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Balkan-Rallye: "Nur mit Mühe konnten wir die Tränen zurückhalten"

"Abenteurer suchen Auto", lautete die Anzeige, die Daniel Fankhauser aus Boll auf BERN-OST schaltete. Zusammen mit Michael Friedli macht er beim Pothole Rodeo - einer Rallye quer durch den Balkan - mit. Letzten Freitag sind die beiden Abenteurer losgefahren und berichten auf BERN-OST exklusiv von ihren Erlebnissen.

Endlich im Ziel. (Bilder: zvg)
Ein Selfie mit dem BERN-OST Logo
Wunderschöne Aussicht.
Führung durch die Schule.
Geschenke für die Kinder.
Besichtigung der Schule.
Die Küche des Schulhauses.
Hier schlafen, lernen und essen die Kinder.
So fährt man gerne.
Kurzer Halt um die Landschaft zu bewundern.
Kurze Besprechung mit den anderen Teams.
Nur eine Pferdestärke.
Holprige Strassen.
Wunderschöner Sonnenuntergang.
Noch im Top-Zustand.

Unsere Befürchtung wurde leider wahr, wir standen weitere zwei Stunden am Zoll im Stau. Die Rumänischen Zöllner waren locker und freundlich. Die Moldawischen Zöllner waren das Gegenteil - unfreundlich und arrogant. Ein junger Zöllner, der wohl etwas beweisen musste, machte das ganze zur Tortur.

 

Eine bewegte Vergangenheit

Nachdem wir den Zoll geschafft hatten, ging es weiter Richtung Chisniau. Unser Weg führte uns durch kleine, zum Teil marode, Dörfer, die erahnen liessen, dass Moldawien nicht immer so arm gewesen war. Die riesigen Fabrikhallen am Strassenrand zeugten von einer bewegten Vergangenheit. Die Strassen waren meistens Schotterpisten. Die Schlaglöcher waren gross und konnten bei falscher Fahrweise schnell zur Gefahr für Mensch und Maschine werden. Der sinnflutartige Regen und die untergehende Sonne sorgten für eine melancholische Stimmung unter den Teams.

 

In Chisniau hatten wir ein Appartment am Rande der Stadt gebucht. Wir telefonierten mit der Besitzerin, um zu fragen, wo wir die Schlüssel zu so später Stunde abholen können. Die sehr freundliche Frau verriet uns den Code für einen Schlüsselsafe. Das Geld sollen wir nur auf den Küchentisch deponieren. Dieses Gespräch hellte unsere Stimmung wieder auf. Das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, freute uns sehr. Als wir im Appartment ankamen, wurden wir noch einmal positiv überrascht - es war sehr sauber und bot genügend Platz für vier Personen.

 

Wir beschlossen, am nächsten Tag in ein kleines Dorf namens Zberoaia zu fahren und dem dortigen Kinderheim einen Besuch abzustatten. Am Morgen ging es erst zum täglichen Checkpoint. Von den anderen Teams hörten wir haarsträubende Geschichten von korrupten Polizisten und zum Teil schweren Pannen. Nichtsdestotrotz starteten wir unsere Reise Richtung Zberoaia.

 

Die letzten Kilometer zum abgelegen Dorf erwiesen sich als Prüfung. Die Strassen waren durch die starken Regenfälle der letzten Tage von tiefen Rinnen durchzogen, denen es auszuweichen galt. Die steilen Strassen stellten uns zusätzlich noch vor Traktionsprobleme, einige Steigungen erklimmten wir nur mit Mühe und Not.

 

"Wir staunten nicht schlecht, als wir vor Wellblechhütten standen"

Als wir bei den angegebenen Koordinaten ankamen, staunten wir nicht schlecht, als wir vor ein paar Wellblechhütten standen. die gar nichts mit einem Kinderheim zu tun haben schienen. Also fuhren wir ins Dorfzentrum und sprachen eine Frau mittleren Alters an. Wir versuchten es als erstes auf Englisch, was jedoch nicht fruchtete. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Frau Italienisch sprach, was uns die Kommunikation erleichterte. Nachdem wir der Frau unsere Absichten erklärten, war sie sofort bereit uns alles zu zeigen. Der Weg führte uns durch einen Trampelpfad auf eine etwas erhöte Position.

 

Auf einmal standen wir vor einem alten Schulhaus mit einem grossen Spielplatz davor. Beim Näherkommen fiel uns die ungewöhnliche Stille auf, die das grosse Haus umgab. Es stellte sich heraus, dass wir bei einem Unterstufenschulhaus mit Kindergarten gelandet waren. Die Kinder, die wir überraschen wollten, hatten aber gerade Sommerferien. Das erklärte auch die seltsame Stille, die das Gebäude immer noch umgab.

 

Unsere Begleiterin wies uns an, kurz draussen zu warten. Sie kam nach gut fünf Minuten mit einer jungen Frau und zwei Kindern zurück. Es stellte sich heraus, dass die junge Frau eine Lehrein namens Tanja war. Sie führte uns bereitwillig durch alle Räume  des Gebäudes. Wir gelangten durch einen schmalen Gang in einen grossen Flur und von dort in den ersten Raum, der sich als Klassenzimmer entpuppte.

 

Die Kinder lernen, essen und schlafen im selben Zimmer

Uns fiel als erstes auf, dass in dem Raum neben dem obligatorischen Schulmatrial auch eine grosse Anzahl Betten in dem Raum befanden. Darauf angesprochen, erklärte sie uns, dass die Kinder in diesem Raum nicht nur lernen, sondern auch darin essen und sogar schlafen. Die Eltern der Kinder arbeiten zum Teil die ganze Woche ausserhalb des kleinen Dorfes in den wenigen Industrien des Landes und kommen meist nur am Wochende in das verschlafene Örtchen zurück.

 

Wir gingen weiter durch das Gebäude und sahen weitere Schlafzimmer, sowie Spielzimmer und Garderoben. Als wir uns auf den Weg in den unteren Stock machten, fiel uns ein kleiner Raum auf, der mit weissen Vorhängen verdeckt war. Darauf angesprochen, erklärte Tanja,  dass wir hier vor dem Sanitätsraum standen, in dem die kleinen und grossen Wehwehchen der Kinder behandelt wurden.

 

Wir gingen nun die Treppe runter und kamen auf der linken Seite in einen kleinen Raum in dem ein kleiner Tisch, ein Bügelbrett, eine Waschmaschine standen. Hinter einem Vorhang lag fein säuberlich gefaltete Bettwäsche. Tanja sagte uns, dass sie nicht nur für die Bildung sondern auch für die Wäsche der Kinder verantwortlich ist. Auf der gegenüberliegenden Seite trafen wir auf einen grossen Raum. Dieser stellte sich als Aufenthaltsraum heraus. Im Innern des Raumes lagen diverse Spiele sowie ein Klavier. Der Raum hatte ein Fenster, mit dem er direkt mit der Küche verbunden war. Die Küche, die wir als nächstes betraten, war sauber und aufgeräumt. Nun war unsere Führung durch das Gebäude beendet.

 

Ein emotionaler Abschied

Wir wurden noch zu einem Kaffee eingeladen, den wir dankend annahmen. Wir redeten ein bisschen über Gott und die Welt. Während der ganzen Führung fungierte die am Anfang angesprochenen Frau als Übersetzerin von Russisch ins Italienische. Nun war jedoch die Zeit gekommen, um aufzubrechen. Der Abschied war sehr herzlich. Nur mit Mühe konnte unsere Gruppe aus vier Erwachsenen Männern die Tränen zurückhalten. Was wir an diesem Morgen gesehen hatten, war sehr eindrücklich und hatte uns tief berührt. Wir dachten alle an unsere unbeschwerte Schulzeit zurück und schämten uns beinahe, dass wir damals regelmässig über die Schule klagten.

 

Wir brachten unserer Übersetzerin zurück ins Dorf, wo sie uns noch auf ein Getränk beim Bürgermeister der Stadt einlud. Im Büro angekommen, trafen wir auf seine Sekretärin, die ebenfalls perfekt Italienisch sprach. Anschliessend traf der Bürgermeister ein, der sich für das gespendete Schulmatrial bedankte. Zum Abschluss erhielten wir eine Flasche Wein und ein handgemachtes Windspiel.

 

Baden im Schwarzen Meer

Nun führte uns der Weg zurück nach Rumänien, um genau zu sein nach Konstanza, einer Stadt direkt am Schwarzen Meer. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle, sogar die Zöllner waren heute gut drauf und zu Spässen aufgelegt. Wir erreichten Konstanza um 19:30 Uhr, brachten unser Gepäck ins Hotel und gingen anschliessend sofort im Meer baden. Es tat gut, in der untergehenden Sonne die Seele etwas baumeln zulassen.

 

Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Bulgarien. Auf dem Weg sahen wir diverse Unfälle, die Fahrweise der Einheimischen verlangte Bremsmanöver um Kollisionen zu verhindern. An der Grenze dann das mittlerweile gewohnte Bild einer grossen Blechlawine. Es ging verhältnismässig schnell - 45 Minuten.

 

Unser nächster Halt war der Berg Chadschi Dimitar. Auf dem Berg wartete die alte Zentrale der Sowjetunion. Das Gebäude, das von weiten an ein UFO erinnerte, versetzte uns in ungläubisches Staunen. Beim Näherkommen erwies sich das Denkmal doch eher als Ruine. Das Bauwerk machte uns sprachlos. Der 70 Meter hohe Turm mit dem grössten Sowjetstern ausserhalb Russlands, wirkte von Nahem beinahe einschüchternd.

 

Nach einer guten Stunde ging es weiter Richtung Plodiow. Der zweitgrössten Stadt Bulgariens. Wir kamen gut durch und erreichten die Stadt um 20:30 Uhr. Wir gingen etwas essen, besprachen den vergangen Tag und freuten uns auf den Nächsten.

 

"Wir wurden kräftig durchgeschüttelt"

Am folgenden Tag führte uns der Weg nach Mazedonien. Wir starteten um 8 Uhr und machten uns auf zum ersten Halt in Albanien. Wir warteten am Zoll eine gute Stunde. Nach dem Zoll wurden die Strassen rapide schlechter. Wir fuhren zeitweise nur Schrittgschwindikeit um Schäden am Fahrzeug zu verhindern. Auch wir hatten mit den maroden Strassen zu kämpfen, wurden kräftig durchgeschüttelt, schlugen zum Teil die Köpfe an und mussten ab und zu Pausen machen, um uns ein bisschen zu erholen.

 

Wir kamen an die Grenze zu Mazedonien. Die Zöllner waren freundlich und wollten alles über unserer Rallye wissen. Nach 20 Minuten waren wir durch. In Mazedonien wählten wir die bequeme Route über die gut ausgebaute Autobahn. Bei jeder Zahlstelle hatten wir ein kurzes Gespräch mit den sehr freundlichen Kassieren.

 

Wir kamen um 17:30 Uhr in Ohrid an. Die Stadt mit ihrem See sah schon von weitem aus wie aus einem Malbuch. In der Stadt bezogen wir unser Quartier für die Nacht und machten uns auf an den glasklaren See. Das Wasser war erfrischend kühl und wir genossen eine entspannte Zeit am Ufer des Sees.

 

Wir machten uns dann auf in Richtung Zentrum, um die wunderschöne Altstadt genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir flanierten durch die alten Gebäude, liefen über den Markt und liessen uns schliesslich am See nieder um etwas zu essen. Am nächsten Morgen ging es früh los Richtung Montenegro.

 

Wir machten einen kleinen Umweg über einen Nationalpark. Die Landschaften waren wie gemalt und die Strassen in gutem Zustand. Wir kamen sehr gut durch, am Zoll ging es heute richtig schnell. Wir erreichten Ulcinj um 18:30 Uhr und machten uns sofort auf den Weg in Richtung Strand, wo eine grosse Party stattfand.

 

Endlich im Ziel

Die Party wurde vom Veranstalter der Rallye organisert und war der letze Abend, den wir alle zusammen verbrachten. Wir feierten bis in die Morgenstunden und genossen die entspannte Atmosphäre.

 

Am Morgen um 11 Uhr startete die letzte Etappe Richtung Kroatien. Sie führte uns durch das Landesinnere an wunderschönen Gewässern und alten Städten vorbei. Danach stieg es an und wir fuhren in die Berge Montenegros. Wir erreichten den Zoll zu Bosnien Herzegowina und hatten dann eine Stunde Zeit, den Zoll zu begutachten. Danach fuhren wir durch schier endlose kurvige Strassen in Richtung Kroatien. Der Autobahnzoll ging keine zehn Minuten, danach kam der Rest auf der kroatischen Autobahn. Die Zieleinfahrt war direkt am Meer und sorgte für Gänsehautfeeling. Wir haben es geschafft! Wir sind in Kroatien! 

 

Wir sind überglücklich und machen uns jetzt auf den Weg in die Stadt um das ganze gebührend zu feiern. Am Dienstag geht es dann weiter Richtung Slowenien und Italien.


Autor:in
Michael Friedli
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Erstellt: 17.07.2018
Geändert: 07.09.2018
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