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Deisswil - "Der Bernapark wird keine ewige Baustelle sein"

Quelle
Berner Zeitung BZ

Auf dem Areal der ehemaligen Kartonfabrik laufen die Arbeiten auf Hochtouren, damit bereits in zwei Jahren die ersten Mieter einziehen können. Inhaber Hans-Ulrich Müller treibt sein Lebenswerk voran.

Für Hans-Ulrich Müller ist der Bernapark ein Teil seines Lebenswerks. (Foto: Raphael Moser)

Wenn Hans-Ulrich Müller mitten auf dem Bernapark-Areal steht und um sich blickt, sieht er keine Kräne, keine Lastwagen, keine Abrissmaschinen – keine Baustelle. Nein, vor sich sieht er seine Vision des Bernaparks, wie er in seiner fertigen Form dereinst aussehen soll: ein Dorfplatz, ein altes Kesselhaus als Eventhalle, Menschen, die hier gemeinsam leben und deren Bedürfnisse alle an diesem Ort abgedeckt werden. Sei es ein Gesundheitszentrum, um sich behandeln zu lassen oder um im Fitnesscenter fit zu werden, seien es Restaurants, um gemeinsam zu essen. Oder sei es ein Concierge-Angebot, welches die Bewohner und auch Dritte nutzen können, um sich im Haushalt unterstützen zu lassen oder um älteren Menschen Gesellschaft zuleisten.
 

Aber eben: Im Moment wird erst fleissig daran gearbeitet, dass Müllers Vision Realität werden kann. Vor neun Jahren kaufte er die alte Kartonfabrik Deisswil, nachdem sie geschlossen und alle 253 Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen entlassen worden waren. Der Unternehmer stellte die Mitarbeiter wieder ein und half ihnen, eine neue berufliche Lösung zu finden. «Danach wurden die Arbeiten am Masterplan intensiviert. Über vier Jahre hat es gedauert, bis wir einen umfassenden Plan ausgearbeitet hatten», erzählt Hans-Ulrich Müller. Seine Vorstellungen von einem modernen Wohn- und Gewerbequartier seien aber beim Kanton zuerst auf wenig Gegenliebe gestossen. Am Verkehrskonzept seien seine Ideen immer wieder gescheitert.
 

Horizont: Zwei Jahre


Frustrieren liess sich der 68-Jährige deshalb aber nicht und überarbeitete das Konzept so lange, bis schliesslich alle zustimmten und ein Teil des Geländes in eine Bestandeszone ausgeschieden wurde. «Man muss einfach beharrlich sein und einiges aushalten, dann sind am Schluss alle zufrieden», so Müllers Motto. Erste Durchbrüche wurden erzielt, als im Frühling 2016 die Stimmbevölkerung von Stettlen der Umzonung und damit dem ersten Teil des Projektes einstimmig zustimmte und als vor einem Jahr die Baubewilligung für die erste Etappe erteilt wurde.
 

Heute sind in den verschiedenen Hallen und Häusern auf dem Areal schon etliche Mieter eingezogen, im Zentrum für Innovation und Digitalisierung beispielsweise entwickeln Start-ups ihre Geschäftsideen, nebenan trainieren Snowboarder auf Trampolinen für die Wintersaison.
 

Aktuell wird vor allem an den Gebäuden gearbeitet, in und auf welchen innerhalb der nächsten zwei Jahre über 170 Wohnungen entstehen sollen. Trotz immer wieder neuen Terminverschiebungen wegen ausstehender Bewilligungen bleibt Hans-Ulrich Müller dabei: «In zweieinhalb Jahren wird ein grosser Teil des neuen Bernaparks fertig sein.» Ab Mai 2020 sollen die ersten Mieter einziehen, schon jetzt gebe es viele Interessenten für die Mietwohnungen und Gewerberäume. Und noch viel wichtiger: «Das Areal wird keine ewige Baustelle sein», verspricht er. Er habe geplant, das Quartier schrittweise alle paar Jahre gemeinsam mit der Bevölkerung und der Gemeinde weiterzuentwickeln.
 

Positive Verlangsamung
 

Die verschiedenen 1½- bis 5½-Zimmer-Wohnungen entstehen entlang der Bahnlinie und werden in die erhaltenswerte Fassade der ehemaligen Kartonfabrik integriert. Mit Arkaden wird ein Durchgang vom RBS-Bahnhof in die neue Siedlung geschaffen. Dafür musste ein Teil der Fassade weichen. «Diese wird wiederhergestellt», erklärt Müller. Die Gestaltung der Fassade habe in intensiver Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege stattgefunden. Über ein Jahr sei verstrichen, bis die Aufstockungen und Balkone bewilligt worden seien. Aber: «Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Denkmalpflege gemacht», hält Hans-Ulrich Müller fest.

 

Nicht ganz so schnell wie bei den Wohnungen geht es beim Mobilitätszentrum vorwärts. Dort wird der Bau im Moment noch durch eine Einsprache blockiert. «Das macht aber nichts, ein bisschen Verlangsamung hilft mir, nicht in Stress zu geraten», meint Hans-Ulrich Müller lachend.

 

Horizont: Jahrzehnte

 

Langweilig wird ihm in den nächsten Jahren aber sicher nicht. Denn Müllers Vision des Bernaparks zielt nicht nur auf die nächsten fünf oder zehn Jahre, sondern weiter in die Zukunft. «Ich will etwas für die nächste und die übernächste Generation hinterlassen, auch wenn ich nicht bis zum Ende mitwirken kann.» Mit vielen verschiedenen Leuten ist er im Gespräch für Projekte, die er irgendwann auch noch realisieren möchte. Müller spricht von einem Park auf der Wiese vor dem Areal, von einer zukünftigen Schulanlage, für die bereits Interessenten vorhanden seien, oder von einer neuen Sporthalle für den Volleyballsport.

 

Und all die Ideen, die der 68-Jährige zur Umsetzung freigibt, haben Hand und Fuss. Denn sobald Müller einen neuen Geistesblitz hat, klärt er ab, ob dieser überhaupt realisierbar ist. «Ich muss beispielsweise die Wiese einzonen, damit dort etwas entstehen kann, und gleich viel Land nebenan wieder auszonen.» Dafür führt er Verhandlungen mit der Gemeinde Ostermundigen, denn ein Teil des Geländes befindet sich auf deren Boden.

 

Auch der hintere Teil des Areals muss noch umgezont werden – von einem sistierten Gewerbe- und Industriegelände zu einer gemischten Zone. All das behält Hans-Ulrich Müller im Blick, auch wenn er manchmal erfahren muss, dass nicht ganz alles machbar ist, was er sich vorstellt. Zuoberst auf dem Kamin des alten Kesselhauses wollte er eine Aussichtsplattform anbringen lassen. «Stellen Sie sich vor, wie toll das gewesen wäre», schwärmt er. Eine Bewilligung dafür hat er aber nicht bekommen.

 

Bei all diesem Tatendrang – ist Müller denn nicht manchmal auch etwas müde? «Nein, definitiv nicht», sagt er bestimmt. Er stehe jeden Tag noch so gerne auf, um diesen wichtigen Teil seines Lebenswerks, wie er es nennt, einen Schritt weiterzubringen. «Und dabei habe ich grosses Glück, dass ich auf die Unterstützung von so vielen Leuten zählen kann.»


Autor:in
Annic Berset, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 28.01.2019
Geändert: 28.01.2019
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