«Die Verkehrshölle Münsingen gibt es nicht mehr!»
Beat Moser (Grüne) tritt nach zwölf Jahren als Gemeindepräsident von Münsingen auf Ende Jahr zurück. Wir haben den 66-Jährigen in seinem Büro auf der Gemeindeverwaltung besucht. Moser sagt, warum die Kantonale Verwaltung nervt, und weshalb auf der Entlastungsstrasse Tempo 30 gilt.
BERN-OST: Beat Moser, Sie waren jetzt zwölf Jahre lang Berufspolitiker – ist das ein schöner Beruf?
Beat Moser: Ja, es ist eine der faszinierendsten, schönsten Arbeiten, die ich in meiner Berufszeit machen konnte.
Was ist so schön daran?
Der Kontakt, Austausch und Bezug zur Bevölkerung. Man muss das Parlament, die Kommissionen und die Bevölkerung mitnehmen, um etwas weiterentwickeln zu können.
Haben Sie das Wahlresultat von Ende November als Denkzettel empfunden? Es verschiebt sich etwas – Rot-Grün hatte vier Sitze im Gemeinderat, künftig sind es nur noch zwei.
Nein, das ist eine Weiterentwicklung, die stattfindet, aber keine Katastrophe.
Bei einem Ranking, welchen Berufsleuten man am meisten vertraut, landeten Politiker auf dem drittletzten Platz. Wie oft mussten Sie Entscheidungen treffen, die nicht mit Ihren früheren Aussagen übereinstimmten?
Das gab es nicht oft. Aber es gab natürlich Ideen, für die wir keine Mehrheiten fanden. Wir hatten wenig Referenden zu unseren Beschlüssen. Es gab mal zur Überbauung am Jungfrauweg ein Referendum. Wir wollten dort höher bauen, was dann vom Volk abgelehnt wurde. Damals hatten wir die Lage falsch eingeschätzt. Aber Sachen versprochen, die wir nicht halten konnten, das haben wir nicht.
Wo haben Sie Münsingen vorwärtsgebracht?
Die Verkehrshölle Münsingen gibt es nicht mehr! Die neue Verkehrslösung durchs Dorf mit der Entlastungsstrasse hat viel gebracht. Weiter konnten wir den Dorfplatz erneuern. Wir haben auch in den Schulraum investiert und konnten den Fernwärmeverbund ausbauen, was gute Voraussetzungen schafft, damit sich Münsingen weiterentwickeln kann. Im Kulturbereich ging viel, das Schlossgut wurde aufgewertet.
Welche Rituale halfen Ihnen, den politischen Alltag zu überstehen?
Am Anfang bestanden zwischen Gemeinderat und Parlament Spannungen. Wir führten die Blumenhausgespräche ein mit den Partei- und Fraktionspräsidien. Dort sprechen wir zusammen – ohne Presse – und tauschen uns aus. Wir organisieren auch sonst viele Info-Anlässe, um die Bevölkerung zu informieren, damit die Leute erfahren, was geht.
Welcher Moment in Ihrer Amtszeit hat Ihnen gezeigt, dass Ihre Arbeit etwas bewegt?
Da gibt es viele Momente, beispielsweise das neue Gemeindehaus, welches jetzt aufgegleist ist. Man ist lange dran, sieht dann aber, dass es gelingen wird. Auch die Aufwertung des Schlossguts oder die neue Schützenfahrbrücke, das waren gute Entscheide. Und natürlich die neue Verkehrslösung, auch das brauchte lange und kam gut.
Wie sicher waren Sie, dass die Entlastungsstrasse das Problem löst?
Das wussten wir nicht mit Sicherheit. Verkehr ist wie Wasser, er sucht den Weg des geringsten Widerstands. Heute haben wir keine Rotlichter mehr, der Verkehr fliesst langsamer, aber man kommt schneller ans Ziel.
Warum gilt auf der Entlastungsstrasse durchs Niemandsland Tempo 30?
Wir wollten eine Variante, die möglichst wenig Landwirtschaftsland verbraucht. Damit ein Lastwagen mit 50 durch die Kurve fahren könnte, müsste der Kurvenradius grösser sein und es hätte mehr Land verbaut werden müssen. Das wollten wir nicht. Das war der Hauptgrund für Tempo 30. Auch bei der Ortsdurchfahrt hätten wir bei Tempo 50 weniger Parkplätze erhalten können als bei Tempo 30. Die Geschäftsinhaber sind froh darum.
Was gefällt Ihnen an Münsingen?
Hier gibt es alles, und wir haben ein wunderschönes Naherholungsgebiet. Niemand braucht mehr als einen Kilometer, um ins Grüne zu kommen. Wir sind ein kompaktes Dorf – eine kleine Stadt mit gutem Dorfgeist.
Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit nicht gelungen?
Nach der Schliessung des Spitals, dachte ich, es sei einfacher, Partner für das neue Gesundheitszentrum zu finden. Es läuft harzig, aber ich bleibe zuversichtlich, dass wir das hinkriegen. Auch in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden gibt es noch Potenzial. Beispielsweise beim zentralen Sozialdienst für das Aaretal dachte ich, das ginge schneller. Da geht es um die Zusammenarbeit mit den Gemeinden Kiesen, Wichtrach, Rubigen, Oppligen, Jaberg, Kirchdorf und Gerzensee. Andererseits funktioniert die Zusammenarbeit beim Zivilschutz und der Feuerwehr gut.
Was stört Sie?
Dass sich der Kanton überall einmischt. Wir ertrinken in Vorschriften und Reglementierungen vom Kanton. Wenn wir etwas bauen wollen, gibt es zehn Fachämter, die mitreden. Wir sind eine Gemeinde mit Fachkompetenz und müssen versuchen, die Gemeindeautonomie zu erhalten.
Gibt es Leute in Münsingen, bei denen Sie sich entschuldigen müssen?
Nein, da ist mir niemand bewusst, sonst würde ich sie einladen, sich bei mir zu melden.
Sind Sie ein glücklicher Mensch?
Ja, sehr glücklich.
Was bedeutet Glück für Sie?
Meine Eltern tauften mich Beat, ein germanischer Name, abgeleitet von Beatus, übersetzt der Glückliche. Ich hatte viel Glück, das heisst für mich, dass ich in meinem Leben vieles bewegen und mitgestalten durfte. Am meisten freut es mich, wenn ich andern eine Freude machen kann.
Wie gut können Sie loslassen?
Das kann ich noch nicht sagen. Ich freue mich auf die Zeit, mich mehr zu bewegen, mehr Zeit mit meiner Partnerin und den Grosskindern zu verbringen. Zudem werde ich mit dem Velo nach Kroatien fahren. Aber das ist nichts Extremes. Ich war vor Jahren ein halbes Jahr mit Velo und Zelt quer durch Kanada unterwegs. Damals habe ich um die 11'000 Kilometer abgespult.