Diana Wältis Trauerkaffee: «Loslassen – aber auch Schönes behalten»

Kosmetikerin, Masseurin, Bestatterin, Trauerrednerin und neu auch Gastgeberin eines Trauerkaffees im Kafi BERN-OST: Mit ihrem Herzensprojekt schafft die 53-jährige Diana Wälti Raum für Menschen, die trauern – oder bald trauern werden. Sie zeigt, dass Trauer viele Farben haben darf. Und sie verrät, warum ihre ungewöhnliche Berufskombination trotzdem so gut harmoniert.

Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch

Diana Wälti wirkt bodenständig und praktisch – die freundliche Nachbarin von nebenan. Aber in der 53-Jährigen steckt nicht nur viel Energie, sondern auch Überraschendes: Nicht alle haben einen Berufsabschluss als Kosmetikerin – und als Bestatterin. Ihr neustes Projekt: Ein Trauerkaffee im Kafi BERN-OST. Dort wird sie Trauernden zeigen: «Jedes Gefühl hat Platz.» Und, etwas überraschend: «Trauer ist bunt.»

 

Eine «Herztankstelle»

Sie nickt, nippt an ihrem Kaffee und sagt, ja, mit Trauer könne man tatsächlich kreativ umgehen. Sie ging das persönlich so an: «Ich habe mir nach dem Tod meiner Mutter ein Trauerglas gebastelt, sozusagen eine ‘Herztankstelle’, habe Zettelchen mit schönen Erlebnissen beschrieben und diese in das Glas gefüllt.» Dieses Glas nimmt sie jeweils am Geburts- und Todestag ihrer Mutter hervor und liest eine schöne Begebenheit. «Das tut gut, so habe ich konservierte Erinnerungen.»

 

Extrem unterschiedliche Berufe

Diana Wälti weiss aus langjähriger Erfahrung, was Trauernde benötigen und was ihnen hilft: Sie arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen. Und das ist es, was ihre unterschiedlichen Berufe verbindet, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen. Als sie erzählt, warum sie ausgerechnet diese Berufe gewählt hat, macht die Kombination am Ende durchaus Sinn.

 

Als Kosmetikerin …

Für ihren ersten Beruf machte Diana Wälti als 16-Jährige die Ausbildung zur Kosmetikerin. «Als Jugendliche interessierte ich mich sehr für Schminken, Schönheit und Ästhetik», schmunzelt sie. Ein Schnupperpraktikum begeisterte sie vollends. Nach der Kosmetikfachschule absolvierte sie in Bern eine dreijährige Jahre Ausbildung und schloss als Kosmetikerin EFZ ab.

 

… mit dem Blick ins Innere

Im Lauf ihrer Berufstätigkeit sei aber das Schminken als Schönheitszweck immer unwichtiger geworden, sagt sie: «Mich begann zu interessieren, was daruntersteckt – unter der Haut, unter den Nägeln, im Inneren der Menschen.» Während Gesichtsbehandlungen, Maniküren oder Verschönerung von Wimpern und Brauen merkte sie: Das Wichtigste ist, dass sich Kundinnen in ihrer Haut wohlfühlen.

 

Als Masseurin in die tieferen Schichten

Kosmetik bedeutet für sie längst nicht mehr «einfach drübermalen»: «Es geht viel mehr um das, was dank einer äusseren Veränderung im Innern abläuft.» Von dieser Feststellung war es nur noch ein kleiner Schritt zu den tieferen Schichten des menschlichen Körpers, und Diana Wälti begann, sich in Massagetechniken und Fussreflexzonenmassage weiterzubilden. Bald eröffnete sie eine Praxis im ehemaligen Bauernhof in Arni, in dem sie mit ihrem Mann Markus Niederhauser lebt.

 

Daneben zwei Kinder …

Während 25 Jahren bot sie in dieser Praxis Fussreflexzonen-, Sportmassagen und Lymphdrainage an. «Ich liebe meinen Beruf und meine viele Kundinnen und Kunden», sagt sie. Sie besuchte Weiterbildungen und arbeitete viel. Daneben zog sie ihre beiden Kinder gross, Tochter Lia ist heute 28, Sohn Noel 23 Jahre alt.

 

… und das «Landhaus Spitzenstein»

Damit war Diana Wälti zwar ziemlich ausgefüllt, aber sie ist quirlig genug, um immer wieder Neues zu suchen. 2012 eröffnete sie eine Massagepraxis in Grosshöchstetten, und fast gleichzeitig zog sie gemeinsam mit ihrem Mann den Gastronomiebetrieb «Landhaus Spitzenstein» auf. Zwei- bis dreimal pro Woche kochte sie an Hochzeiten und Geburtstagsfeiern für bis zu 300 Gäste. Daneben veranstaltete sie Vortragsabende und «Ämmitaler Wellnessbehandlungen».

 

Die Tausendsassafrau kochte, …

Ihr Mann, der hundert Prozent als Feinmechaniker ausser Haus arbeitete, sorgte jeweils für alles Technische und das Drumherum. «Neun Jahre lang machten wir das voller Begeisterung», erzählt die Tausendsassafrau. Eine Kochlehre habe sie zwar nie gemacht, sie sei eine klassische Quereinsteigerin. «Aber ein Kochkurs, viel Learning by Doing und eine enge Zusammenarbeit mit der Chäsi Arni haben mir den nötigen Hintergrund geliefert.»

 

… hatte Spass und traf viele gute Leute

Die Theatertruppe Madame Bissegger, Banken und Firmen hat das Ehepaar an Anlässen und Festen bewirtet – es sei toll gewesen, abwechslungsreich. Dennoch: Eines Abends, nach einem Mitternachtsfondue und kurz vor der Pandemie, hätten sie sich angeschaut und auf einmal gewusst: «Das war die letzte Saison. Wir hören auf, solange wir lachen, statt zu weinen.» Sie hätten aber bis zum Schluss Spass gehabt und viele gute Leute kennengelernt, sagt Diana Wälti.

 

Dann zwei schwere Verluste …

Vor zehn Jahren erlebte sie gleich zwei schwere Verluste, als kurz nacheinander ihre hochbetagten Eltern starben. Eine Erfahrung, die ihren weiteren beruflichen Weg prägte: «Damals bekam ich zum ersten Mal hautnah mit, was eine Bestattung für die Angehörigen bedeutet.» Sie wollte bei jedem Schritt dabei sein, half mit, ihre Mutter zu waschen, einzukleiden und einzubetten: «Dieser Ablauf half mir bei der Trauerarbeit.»

 

… und ein Beruf, der ganz tief geht

Und die Begegnung mit einem Beruf, der ganz tief unter die Haut geht, liess sie nicht mehr los. Sie begann, beim Bestattungsunternehmen Finis mitzuhelfen, das ihre Mutter bestattet hatte, und besuchte Ausbildungsmodule beim Schweizerischen Verband der Bestattungsdienste in Willisau. Dabei halfen ihr sämtliche bisherigen Berufserfahrungen, aber das Wichtigste sei ohnehin: «Man muss die Leute gernhaben.»

 

Bestatterin: Vielseitig und anspruchsvoll

Als freiberufliche Bestatterin und Trauerrednerin erlebte sie, wie wichtig es ist, Anteil zu nehmen und doch nicht mitzuleiden, sondern die richtige Balance zu finden. «Daneben muss man sehr viel und zackig organisieren.» Das mache die Arbeit vielseitig und spannend: Eine Bestatterin muss mit Ämtern vernetzt sein und wissen, was rechtlich gestattet ist und was nicht – beispielsweise, dass vor einer Bestattung eine gesetzliche Ruhepflicht von 48 Stunden eingehalten werden muss. Oder dass niemand einen Verstorbenen berühren darf, bevor eine Ärztin, ein Arzt den Totenschein ausgestellt hat.

 

Inzwischen ein Familienunternehmen ...

Nach einer Vertretung beim Bestattungsdienst Finis arbeitete Diana Wälti als freie Mitarbeiterin bei Kevin Huguenin, dem jüngsten Bestatter der Schweiz. Sie schmunzelt, aus dieser Zusammenarbeit ist inzwischen quasi ein Familienunternehmen entstanden, als sich Tochter Lia in Huguenin verliebte und ebenfalls Bestatterin wurde.

 

...mit einer Regenbogenhoschtet

Vor zwei Jahren haben Wälti-Niederhausers und Huguenin gemeinsam den Bestattungsdienst Emmental gegründet: «Bestattungen im Emmental für Leute aus dem Emmental», erklärt Diana Wälti. Und dort bieten sie einen ganz besonderen Service: «Auf unserer Regenbogenhoschtet in Arni beherbergen zurzeit drei Grabbäume die Asche von Verstorbenen.»

 

Die Nonstop-Abrufbarkeit braucht auf

Es seien gute Jahre gewesen, sagt sie heute. Trotzdem merkte sie mit der Zeit, wie sehr einen die ständige Abrufbarkeit, 24 Stunden an 365 Tagen, aufbraucht. Nach zwölf Jahren mit bis zu drei Todesfällen pro Tag und viel Arbeit mit Trauernden hat sie diese Arbeit abgegeben. Umso besser weiss sie dank ihrer Erfahrung, was Leuten in solchen Situationen guttut, wieviele Gefühle hochkommen und wie sie damit umgehen kann. «Ich habe oft auch als Seelsorgerin gewirkt.»

 

Im Bestattungswagen zum Konfunterricht ...

Deshalb gibt sie heute ihre Erfahrung als Bestatterin in Vorträgen bei Frauenvereinen, Spitex und anderen Institutionen weiter. Und bei Konfirmanden-Klassen im Seeland und Utzenstorf: Dort fährt sie gerne mit dem Bestattungswagen samt Sarg und Urne vor und lässt die Jugendlichen den Sarg aus dem Auto heben. Auf die erschrockene Reaktion des Pfarrers erklärte sie: «Ich finde wichtig, dass junge Menschen die ganze Wahrheit erfahren.» Es sei übrigens sehr berührend zu sehen, wie selbstverständlich viele Junge damit umgehen.

 

... und Unterricht für Trauerbegleitende

Inzwischen unterrichtet Diana Wälti beim Coachinginstitut Soulsense und der Akademie für bewusstes Leben und Sterben angehende Sterbe- und Trauerbegleiter:innen. Sie bringt Kursteilnehmer:innen in der ganzen Schweiz bei, wie sie bei der Konfrontation mit dem Tod mit ihren eigenen Gefühlen umgehen können. Auch ihren ersten Beruf als Kosmetikerin übt sie wieder aus, teilweise im Gesundheitszentrum Worb.

 

Jetzt endlich das Herzensprojekt Trauerkaffee

Und Ende August startet sie mit ihrem jüngsten Projekt: Dem Trauerkaffee. «Das ist ein Herzensprojekt, ein Trauerkaffee möchte ich schon lange organisieren», sagt sie. Ein solcher Austausch sei umso wichtiger in einer Zeit, in der alles so schnelllebig geworden sei: «Man kann heute sogar digital auf Knopfdruck bestatten, alle müssen schnell wieder funktionieren und die Trauer bleibt auf der Strecke.»

 

Platz für Trauer und Abschied …

Im Trauerkaffee sollen Trauer und Abschiednehmen Platz und ihren Stellenwert erhalten. Deshalb gehe es nicht nur darum loszulassen: «Schönes soll man behalten.» Willkommen sind neben Menschen, die kürzlich jemanden verloren haben, auch andere, die jemanden noch gar nicht verloren haben oder deren Verlust schon lange her ist.  «Man kann Trauer nicht schubladisieren, sie verläuft ganz verschieden schnell.»

 

… und Emotionen aller Art

Diana Wälti startet das Kaffee versuchsweise bis im Dezember, dann will sie weiterschauen. Sie sei schon etwas kribbelig, sagt sie, und gespannt, ob Leute den Weg zu ihr finden. «Und vor allem bin ich gefasst auf Fragen und Emotionen aller Art.»

 

[i] Trauerkaffee: Immer am letzten Mittwoch im Monat, erstmals am 27. August 2025, von 18 bis 20 Uhr im Kafi BERN-OST, Bahnhofplatz 3, Worb. Es kann geredet oder geschwiegen werden, gelacht und geweint, erinnert und geteilt.

 

[i] Infos zum Bestattungsdienst Emmental


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 02.08.2025
Geändert: 02.08.2025
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