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"Bernisch Kantonales": Schwingen in Münsingen – das passt ganz gut
Münsingen möchte ein Dorf bleiben, der Schwingsport das Bild einer überschaubaren Welt vermitteln. Beides ist ein Stück weit Illusion. Ein Besuch auf der Baustelle des grössten Berner Schwingfests des Jahres.
Beat Moser steht im wichtigsten Zelt der riesigen Baustelle, die in knapp zwei Wochen Schwinggelände sein wird. An der Wand kleben Motivationssprüche und Zeichnungen. Eine Filzstiftskizze für jeden Schritt des Bernisch-Kantonalen Schwingfests. Moser nennt sie: «den Picasso».
Der Mann ist seit sechs Jahren Gemeindepräsident in Münsingen, der erste Grüne, der das Amt innehat. Er ist ausserdem Präsident des 39-köpfigen Organisationskomitees des «Kantonalen», das vom 9. bis zum 12. August auf dem Land direkt neben dem Psychiatriezentrum stattfindet.
Das Wort hat ein kräftiger Typ im orangen Overall: Oliver Wittwer, laut Moser der «Dirigent der Baustelle». Wittwer soll etwas über die Arbeiten sagen. Also spricht er vom «Flow» und der «mentalen Vorbereitung», die es für so einen Job brauche. Er verstehe nichts vom Schwingen, aber viel von Führung. «Jeder ist hier gleich wichtig. Egal, ob er der Gemeindepräsi ist oder der Bub auf dem Gabelstapler.» Moser nickt.
Zehn Fussballfelder
Wenig später im oberen Deck der Schwingarena. Der Gemeindepräsident hat die Hände in die Hüfte gestemmt und sieht aus, als hätte er selbst einst um Kränze und Lebendpreise gekämpft. Kompakt gebaut, Typ Graber Willy. Unten läuft alles nach Plan. Die Aufbauarbeiten für das «Kantonale» haben bereits Anfang Juli begonnen. Heute ist die Arena fast fertig, das Festzelt auch. Es ist Mosers bisher grösstes Projekt. Er hat dafür seine Sommerferien hergegeben. «Kein Problem.»
Das «Kantonale» ist ein gewaltiges Unterfangen für einen Ort wie Münsingen. Auch weil der Sport mittlerweile so gewaltig ist, dass selbst für ein «Kantonales» weit über 1000 Helferinnen und Helfer benötigt werden und ein Areal so gross wie zehn Fussballfelder.
Moser spricht von den Helferinnen und Helfern, den Einsatzkräften des Zivilschutzes und den Profis, die grosser Hitze standgehalten haben: «Eine erstklassige Leistung.» Er erzählt von den Wurzeln des Sports im Ort und von seinem Vater: «Ein Nationalturner und kräftiger Schwinger.» Er redet von 1873, als in der Ochsenmatt am anderen Ende des Dorfes die Sennen auf die Turner trafen zu einem «Eidgenössischen» Fest.
Tradition und Kommerz
Münsingen und der Schwingsport, das passt ganz gut. Der Ort könnte eine Stadt sein, die Einwohnerzahl dazu hätte er. Aber Münsingen will ein Dorf bleiben. Die gut geölte PR-Maschinerie der Schwingverbände pflegt ein ähnliches Understatement: das einer überschaubaren Welt. Von raufenden Männern und Siegern, die Verlierern das Sägemehl vom Rücken klopfen. Es ist ein schönes Bild und eine Illusion zugleich. Denn Schwingen ist längst nicht nur Tradition, sondern auch Werbeplattform, Medienereignis und Geschäft.
Das Budget fürs «Kantonale» beläuft sich auf 1,5 Millionen Franken. Ein schöner Teil davon stammt aus Sponsoreneinnahmen. Von Dutzenden kleinen, grossen und riesigen Unternehmen. Im 87-seitigen Festführer ist mehr als die Hälfte für sie reserviert. Die Verflechtungen, die damit einhergehen, finden nicht alle gut. Ein Freiwilliger etwa störte sich an der Schiffsfahrt auf dem Thunersee, die man für die Geldgeber organisiert hatte. «Zu kommerziell» war ihm das, und er zog sich vom Helfereinsatz zurück. «Wir haben zusammen gesprochen und müssen das akzeptieren», sagt Moser.
Etwas aufbauen
Für Münsingens Gemeindepräsidenten ist auch eine Grenze erreicht. Schon das «Kantonale» wäre «ohne Profis nicht zu bewältigen». «In dieser Liga können wir noch mitspielen.» Aber mehr ist nicht machbar.
Beat Moser freut sich ehrlich auf den Anlass. Und er möchte, dass davon etwas hängen bleibt. Mehr als: «Hurra, ein Fest.» Wichtig seien die Beziehungen, etwas aufzubauen. «Das Schwingfest soll uns auch für die Zukunft etwas bringen.» Vielleicht ist Münsingen bis dann auch eine Stadt.
Das "Kantonale" in Zahlen
15 000
Arbeitsstunden werden am «Bernisch-Kantonalen» geleistet.
301
Stille Orte stehen zur Verfügung. Für die Wasserversorgung der Toiletten wurden 1800 Meter Leitungen verlegt.
26 000
Besucherinnen und Besucher werden am mehrtägigen Fest erwartet. In der Arena hat es Platz für rund 12 000.
8000
Liter Bier stehen bereit. Ebenso 500 Kilogramm Hackbraten, 2000 Steaks und 8000 Bratwürste.
Erstellt:
30.07.2019
Geändert: 30.07.2019
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