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Bowiler Lok zum Leben erweckt: Die 001-180-9 dampft wieder

Quelle
Berner Zeitung BZ

Tausende von Autopendlern haben sie in Bowil stehen sehen – nun ist die Dampflok 001-180-9 frisch saniert wieder in Deutschland unterwegs. Mit Museumszügen.

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Unter Dampf und startklar: Die Bowiler Dampflok macht sich in München für die erste Publikumsfahrt in ihrem zweiten Leben bereit. (Bild: Stephan Künzi)
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Zahnräder und Achsen sind seine Welt: Hans-Rudolf Steck. (Bild: Stefan Anderegg)
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Ein langer Heulton kündigt den grossen Moment an, schnaubend fährt die Dampflok ein. Frisch poliert glänzt an der Front die Nummer 001-180-9 – genau: Nach mehr als 40 Jahren Stillstand steht die Maschine vor der ersten Publikumsfahrt in ihrem zweiten Leben. Sie führt einen Sonderzug von München nach Salzburg an den Weihnachtsmarkt. Sofort strömen die Leute zusammen. Fotoapparate schnellen in die Höhe, dazu wird eifrig diskutiert: «Die Lok ist lange bei einem Sammler in der Schweiz gestanden», sagt eine Passantin.

Spektakuläre Aktion

Der Sammler hiess Ferdinand Steck und besass in Bowil eine Maschinenfabrik (Text rechts). Er kaufte Mitte der 1970er-Jahre die kurz zuvor ausser Dienst gesetzte Dampflok, liess sie von Deutschland in die Schweiz fahren und stellte sie auf dem Firmengelände an der Strasse vom Emmental nach Bern aus. Tausende von Pendlern fuhren fortan Tag für Tag an der mächtigen Maschine vorbei und fragten sich insgeheim, was wohl mit dem Koloss passieren werde.

Die Antwort gab es vor gut drei Jahren, als die Lok in einer spektakulären Aktion wieder auf die Schienen gestellt und zurück in die alte Heimat geschleppt wurde. Das Eisenbahnmuseum Nördlingen mit seiner Tochterfirma Bayern Bahn hatte die Lok gekauft. Als Vertreterin der ersten Einheitsdampfloks für den schweren Schnellzugsdienst in Deutschland hatte sie das Interesse der Bahnfreunde geweckt.

Nur leicht verspätet

Der Zug nimmt Fahrt auf, flott gehts voran in Richtung Salzburg. Am Fenster ziehen Rauchschwaden vorbei, immer wieder stehen Fotografen am Gleis, um die denkwürdige Fahrt festzuhalten. Sein Ziel erreicht der Sonderzug mit nur fünf Minuten Verspätung. Die umfangreichen Sanierungsarbeiten, dank derer die Lok wieder zum Laufen gekommen ist, haben sich definitiv bewährt.

[i] Stecks Welt sind dei Zahnradbahnen

Das Schild lässt so manchen verwundert aufblicken. «Ferdinand Steck, Maschinenfabrik AG, 3533 Bowil» ist unübersehbar an der Lok der Brienz-Rothorn-Bahn zu lesen. Gleich drei dieser mit Diesel betriebenen Maschinen sind vor bald vierzig Jahren gebaut worden – nein, eben nicht in einer dieser weitherum bekannten Lokomotivfabriken, sondern im kleinen Familienbetrieb am Tor zum Emmental.

Zustande gekommen ist dieser Auftrag über einen persönlichen Kontakt von Firmengründer Ferdinand Steck mit dem damaligen Direktor des Bahnunternehmens in Brienz. Davon erzählt Hans-Rudolf Steck, der die Maschinenfabrik in dritter Generation gemeinsam mit seinen Geschwistern Yvonne Hirschi-Steck und Peter Steck führt.

Die Eisenbahn hat die Firma in Bowil bis heute nicht mehr losgelassen. Augenfälliges Zeugnis davon war die mächtige Dampflok 001 180-9, die jahrelang unter dem Vordach einer Halle stand und im Sommer 2011 in ihre alte Heimat Deutschland zurückgekehrt ist (Text links). Vor allem aber trägt sie heute massgeblich zum Geschäft bei: «Der Bahnbereich macht etwa zwei Drittel des Umsatzes aus», sagt Hans-Rudolf Steck, ohne Zahlen zu nennen.

In die Einzelteile zerlegt

Ganze Loks verlassen die Fabrik in Bowil zwar nicht mehr, zu aufwendig seien die Bewilligungsverfahren für einen Betrieb mit gerade mal dreissig Mitarbeitern geworden, fährt Hans-Rudolf Steck fort. Heute gilt sein Augenmerk vielmehr den diversen Komponenten. Steck und seine Leute fertigen Verschleissteile wie Achsen, Trieb- oder Bremszahnräder, stellen dazu Gehäuse für Zahnradgetriebe her. Zwischendurch bauen sie einen alten Wagen um oder einen neuen Wagen auf – ab und zu kehrt sogar eine alte Steck-Lok nach Bowil zurück. Wie eine der drei Maschinen aus Brienz: Sie wird zurzeit rundum überholt – und deshalb Stück für Stück zerlegt.

«Unsere Welt sind die Zahnradbahnen», hält Steck fest und ergänzt, dass die meisten Kunden in der Schweiz und ein paar wenige im benachbarten Österreich daheim sind. Bahnen gehören dazu genauso wie Fahrzeugbauer. Für Stadler Rail zum Beispiel arbeiten die Bowiler seit Jahren als Zulieferer.

Der Platz blieb nicht leer

Daneben ist die Maschinenfabrik nach wie vor in jenem Bereich tätig, mit dem vor 76 Jahren alles begonnen hat. Sie stellt, das zweite wichtige Standbein, Walzen und Spezialmaschinen für den Strassenbau her. Obwohl die Firma kein Wachstum anstrebt, steht ihr ein grosser Schritt bevor: Anfang Jahr bezieht sie eine neue Halle für die Schlosserei.

Der Platz der Dampflok ist übrigens nicht leer geblieben. Heute stehen hier eine kleine Zahnradlok mit Schneeschleuder sowie mehrere Walzen.

Autor:in
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 09.12.2014
Geändert: 10.12.2014
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