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Beitenwil - Der stimmungsvolle Park von Gottes Gnaden
Auf offenem Feld befindet sich ein kleiner Park mit alten Bäumen: Der Friedhof des ehemaligen Asyls Gottesgnad in Beitenwil bei Rubigen. Heute werden dort nur noch wenige Tote begraben. Die besondere Stimmung auf dem Gelände zieht Besucher an.
Ein ungewöhnlicher Ort. Umzäunt von einer hohen Hecke, breitet sich eine eigenwillige Parklandschaft aus: Hohe Thujabäume und Zypressen wechseln mit breitkronigen Platanen ab, dazwischen stehen doppelte Reihen von riesigen Buchsbaumkugeln. Kieswege ziehen sich dahin. Wer auf dem Strässchen von Beitenwil her durchfährt, kann den Park glatt übersehen. Tritt man aber durch das grosse Gittertor, steht man in einer anderen Welt.
Buchskugeln, Holzkreuz
Es ist ruhig. Nur von fern summt leise der Verkehr. Ein Gang auf den Wegen eröffnet immer wieder neue Durchblicke zwischen den Buchsbäumen. Ein grosses Holzkreuz reckt gegen den Himmel. Und eine romantische Tafel auf einem grossen
Stein weist auf ein altes Grab hin.
Das Areal mit der fast mystischen Ausstrahlung ist tatsächlich ein Friedhof. Gräber gibt es zwar nur wenige. In einer Ecke, im Kreis angeordnet, sind Grabstellen mit niedrigen Steinen oder kleinen Platten zu sehen. In früheren Zeiten war das anders: In langen Reihen standen damals Holzkreuze und Grabsteine dort. Es war der Friedhof, der zum ehemaligen Asyl Gottesgnad gehörte (siehe Kasten). Dort wurden verstorbene Bewohner und auch Pflegepersonal begraben. Christian Schenk war der Erste. Als er starb, war er 34-jährig. 1888, kurz nach der Eröffnung des Asylheims im Schloss Beitenwil, wurde er auf dem damals neuen Friedhof beigesetzt. Fein säuberlich von Hand geschrieben, steht sein Name in der «Beerdigungscontrolle», dem Sterberodel, wo die Toten des Asyls Gottesgnad verzeichnet sind.
«Unheilbare» starben früh
«Die Asylbewohner starben damals oft in jungen Jahren», weiss Jürg Minder, Leiter technischer Dienst im Humanus-Haus Beitenwil, welches das Areal des Asyls Gottesgnad 1975 übernahm. Minder hat den Sterberodel aus dem Archiv geholt und sich dabei in die Jahresberichte des Asyls vertieft. Dort ist zu lesen, wer in den Anfangsjahren aufgenommen wurde: «Unheilbare» nannte man sie. Sie litten an Krankheiten, die damals Lungenschwindsucht, Knochenfrass und Wassersucht hiessen. Oder an Geschwüren, Krebs, Herz- und Magenleiden. Laut Sterberodel wurden bis 1973 auf dem Friedhof 1174 Tote begraben. Als das Humanus-Haus die Gebäude und 2002 auch den Friedhof übernahm, wurde der Rodel nicht weitergeführt. Beerdigungen gab es aber weiterhin, noch heute werden dort ab und zu Urnen von Verstorbenen des Heims beigesetzt.
Das Grab des Gründers
Im Zentrum des älteren Friedhofteils steht ein grosses Grabmahl: ein mannshoher Stein mit Inschriftplatte unter einem Thujabaum. Dort sind zwei Personen begraben: Gottlieb Friedrich Ochsenbein und seine Frau Adele. Ochsenbein war Pfarrer in Schlosswil und Gründer des Asyls Gottesgnad. «Er ruht inmitten seiner lieben Kranken in Hoffnung einer seligen Auferstehung», steht auf der Tafel. Der christliche Glaube war von Anfang an ein tragender Pfeiler der Asyle Gottesgnad. Ein Jahr nach Ochsenbeins Tod wurde der Friedhof mit Platanen bepflanzt, die heute noch stehen. 1915 wurde der Friedhof erweitert und im neuen Teil das grosse Holzkreuz aufgestellt. Im gleichen Zug erfolgte eine Umgestaltung, vermutlich durch die Berner Architekten Eduard Rybi und Ernst Salchli. Sie schufen damals den neuen Nebentrakt des Schlosses.
Der Friedhof war von da an geprägt von den Buchsbaumkugeln. Besucher sind keine Seltenheit auf dem Friedhof. Die spezielle Ausstrahlung des Ortes wirkt. «Es kommen immer wieder Leute hierher, sitzen eine Zeit lang da oder verbringen die Mittagszeit», weiss Marc de Kort, Leiter der Gärtnerei im Humanus-Haus. «Einige finden, es sei ein besonderer Kraftort.» Vor Jahren wurde auf dem Friedhof gar ein Mittelalter-Film gedreht. «Schwierigkeiten hatte das Filmteam wegen Flugzeugen, die ab und zu durchflogen», weiss Jürg Minder.
Friedhof ist geschützt
Bäume fällen oder einen Parkplatz erstellen kommt beim Friedhof nicht infrage. Denn als eine von wenigen Grünanlagen ist er im kantonalen Bauinventar eingetragen – mit der höchsten Stufe «schützenswert». Randi Sigg-Gilstad, Kreisleiterin der kantonalen Denkmalpflege, erklärt: «Es ist ein spezieller Friedhof mit einem eigenwilligen Charakter. Ein toller Ort dank den Zypressen und den Buchskugeln. Ich kenne keine zweite Anlage dieser Art.»
Heime für unheilbar Kranke Das Asyl Gottesgnad wurde 1886 in Richigen bei Worb eröffnet. Gründer war Gottfried Friedrich Ochsenbein, Pfarrer in Schlosswil. Gottesgnad ist ein Name für die Blume Storchenschnabel, die einzige Pflanze, die gegen Pest half. Trägerin des Heims war die bernische Landeskirche. Die Gemeinden, aus denen die Bewohner stammten, unterstützten es. 1888 zog das Asyl in den Herrschaftssitz (Schloss) Beitenwil. Im Asyl Gottesgnad wurden unheilbar Kranke aufgenommen, die kein menschenwürdiges Obdach fanden. In Richigen gab es anfangs zehn Krankenbetten. Die Pfleglinge wurden von einer Diakonissin und einer Magd betreut. Später wurde die Anzahl an Betten und Betreuungspersonen laufend erhöht. Bis 1932 gab es in jedem bernischen Landesteil ein Asyl, nebst Beitenwil in St. Niklaus bei Koppigen, Mett bei Biel, Spiez, Wimmis, La Neuveville, Langnau und Ittigen. Später kamen Heime in Köniz und Bern-Wittigkofen dazu. Das Asyl in Beitenwil wurde 1975 durch die anthroposophische Stiftung Humanus-Haus übernommen und als Behindertenheim weitergeführt. Seit 2007 treten die Krankenheime Gottesgnad unter dem Namen «Dedica» auf, heute gehören siebzehn Heime dazu.
Erstellt:
10.04.2012
Geändert: 10.04.2012
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