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Dorfplatz Münsingen: Das neue Verkehrsregime im Test

Gestern Freitag wechselte im Münsinger Dorfzentrum das Verkehrsregime. Fussgänger:innen dürfen die Strasse neu überqueren, wo sie wollen. Blaue Linien rund um den Kreisel sollen helfen, dass dies an diesem Hotspot sicher vonstattengehen kann. BERN-OST-Redaktorin Isabelle Berger hat die Neuerungen zu Fuss und mit dem Auto getestet.

Erster Tag mit neuen Regeln:Am Münsinger Dorfplatz gilt seit Freitag ein neues Verkehrsregime. (Bilder: Isabelle Berger)
Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) verteilt Infoblätter und Güezi an Autofahrer:innen.
Auch Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) und Stefan Studer, Vorsteher des Tiefbauamtes, informieren die Autofahrer:innen.
Die neuen Regeln vor Ort zum Nachlesen.

Freitagmorgens um 9 Uhr passieren viele Fahrzeuge den Münsinger Dorfplatz. Am ersten Tag des neuen Verkehrsregimes verteilen Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne), Regierungsrat Christof Neuhaus (SVP) und weitere Vertreter des Kantons Infoblätter und Güezi an die Autofahrer:innen. Die Bevölkerung wurde bereits über die neuen Regeln informiert. Nun gilt es, auch diejenigen aufzuklären, die von auswärts durch Münsingen fahren. Seit dem Vorabend sind die neuen Strassenmarkierungen angebracht: 30er-Zone und blaue Streifen quer über die Strasse im Bereich vor dem Kreisel. Die Streifen sollen einerseits die Autofahrer:innen darauf aufmerksam machen, dass hier vermehrt Leute über die Strasse laufen. Andererseits signalisieren den Fussgänger:innen die beste Stelle zum Überqueren.

 

In den Kommentaren zum BERN-OST-Artikel über das neue Verkehrsregime von neulich stösst man auf Skepsis gegenüber den neuen Regeln und Ärger darüber, dass etwas geändert wird. Es gibt aber auch positive Stimmen, zum Beispiel von Leuten, welche die ähnlichen Regeln aus Thun kennen. Ich will’s wissen und probiere den neuen Dorfplatz einfach mal aus.

 

Kein Vortritt und viel Verkehr: Schaffe ich es?

Natürlich ist es an diesem ersten Morgen nach der Einführung noch zu früh für ein abschliessendes Urteil. Noch kennen nicht alle, die hier vorbeikommen, die Regeln. Noch ist wohl jede:r etwas vorsichtig und unsicher. Eine Frau mit Rollator und eine jüngere Frau laufen an mir vorbei über den Dorfplatz. "Ich finde es ja grundsätzlich gut, aber es hat so viel Verkehr und man hat keinen Vortritt…", sagt letztere. Ob ich es über die Strasse schaffe?

 

Ich starte einen Spaziergang rund um den Kreisel und überquere dabei drei Strassen mit blauen Streifen. Noch fühlt es sich etwas seltsam an: Ich darf hier jetzt einfach drüberlaufen, habe aber keinen Vortritt? Und noch wissen ja nicht alle Autofahrer:innen, wie es jetzt hier läuft. Hoffentlich rempeln sie mich nicht an. Doch es scheint zu funktionieren. Obwohl dauernd Autos durch den Kreisel fahren, kann ich beinahe in einem Zug rund um den Kreisel laufen. Die Autos halten, sobald sie sehen, dass ich über die Strasse will.

 

Es funktioniert trotz Unklarheiten

Nun der Test mit dem Auto. Viele Leute sind um diese Zeit nicht unterwegs. Doch auch ich treffe den oder die eine Fussgänger:in an, die über die Strasse möchte. Ich lasse sie passieren. Eigentlich müsste ich aber gar nicht anhalten, denn ich habe ja Vortritt. Bin ich einfach nett und das neue Verkehrsregime rechnet damit, dass die Leute so sind wie ich gerade? Oder muss ich noch lernen, dass ich die Leute ohne schlechtes Gewissen stehen lassen kann? Irgendwie geht dies für mich im Kopf noch nicht auf. Bei wenig Verkehr warten die Fussgänger:innen natürlich einfach eine geeignete Lücke ab und schlüpfen durch. Aber bei viel Verkehr wie jetzt, kann ich es mir ohne Nettigkeit seitens der Autofshrer:innen aber nicht vorstellen, dass es für sie funktioniert. Aber: Bei meiner Testfahrt habe ich niemanden überfahren, bin selber durchgekommen und die Fussgänger:innen, denen ich begegnet bin, konnten die Strasse sicher überqueren. Auch das hat also offenbar funktioniert. Und sowieso, für ein Kind müsste ich eh ganz anhalten. Schadet ja auch nicht, wenn ich das bei Erwachsenen genauso mache.

 

Dass ich ständig aufpassen soll, dass mir niemand vors Auto läuft, habe ich mir etwas anstrengend vorgestellt. Aber eigentlich ist es nun nicht anders, als wenn der ganze Dorfplatz ein Fussgängerstreifen wäre. Oder umgekehrt, als wenn es gar keine Markierungen hätte. In solchen Fällen schauen ja auch alle Verkehrsteilnehmer:innen aufeinander.

 

Geduld ist gefragt

Mit dem flächigen Queren, wie es die Verantwortlichen uns Medienvertreter:innen an diesem Morgen erklärt haben, habe man andernorts gute Erfahrungen gemacht. Köniz ist das Vorbild. Seit 15 Jahren gibt es dort eine solche Zone und das Verkehrsaufkommen ist mit 20 000 Fahrzeugen am Tag bei Einführung des Regimes und 15 000 heute vergleichbar mit Münsingen (20 000). Warten wir mal ab, wie sich der Münsinger Dorfplatz bewährt. Geduld braucht es nun sicher noch. Oder wie mir eine sicher lebenserfahrene Seniorin auf dem Weg zum Einkauf im Coop am Dorfplatz sagt: "Bei allem Neuen muss man warten, bis man sieht, ob es gut ist."


Autor:in
Isabelle Berger, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 13.08.2022
Geändert: 13.08.2022
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