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Energie Grosshöchstetten AG: Entscheiden muss das Volk

Dieses Jahr war die Aula nur halbvoll, als Magnus Furrer zur Infoveranstaltung der Energie Grosshöchstetten AG begrüsste. Es kam auch nicht zu dramatischen Ausbrüchen. Dennoch wurde deutlich, dass nicht alle Fragen geklärt, nicht alle Infos akzeptiert sind. Wie solid die Bevölkerung hinter der ENGH steht, wird sich an der Gemeindeversammlung zeigen.

ENGH-Verwaltungsratspräsident Magnus Furrer (stehend) erklärte den Stand der Dinge. Mit ihm am Tisch (von links): Simon Mühlheim, Marlis Toneatti, Ralph Bolzli, Clément Dupin und Reto Nause. (Foto: cw)

Vieles hat sich getan seit der Informationsveranstaltung im letzten Jahr: Die Energie Grosshöchstetten AG ENGH hat die Heizzentrale unter dem Neuhuspark in Betrieb genommen, Strom eingekauft, Smart-Meter installiert, die Fernwärme ausgebaut und mit den Projekten «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» (ZEV) und «Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) begonnen.

 

Trotz fehlender vier Millionen?

All das ist gelaufen, obwohl das Volk den Vier-Millionen-Kredit für die Energie Grosshöchstetten AG letzten November haushoch ablehnte. Wie ist das möglich? «Die ENGH AG ist ein gesundes Unternehmen mit einer knappen Liquidität», stellte Magnus Furrer an der diesjährigen Infoveranstaltung klar. Und: Bis Ende 2026 sei die Liquidität dank einem privaten Darlehen gesichert. «Bis dahin müssen wir eine Lösung finden.»

 

Vier Lösungsansätze

Als Lösung, erklärte er, stünden vier Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder gelingt eine Kapitalerhöhung. Oder dann wird beschlossen, das Aktionariat zu öffnen, sprich Aktien zu verkaufen. Funktioniert das nicht, könnte der Verwaltungsrat beschliessen, das Wärmegeschäft zu verkaufen. Oder, zeichnet sich keine andere Lösung ab, müsste letzten Endes die gesamte Energie Grosshöchstetten AG verkauft werden.

 

Neues – und Altes

Viel Neues also, und doch ist einiges gleichgeblieben. «Das Stromnetz ist sehr sanierungsbedürftig und erfordert hohe Investitionen», wiederholte Furrer die Info, die er schon letztes Jahr abgab. Und dementsprechend tauchten wie letztes Jahr mehrmals Fragen auf, warum sich die Gemeinde so teuren Strom überhaupt leisten wolle? Und warum erst jetzt ins marode Netz investiert werde?

 

«Geldvernichtungsofen?»

Ein Zuhörer äusserte deutlich seinen Ärger darüber, dass man immer noch viel zu viel bezahle, auch wenn der Abschluss jetzt tiptop sei. Er sprach von einem «Geldvernichtungsofen», weil 90 Prozent der Finanzen in die Fernwärme gesteckt und nichts ins Stromnetz investiert worden sei, und fragte provokativ: «Ist das ein Bubentrickli oder legal?»

 

«Nein, normales Geschäftsgebaren»

Furrer erklärte ruhig, dass das normales Geschäftsgebaren sei, und dass man nicht Geld aus dem einen Bereich zu Lasten des anderen Bereichs zurückhalte: «Wir arbeiten nicht mit zwei Buchhaltungen, sondern wir sind ein Energieunternehmen und müssen laufende Rechnungen bezahlen.»

 

In Bern läuft es übrigens gleich

So weit, so klar, und dennoch schienen die Anwesenden mit dieser Antwort nicht zufrieden, hier und da war leises ablehnendes Pusten zu hören. Schliesslich meldete sich Verwaltungsrat Reto Nause und beschwichtigte: Die Stadt Bern beschäftige sich mit genau derselben Thematik, auch dort gebe es grossen Investitionsbedarf punkto Fern- und Nahwärme. Er erklärte, dass ein Ablauf wie in Grosshöchstetten üblich sei: «Die Rentabilität kommt erst danach.»

 

Bundesebene oder hausgemachtes Problem?

Die Stromtarife, sagte Nause, seien ohnehin von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom) abgesegnet, und punkto Netznutzung und -abgaben habe die Gemeinde gar nichts zu sagen: «Das läuft auf Bundesebene.» Der Stimmbürger entgegnete: «Herr Nause, es geht hier aber um ein hausgemachtes Problem, weil die Strompreise zu hoch angesetzt worden sind.»

 

«Bitte nicht persönlich werden»

Und da verlor Magnus Furrer kurz seine stoische Ruhe und wurde laut. Hatte er zuvor noch freimütig zugegeben, einiges sei «keine gute Performance» gewesen, und versprochen «wir versuchen es besser», verlangte er jetzt scharf: Der Sprecher solle bitte nicht persönlich werden und Geschäftsführer Ralph Bolzli angreifen, sondern bei der Sache bleiben.

 

Kleines Déja-Vu und grosse Denkaufgabe

Irgendwann im Lauf des Abends erlebte wohl der eine oder die andere ein kleines Déjà-Vu: Die Verlinkung von Fernwärme und Stromgeschäft in einer Energiegenossenschaft ist offensichtlich immer noch vielen unklar. Und das bedeutet zugleich eine Denkaufgabe für den Verwaltungsrat der ENGH: Was läuft offenbar so gar nicht glatt im Austausch zwischen den Einwohner:innen der Gemeinde  und dem Verwaltungsrat?

 

«In 30 Jahren sieht es anders aus»

Immerhin erklärte Magnus Furrer unermüdlich und aus verschiedenen Blickwinkeln, dass die ENGH viele Jahre lang zu den günstigsten Stromanbietern gehört hatte, aufgrund diverser Faktoren jetzt zu den zwei teuersten gehöre, aber wieder günstiger werde. Und dass Fernwärme anfangs viele Investitionen benötige und daher teuer sei, sich aber im Lauf der Jahre auszahle. «In 30 Jahren würden wir hier ganz anders diskutieren», versprach er.

 

Aber die grosse Frage bleibt

Und doch blieb am Ende die eine grosse Frage im Raum stehen: Will sich die Gemeinde den teuren Strom und die eigene Fernwärme leisten? Über diese Frage, erklärte Furrer, müssten sich die Einwohnerinnen und Einwohner klar werden. Und wie diese zur ENGH stehen, wird sich an der Gemeindeversammlung zeigen, wenn es um die konkreten Abnahmeverträge geht.

 

[i] Gemeindeversammlung Grosshöchstetten, Donnerstag, 19. Juni, 19.30 Aula Schulhaus Schulgasse 3.

 

[i] Am Tisch des Infoanlasses sassen Verwaltungsratspräsident Magnus Furrer sowie die vier Verwaltungsratsmitglieder Clément Dupin, Simon Mühlheim, Reto Nause und die eben erst gewählte Marlis Toneatti. Sie ist die Nachfolgerin der bisherigen Verwaltungsrätin Christine Hofer und war in den letzten fünf Jahren Projektleiterin der Neuhuspark-Sanierung. Daneben am Tisch sass ENGH-Geschäftsführer Ralph Bolzli.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 17.06.2025
Geändert: 17.06.2025
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