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Bolligen - Frühlingsputz in der Ortsstube

Quelle
Berner Zeitung BZ

Ein bisschen verstaubt darf ein Ortsmuseum zwar schon sein. Aber irgendwann ist doch ein Frühlingsputz nötig. Am Samstagvormittag griffen die Chefs der Ortsstube gleich selbst zum Besen.

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Vorsichtige Reinigung: Marianne de Ventura (l.) und Mathilde Zach bei der Arbeit. (Bild: Tanja Buchser)

«Herein in die gute Stube»: Das ist der Eindruck, mit dem das Ortsmuseum in Bolligen seine Besucher empfängt. Handwerkszeug, Möbel und Gemälde von einst strahlen Gemütlichkeit aus. Die Ortsstube, wie sie heisst, macht ihrem Namen alle Ehre, da stört es niemanden, wenn nicht alles glänzt. Staub gehört sogar ein wenig dazu, doch nun gehts ihm gehörig an den Kragen.

Es ist Putztag, und es würde gut passen, wenn eine resolute Magd im Leinenschurz den Besen schwingen würde. Doch an diesem Samstagvormittag putzen gewissermassen die Chefs selber: die Stiftungsräte und Delegierten der Trägerorganisation, die hinter dem 1975 eröffneten Museum von Bolligen, Ittigen und Ostermundigen steht. «Man hätte auch Putzprofis engagieren können», räumt Sekretärin Mathilde Zach ein, «doch ich denke, wir passen auf die teils heiklen Exponate besser auf. Wir haben einen direkten Bezug zu den alten Gegenständen.»

Erste Putzete seit Jahren

Das gilt zweifellos für Helene Blatter, die mit Feingefühl und Pinsel bewaffnet die Trachten auffrischt. Die Stiftungsrätin aus Ittigen besitzt selber ein historisches Feiertagsgewand, eine Berner Tracht, die sie zu ausgewählten Gelegenheiten mit Stolz trägt. «Bist du fertig?», fragt Rudolf Burger. Der Stiftungsratsund Gemeindepräsident steht schon bereit, die gereinigten Vitrinen wieder vorzuhängen.

Der Frühlingsputz – er ist nach Ansicht der Beteiligten der erste seit Jahren – macht schnell Fortschritte, die gut gelaunten Freiwilligen arbeiten sich auch ohne klare Befehlsstruktur effizient in die Hand. «Ui, da hets aber no Spinnhuppele», ruft einer, und schon ist ein Staubwedel zur Stelle. Die meist hölzernen Alltagsgegenstände, die den Kern des Ortsmuseums ausmachen, werden bloss abgewischt; Putzmittel könnten Schaden anrichten. Vielfältig mit zeitgenössischem Geschirr ausgestattet ist die Küchenecke der Ortsstube. Verwalter Antonis Meimetis hat es aber besonders ein im Regal ausgestelltes Kontobüchlein angetan. Was der Laie einfach als Beleg für einen ordentlich geführten Haushalt hält, ist laut dem Geschichtsstudenten ein Zeugnis für die zunehmende Ökonomisierung der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert.

Auch sonst geht es in der Ortsstube nicht nur gemütlich zu und her. Der nebenamtliche Museumsverwalter lädt dazu ein, die Fotos aus dem Steinbruch Ostermundigen genau zu studieren. Zwischen den posierenden Männern finden sich mehrere Knaben, einer gar ist ein veritabler Knirps. Keiner lächelt. Der 24- jährige Meimetis: «Noch vor hundert Jahren war die Schweiz ein Entwicklungsland, Kinderarbeit war nichts Aussergewöhnliches.» Man spürt: Hier verknüpft einer mit Begeisterung Uniwissen mit lokalen Begebenheiten.

Historischer Eintrag

Während die einen noch dem Vergangenen nachhängen, meldet die hochkarätige Putztruppe Vollzug. Kaum mehr als zwei Stunden gemeinsamer Anstrengung waren vonnöten, die Ortsstube Bolligen auf Vordermann zu bringen. Auch dies wird historisch dokumentiert: mit einem gemeinsam unterschriebenen Eintrag im Gästebuch.

[i] Die Ortsstube in der Pfrundscheune Bolligen ist dieses Jahr an folgenden Samstagen von 14 bis 16 Uhr geöffnet: 7.5.; 4.6.; 5.11.; 3.12. Besichtigung für Gruppen und Vereine nach Voranmeldung bei antoni.meimetis@ hotmail.com


Autor:in
Daniel Riesen, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 02.05.2016
Geändert: 02.05.2016
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