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Bernhard Pulver: «Wir konnten nur noch die Hälfte der Betten betreiben»

Die Schliessung des Spitals Münsingen wirft viele Fragen auf. Wir wollten vom Verwaltungsratspräsident der Insel Gruppe, Bernhard Pulver wissen, warum der Kanton nicht aushalf und weshalb die Angestellten nicht vorher informiert wurden.

Bernhard Pulver, VR-Präsident der Inselgruppe: "Ich will das nicht schönreden, wir haben das nicht gerne gemacht." (Foto: Insel Gruppe AG)

BERN-OST: Herr Pulver, haben Sie die Schliessung des Spitals Münsingen kommen sehen, war das geplant?

Bernhard Pulver: Nein, wir hatten nicht seit Jahren vor, das Spital zu schliessen. Wir haben versucht, für all unsere Standorte eine gute Strategie zu definieren. In Münsingen die Geburtshilfe zu stärken, hat nicht funktioniert.

 

Die Insel Gruppe schreibt bei einem Umsatz von 1.8 Milliarden ein Defizit von 80 Millionen Franken. Wie defizitär war das Spital Münsingen?

Münsingen schrieb letztes Jahr sieben Millionen Verlust bei einem Umsatz von 30 Millionen Franken. Das ist aber nicht der einzige Grund für die beabsichtigte Schliessung. Das Weiterentwicklungspotenzial des Standortes Münsingen ist gering.

 

Die Leute verstehen nicht, dass die CS am Wochenende mit 200 Milliarden Franken gerettet wurde, aber hier, wo es um viel kleinere Beträge geht, muss das Spital schliessen.

Das verstehe ich sehr gut. Die Spitäler stehen unter einem massiven Druck. Wir versuchen ein Bewusstsein zu erreichen, dass man nicht derart auf die Kosten fokussiert. Die Krankenkassen fordern, dass die Preise sinken. Das schlägt sich in den Preisen für unsere Leistung nieder, das Gesundheitswesen wird quasi kaputtgespart.

 

Es ging um sieben Millionen Franken, gab es Gespräche mit dem Kanton von Ihrer Seite?

Wir haben vom Kanton das Signal erhalten, dass es keine zusätzliche Unterstützung gibt.

 

Defizit und Fachkräftemangel werden als Gründe für die Schliessung angegeben – was war ausschlaggebend?

Beides, es gibt eine explosive Mischung. Wir können uns das auf Dauer nicht leisten. Wir haben zu wenig Personal und zu viel Infrastruktur, wir müssen die Kräfte bündeln. Der Kanton sagt, ihr müsst das aus eigener Kraft konsolidieren.

 

Wie viel Personal hat in Münsingen gefehlt?

Etwa 20 Prozent haben gefehlt, insbesondere in der Pflege. Wir konnten nur noch die Hälfte der Betten betreiben. Der Mangel ist massiv, wir können nur ausgeben, was wir einnehmen. Die Politik erwartet immer mehr Leistungen, aber die Finanzierung wird nicht angeschaut. Die Leute jammern über die Krankenkassenprämien, dennoch will die Bevölkerung ein hochstehendes Gesundheitswesen. Dieser Spagat geht für die Spitäler langfristig nicht auf.

 

Die Schliessung kommt sehr kurzfristig, warum schon auf Juni?

Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn man eine Spitalschliessung ankündigt, dass viele Angestellte schnell eine neue Stelle suchen. Das war schon beim Zieglerspital der Fall. In Münsingen haben wir die Situation, dass schon wenige Kündigungen eine Betriebsschliessung erfordern würden.

 

Hat die Insel Gruppe versucht, das Spital Münsingen zu verkaufen?

Nein, wir wollen unser Angebot konzentrieren und die Angestellten mitnehmen an andere Standorte der Insel Gruppe. Sie können ans Inselspital, nach Aarberg, Belp, Heiligenschwendi oder Riggisberg wechseln.

 

Für jemanden, der in Konolfingen wohnt und in Münsingen arbeitet, ist Aarberg oder Heiligenschwendi nicht grad ums Eck.

Das ist eine Verschlechterung, das ist klar. Ich will das nicht schönreden, wir haben das nicht gerne gemacht.

 

Wie sieht es aus mit den Patientinnen und Patienten, es sind ja bestimmt noch Operationen geplant?

Die geplanten Operationen können wir durchführen, wir hoffen, dass das Personal bleibt. Wer einen Termin hat, kann diesen wahrnehmen.

 

Gibt es eine Möglichkeit, dass der Rettungsdienst in Münsingen bleibt?

Dieser wird nicht auf Juni geschlossen. Es ist geplant, dass der Rettungsdienst in Münsingen weitergeführt wird.

 

Warum wurden die Angestellten nicht gleichzeitig wie die Medien orientiert?

Das ist wirklich sehr schlecht gelaufen. Unser Ziel war, dass das nicht passiert. Wir mussten aus börsenregulatorischen Gründen um 14 Uhr die Öffentlichkeit informieren. Das CS-Gstürm hat auch dazu geführt, dass die Börse aktuell sehr nervös ist. Die SIX schrieb uns vor, erst die Öffentlichkeit zu informieren. Es ging bei dieser Regelung der SIX darum, Insidergeschäfte zu verhindern.

 

Man hätte gleichzeitig informieren können.

Ja, das hätte man können. Wir wollten unsere Mitarbeitenden aber persönlich informieren.

 

Planen Sie langfristig einen Verkauf der Insel Gruppe und trimmen jetzt das Unternehmen darauf?

Nein, nein, nein. Die Insel ist eine Stiftung seit 1354, ich hoffe das sie noch mindestens 100 Jahre weiterexistiert.

 

[i] Bernhard Pulver war von 2006 – 2018 Regierungsrat des Kantons Bern, er war Vorsteher der Erziehungsdirektion. Danach übernahm er das Präsidium des Verwaltungsrats der Insel Gruppe. 2016 fusionierte das Inselspital mit der Spital Netz Bern AG zur Insel Gruppe AG. Zur Gruppe gehören das Inselspital, das Universitätsspital Bern, das Tiefenausspital und die Spitäler Belp, Riggisberg, Münsingen und Aarberg.

 

[i] Am Mittwoch teilte die Insel Gruppe mit, dass das Spital Münsingen und das Tiefenauspital geschlossen werden. Das Spital Münsingen wurde 1879 gegründet. Das Angebot umfasst Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Neurochirurgie (Rückenorthopädie) und HNO (Hals-Nasen-Ohren) – ergänzt mit einer rund um die Uhr geöffneten Notfallaufnahme und einem Rettungsdienst.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 23.03.2023
Geändert: 24.03.2023
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