Jutzi ein Jahr im Welschland. «Ich war dort auf einem Bauernhof, hätte Französisch lernen sollen, aber der Bauer sprach nur Deutsch mit mir.» Dort sah er erstmals ein Motocross-Rennen und wusste sofort, dass er das auch machen will. Wieder zuhause, begann er eine Lehre als Maschinenmechaniker bei Steck in Bowil und besuchte die Gewerbeschule in Langnau. Nach der Lehre kaufte er sich seinen ersten Motocross-Töff, legte die Prüfung ab und nahm an ersten Rennen teil.
Schweizer Meister: Peter Jutzi
1976 gewann Peter Jutzi die Meisterschaft und wurde Schweizer Meister im Motocross. «Ich wurde im gleichen Jahr Meister wie der SC Langnau, das war super. Danach kannten mich alle», bemerkt Jutzi grinsend. Er begann daraufhin Motocross-Motorräder der Marke Maico zu importieren. Er fuhr diese Marke jahrelang und wurde zu Motocross-Rennen im Ausland eingeladen. Er fuhr Rennen in Frankreich, Italien, in der Tschechoslowakei und in der DDR.
Als er Massen begeisterte
«Das war eine super Zeit, ich war allein, hatte kein Team und habe alles selbst gemacht. Ans Motocross-Rennen in Wattenwil kamen 20'000 Zuschauer, das war eine Riesensache damals.» Die Reisen an die Rennen ins Ausland und auch der Gewinn der Meisterschaft, das waren die schönen Seiten, aber Peter Jutzi erlebte auch weniger Spassiges. «Ich hatte einige Unfälle, brach mir mehrere Male Ober- und Unterschenkel und beide Arme. Ich fuhr immer am Limit, aber da war ich nicht der einzige.»
Zu viele Unfälle
Ein Unfall beendete seine Karriere als Motocross-Fahrer. Jutzi konzentrierte sich auf seine Arbeiten in der Garage, baute aus, neben Motorrädern reparierte und verkaufte er auch Autos. «Es lief gut. Da mich viele kannten, kauften sie ihren Töff bei mir. Und durch die guten Kontakte ins Ausland erhielt ich viele Teile, die es sonst hier nicht gab.» Ob Auspuff oder Gabel, die Leute strömten zu Jutzi, um ihre Motorräder zu tunen. Nach seinem Rücktritt vom Motorsport hatte er einen Mechaniker, der Enduro-Rennen fuhr. Auch dank ihm seien viele Kunden zu ihm in die Garage gekommen.
Der beste KTM-Händler
Seine Garage hatte er Mitte 70er Jahre mit kleinem Startkapital gegründet. «Ich ging auf die Bank und hob mein gesamtes Geld ab, das waren 750 Franken.» Zu Beginn habe er in der Garage die Motorräder repariert, im Wohnzimmerregal sei das Ersatzteillager gewesen. Ende der 80er Jahre zog er nach Walkringen, wo seine Firma schnell wuchs. Er verkaufte Töffe der Marken Aprilla, Husqvarna und KTM. Nicht ohne Stolz sagt er: «Ich war der erfolgreichste KTM-Händler der Schweiz.» KTM, eine österreichische Marke, die seit Wochen gegen die Insolvenz kämpft. «Wie es heute um die steht? Das weiss ich nicht.»
Anfang der 2000er Jahre betrieb er eine stattliche Karosserie Werkstatt, verkaufte und reparierte Motorräder und hatte ein einzigartiges Ersatzteillager. «Irgendwann wurde mir das Ganze zu viel», sagt Jutzi. Schritt für Schritt übergab er die Firma an seinen Nachfolger Frank Schmutz, der heute Jutzi Motorsport führt.
Ab nach Brasilien
Er sei auch viel gereist. Fuhr mit dem Motorrad durch Brasilien, kaufte «dort unten» ein Haus, kaufte Motorräder dazu. Dann vermietete er Haus und Motorräder an Deutsche und Österreicher, die sich auf diese Weise das Land ansahen. Gespart habe er nie gross, später habe er das Haus wieder verkauft. In Brasilien hat er auch seine Frau kennen und lieben gelernt.
Immer noch am Schaffen
Peter Jutzi ist immer noch fast täglich in der Garage. An den Motorrädern schraubt er nicht mehr, er winkt ab: «Das kann man nicht mehr mit den Maschinen von früher vergleichen. Mit der ganzen Elektronik, mit Einspritzer, das ist nicht mehr meine Welt.» Er repariert nach wie vor Autos und zeigt in der Garage nebenan einen aufgebockten Subaru. Die Kotflügel waren durchgerostet, er hat alles von Hand ausgebessert «ein wenig ‘schlösserle’, ein wenig Autos flicken kann ich immer noch», zwinkert er wieder.
Ein erfülltes Leben
Blickt er auf sein Leben zurück, sagt er: es sei ihm sehr gut gegangen. «Doch, er sei glücklich, mir ist alles gelungen. Einfach die blöden Unfälle, die wären nicht nötig gewesen.» Ihm gehe es gut, er führt den Haushalt noch selbst, lebt immer noch glücklich zusammen mit seiner Frau. «Wir sind schon 30 Jahre oder länger verheiratet.» Diesmal grinsen wir beide. Er komme mit allen aus, sagt er, und fügt grinsend an: «Eine Bekannte hat mal über mich gesagt: Mich könne man gar nicht zum Feind haben, ich sei immer am Lachen.»
Auf der Website von Jutzi Motorsport findet sich sein Name noch immer. Darunter steht: Namensgeber und Legende. So soll es sein.
[i] Wie das Idiotikon schreibt, stammt das schweizerdeutsche Wort «Töff» aus einer lautmalerischen Nachahmung des Motorengeräuschs (töff-töff). Der Töff hat sich seit dem frühen 20. Jahrhundert im Schweizerdeutschen gehalten.
Erstellt:
03.03.2025
Geändert: 03.03.2025
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