- Kultur
Ein Blick hinter die Bühne der Mühle Hunziken: «Der Rock’n’Roll ist langweilig geworden»
Seit 50 Jahren spielt die Musik in der Mühle Hunziken. Ab August verlagert sich das Geschehen nach draussen. Was das Team um Lea Born und Chrigu Stuber antreibt, was Booking heute bedeutet – und warum der Rock’n’Roll-Backstage von früher fast ausgestorben ist.
Die Mühle Hunziken steht seit 50 Jahren für Livemusik mit Seele. Ab August zieht es das Team mit dem Sommerprogramm in den Garten: Konzerte unter freiem Himmel, Bühne am Teich, Lichterketten und Foodstände. BERN-OST hat Chrigu Stuber und Lea Born getroffen – zwei Menschen, die das Kulturlokal prägen.
Chrigu Stuber (40) aus Solothurn und Lea Born (35) aus Münsingen bilden die Geschäftsleitung der Mühle Hunziken. Das Team zählt sieben Festangestellte und über 100 Angestellte im Stundenlohn.
BERN-OST: Wie wird man Geschäftsleiter der Mühle Hunziken?
Chrigu Stuber: Seit ich 16 Jahre alt bin, habe Ich in Solothurn Konzerte organisiert, wir hatten zu Beginn keine Ahnung, machten Fehler und lernten draus. Irgendwann kam das Kulturlokal Kofmehl auf uns zu. Ich arbeitete dann für sie und wechselte später zur Konzertagentur Good News, danach kam die Anfrage von der Mühle Hunziken. Aber geplant habe ich das nie.
Lea Born: Bei mir war es ähnlich. Ich habe in Münsingen bei den Filmnächten, einer Jugend Disco und bei einem Open Air mitgearbeitet. Ich habe immer gerne Sachen auf die Beine gestellt, später habe ich ein Praktikum bei Good News gemacht, woraus eine Festanstellung wurde. Dann holte mich Chrigu in die Mühle.
Ist es ein Traumjob?
Chrigu: Definitiv, es «fägt» hier zu arbeiten. Klar gibt es auch lange Tage, aber wenn die Bands und das Publikum glücklich sind, bedanken sich nach Konzerten viele für den Abend, was sehr schön ist. Zudem können wir uns hier kreativ ausleben.
Lea: Total, für das ganze Team ist es Herzblut. Ich schätze auch, dass wir schnell entscheiden können, da wir intern kurze Wege haben. Wir sind ein kleines, eingespieltes Team. Beispielsweise in der Pandemie sind viele Sachen aus Schnapsideen entstanden, so auch unser Open Air im Garten.
Was macht die Mühle Hunziken heute einzigartig im Schweizer Kulturbetrieb?
Lea: Das Haus hat immer noch die gleiche Strahlkraft wie früher. Bands, die erstmals hier auftreten, staunen immer wieder. Oft hören wir, sie hätten sowas noch nie gesehen. Das verwinkelte Haus, die Deko, die Akustik, das spüren Bands, Publikum und auch das Team. Viele sehen in der Mühle einen Kraftort, man fühlt sich wohl hier.
Chrigu: Auch das Holz steuert seinen Teil bei, sei es beim Sound oder dem Ambiente. Die Bands sagen uns oft, es sei anders hier zu spielen, da die Leute von vorne, von hinten, von der Seite oder von oben zuschauen.
Ab August veranstaltet ihr täglich ein Open Air draussen auf der kleinen Bühne am Teich – was läuft da?
Chrigu: Es ist eine Oase im Grünen – mit handgemachter Bühne, Lichterketten und Foodständen. Über die Jahre ist daraus eine Liebhaberbühne geworden. Wir hatten bisher über 100 Konzerte unter freiem Himmel ohne eine einzige Absage.
Wie läuft der Vorverkauf?
Lea: Glücklicherweise sehr gut. Schon die Hälfte der Konzerte ist ausverkauft, wir haben viele internationale Künstlerinnen und Künstler, auch solche, die erstmals hier auftreten.
Gibt es einen roten Faden in eurem Booking?
Chrigu: Wir setzen bewusst auf Vielfalt: Rock und Blues ist zwar immer noch stark, aber auch Pop, Comedy, Indie, Singer-Songwriter, Irish Folk oder Oldschool Hiphop haben Platz.
Was sagt ihr zu Gagen von Bands, die sich stets weiter in die Höhe schrauben?
Chrigu: Klar spüren wir das auch. Nach einem Bericht in einem US-Magazin erhielten wir viele Anfragen – viele Acts wollen unbedingt bei uns spielen. Sie verstehen meist, dass wir nicht jede Gage zahlen können: Bei 500 Plätzen ist das Limit schnell erreicht.
Dass Gagen steigen, können wir nicht umkehren, auch dass weniger konsumiert wird an der Bar, ist ein Fakt. Aber wir finden Wege, damit umzugehen. Dass sich das Ausgehverhalten verändert hat, spüren wir in Bezug auf die Mühle nicht - man darf es fast nicht sagen: Bei uns sind dreiviertel der Konzerte ausverkauft.
Ist die Mühle ein Selbstläufer?
Chrigu: Nein, so einfach ist es nicht. Es gab auch schwierige Zeiten mit Streitereien, damals kamen viele Leute nicht mehr. Heute läuft es wieder, aber es steckt schon viel Herzblut und Enthusiasmus dahinter, nur ein Selbstläufer ist es nicht.
Bei der Auswahl der Bands blicken wir auch auf deren Spotify-Zahlen oder auf ihre Reichweite in den Sozialen Medien – heutzutage gehört das dazu. Es ist ein Trugschluss, dass das Publikum kommt, egal wer spielt. Früher kamen Leute noch eher hier Billardspielen, ohne aufs Programm zu schauen. Das ist vorbei. Wir geben uns Mühe, interessant zu sein, ein breit gefächertes Publikum anzulocken, aber nicht nur mit Mainstream. Das ist ein Drahtseilakt, den man gehen muss.
Welche Art Musik läuft am besten?
Chrigu: Das ist wohl schon Pop-Rock und Blues.
Welcher Abend in der Mühle hat euch zuletzt emotional berührt?
Lea: Das Konzert von Manu Chao letztes Jahr war sehr speziell. Er spielt sonst auf den grossen Bühnen. Bei uns gab sich der Weltstar sehr nahbar. Man spürte, dass er Freude hatte. Er kam zwei Tage nach der Show nochmals bei uns vorbei, ass hier zu Mittag und wir «töggeleten» zusammen. Er kam sehr authentisch rüber und genoss das Konzert.
Welche Backstage Story bleibt unvergessen?
Chrigu: Der Rock’n’Roll ist langweilig geworden – was den Backstage anbelangt. (lacht) Früher wurden Backstages voneinander genommen, es ging um Drogen und Groupies. Das gibt es heute kaum mehr - was uns Recht sein kann. Oft kommen die Bands mit dem Nightliner an, stehen auf, machen Soundcheck, essen, spielen, fahren weiter.
Manche Bands spielen 28 Shows in 30 Tagen. Der Backstage ist ihr Wohnzimmer. Häufig sitzen sie im Backstage und schauen auf dem Handy was auf Insta läuft. Das Rockstarleben ist abseits der Bühne oft weniger glamourös, als man sich das vorstellt.
[i] Mühle Hunziken, Rubigen: Open-Air-Konzerte im Garten ab Montag, 2. bis 31. August. Konzertbeginn jeweils um 19 Uhr.
Erstellt:
28.07.2025
Geändert: 28.07.2025
Klicks heute:
Klicks total:
Bei BERN-OST gibt es weder Bezahlschranken noch Login-Pflicht - vor allem wegen der Trägerschaft durch die Genossenschaft EvK. Falls Sie uns gerne mit einem kleinen Betrag unterstützen möchten, haben Sie die Möglichkeit, dies hier zu tun.