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Boll - Die Chäsi geht zu

Fast 22 Jahre lang haben Thomas und Ursula Sempach in Boll die Milch angenommen, diese teilweise zu Glace und Joghurt verarbeitet und den Käsereiladen geführt. Nun geben sie den Betrieb auf. Der Auslöser dafür liegt bei der Milchgenossenschaft Boll.

Die Chäsi Boll: Die letzte von einst acht Käsereien in der Gemeinde Vechigen. (Bild: Archiv BERN-OST)

Seit letztem Mittwoch steht der Beschluss fest: Die Milchgenossenschaft Boll wird aufgelöst. "Wir waren noch zehn Genossenschafter und niemand will in den Vorstand", begründet Genossenschaftspräsident Bendicht Grunder den Entscheid. Auch er wolle sein Amt niederlegen. Von den zehn Mitgliedern liefere auch nur noch die Hälfte Milch, dazu komme ein auswärtiger Lieferant.

 

Es seien nicht alle Genossenschafter einer Meinung gewesen über die Auflösung, ein Mehrheitsentscheid sei es aber dennoch gewesen. "Es ist keine einfache Situation", sagt Grunder. Aber die Auflösung sei das einzig Richtige. Bis diese vollzogen ist, kann es aber gesetzesbedingt noch ein paar Jahre dauern.

 

Chäsi wird verkauft

Die Auflösung der Genossenschaft hat auch Konsequenzen für die Chäsi. "Die Chäsi soll verkauft werden", sagt Grunder. Dieses Angebot sei Sempachs schon länger gemacht worden, sie hätten sich aber nun dagegen entschieden.

 

Bei den Verhandlungen sei es in Details zwischen Sempachs und der Genossenschaft auch zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. "Wir konnten aber immer zusammen an einen Tisch sitzen, diskutieren und uns letzten Endes einigen", sagt Grunder. Und er betont auch, dass das Verhältnis immer gut gewesen sei. "22 Jahre ist nicht nichts und es war immer eine sehr gute Sache."

 

Sempbach: "Es war eine geniale Situation"

Auch Thomas Sempach hat die Zeit positiv erlebt. "Es war eine geniale Situation, hier zu arbeiten und zu wohnen", sagt er.  Besonders seine drei Kinder hätten davon profitiert. "Es war immer jemand da, auch wenn meine Frau Teilzeit als Lehrerin arbeitete", sagt er.

 

Ursula Sempach und die Kinder haben ebenfalls im Betrieb mitgearbeitet. Dazu kommen zwei Teilzeit-Angestellte. "Eine davon ist seit zehn Jahren dabei, die andere seit fast zehn", sagt Thomas Sempach. Das sei ein gutes Zeichen. "Wir hatten ein gutes Team", stellt er fest.

 

Der Moment für etwas Neues

Dementsprechend schwer fällt ihm auch die Schliessung der Chäsi. "Es reut mich sehr, das aufzugeben, was wir erarbeitet haben", sagt er. Die Chäsi habe auch eine Bedeutung für das Dorf. Der Entscheid fiel denn auch nicht über Nacht. "Ich habe mir lange überlegt, ob ich die Chäsi kaufen soll, habe mich dann aber dagegen entschieden", so Sempach.

 

Persönliche Gründe hätten zum Entscheid geführt. Unter anderem Hätten sie bereits vor einiger Zeit ein Haus gekauft und in ein paar Jahren würden auch ihre Kinder ausgeflogen sein. "Jetzt ist der Moment nochmals etwas Anderes zu machen", sagt der 52-jährige.

 

Neue Stelle bereits gefunden

Was das "Andere" ist, steht auch schon fest: "Ich habe eine neue Stelle bei der CSL Behring gefunden", sagt Sempach. Dort wird er als pharmazeutischer Angestellter in der Produktion mit zwei neuen Anlagen tätig sein. Der auf Blutplasma spezialisierte Pharmakonzern beschäftige viele einstige Käser und Metzger.

 

"In der Produktion gibt es ähnliche Abläufe wie in einer Chäsi und es gehören auch hygienische Arbeiten dazu", erklärt Sempach. Darin seien Fachpersonen aus der Lebensmittelbranche bereits geschult. Er freut sich auf die neue Herausforderung. "Es wird sehr interessant", sagt er.

 

Ende März ist Schluss

Voraussichtlich Ende März 2019 geht die Chäsi zu. Sempachs werden aber darüber hinaus noch eine Weile in der darüberliegenden Wohnung bleiben. "So kommt nicht alles aufs Mal und unser eigenes Haus haben wir derzeit noch vermietet", sagt Sempach.

 

Ob die Chäsi danach vielleicht doch eine solche bleibt, steht noch in den Sternen. "Es wäre das Schönste, wenn ich die Chäsi jemandem übergeben könnte, der sie weiterführt", sagt Sempach und fordert Interessierte auf, sich bei ihm zu melden.


Autor:in
Isabelle Berger, isabelle.berger@bern-ost.ch
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Erstellt: 13.11.2018
Geändert: 13.11.2018
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