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Ex-Walkringer auf Wanderschaft: "Ich habe mich mehrmals verlaufen"

Jonas Burlet (29) ist über 1'600 Kilometer nach Montenegro gewandert. Nach seiner Ankunft in Podgorica berichtet er, was er auf seiner Wanderung erlebt hat.

Jonas Burlet an der Grenze zu Montenegro, 27. November. (Bilder: zvg)
Burlet war mit möglichst wenig Gepäck unterwegs: Hier in Grünsee, 21. August.
Sonne tanken mit Aussicht im Südtirol, in der Region um Meran, 29. August.
Südtirol, Region um Meran, 29. August.
Südtirol, Rifugio Scoiattoli, 7. September.
Domegge di Cadore, 13. September.
Ankunft in Podgorica, 5. Dezember.

BERN-OST: Du bist am 5. Dezember an deinem Ziel, der Stadt Podgorica in Montenegro angekommen. Wie lange warst du unterwegs?

Jonas Burlet: Gesamthaft war ich 126 Tage unterwegs. Während dieser Zeit machte ich aber dreimal eine Woche "Ferien in den Ferien". Insgesamt bin ich etwas über 1'600 Kilometer gewandert. Das ist die reine Wanderstrecke. Kürzere Laufstrecken, als ich zum Beispiel irgendwo in einer Stadt Pause gemacht habe, sind da nicht mitgezählt.

 

Wie geht es dir?

Mir geht es sehr gut. Ich bin stolz, diese Wanderung gemacht zu haben. Ich bin auch stolz, konnte ich mein Social Media Projekt nach meinen Vorstellungen umsetzen. Ich muss zwar sagen, dass ich den Aufwand hierfür im Vorfeld ein wenig unterschätzt habe. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich jeweils am Abend im Zelt an diesem Projekt arbeiten werde. Es war aber so, dass ich nur an den Pausentagen dazukam.

 

Wie lief es allgemein mit deiner Wanderung? 

Die Wanderung lief sehr gut. Ich bin froh, hatte ich keine körperlichen Probleme, und auch sonst gab es keine unerwünschten Zwischenfälle. Ich hatte keine konkrete Vorstellung, wann ich in Podgorica ankommen möchte. Ich kann aber rückblickend sagen, dass ich etwas mehr Pausen und Ferien gemacht habe, als ursprünglich gedacht. Ich habe es sehr genossen, zum Teil länger an Orten zu bleiben, die mir gut gefallen haben.

 

Wie war das Wetter?

Der Einstieg in die Wanderung war hart, da es oft nass und kalt war. Danach war es zum Glück meistens warm bis auf ein paar Ausnahmen. Im Südtirol kam bei mir ein Sommergefühl auf, welches blieb, bis ich die Insel Krk wieder verliess. Danach lernte ich den Bora Wind (das ist ein böiger Fallwind) kennen. Und später kam ich auch noch in den Schnee. Aus diesem Grund entschied ich mich, meine Route zu ändern und im mediterranen Wetter auf der Insel Pag weiter zu wandern, anstatt in den höheren Lagen in Kroatien.

 

Was war die grösste Herausforderung?

In den Bergen waren es sicher die Ab- und vor allem die Aufstiege, die sich zum Teil täglich wiederholten. Eine weitere Herausforderung war der Umgang mit den Akkugeräten. Ich musste immer einplanen, dass ich diese wieder aufladen kann. Und ich musste mir immer bewusst Zeit nehmen, um während Wanderpausen meine Webseite, Instagram und Youtube zu aktualisieren.

 

Was lief alles schief?

Ich habe mich mehrmals verlaufen und bin an gefährlichen Stellen gelandet. Einmal in der Nähe von Meran. Ich verlor den verwachsenen Weg und landete in einem nicht sehr stabilen Steilhang. Den Steilhang musste ich dann etwa zwei Stunden lang durchklettern. Ein weiteres Mal habe ich im Naturpark Friulanische Dolomiten wahrscheinlich eine alte und nicht unterhaltene Wanderroute gewählt, die auch sehr anstrengend war. Ich musste zum Teil unter und über Baumstämme klettern, sowie ein ausgetrocknetes Bachbett hinauf klettern.

 

Einmal ist mir beim Packen des Rucksacks ein Missgeschick passiert. Ich wollte meinen Wasserbeutel richten und dabei hat sich der Verschluss gelöst. Mein ganzer Rucksack wurde nass. Dies war vor allem auch unangenehm, weil es an diesem Tag sehr kalt war.

 

In Bosnien liess ich mich von einem Einheimischen einladen. Die Einladung war zwar sehr nett, aber die Unterkunft, die mir angeboten wurde, war leider sehr heruntergekommen. Es lag überall Abfall herum. In dieser Nacht schlief ich schlecht und ich war danach froh, wieder weiter wandern zu können.

 

Was war das Schönste?

Ich finde es sehr schwierig, ein einzelnes Ereignis als schönstes Ereignis zu bezeichnen. Für mich sind alle neuen Orte interessant. Ich bin mir aber sicher, dass ich noch einmal nach St. Christina in Gröden gehen möchte. Ich würde dort gerne einmal im Winter hingehen, um zu snowboarden oder im Sommer, um mehr zu wandern und die Gegend noch besser kennenzulernen. Weiter hat mich der Naturpark Friulanische Dolomiten sehr beeindruckt. Ich habe dort die Ruhe und die pure Natur genossen.

 

Die Gegend um Rijeka in Kroatien gefiel mir sehr gut, da ich dort zum ersten Mal auf meiner Wanderung im Meer war. Ein weiteres Highlight war die Wanderung durch den Naturpark Velebit in Kroatien. Mir hat die Landschaft mit Meer und Bergen sehr gut gefallen.

 

Wie lief es mit dem Gepäck? Hast du es unterwegs reduziert?

Ich habe ein paar Kleidungsstücke aussortiert, aber es kamen auch neue dazu. Ich denke, ich bin mit ähnlich viel Gepäck unterwegs wie am Anfang. Aber ich machte mir täglich Gedanken, auf was ich verzichten könnte.

 

Wie lief es mit dem Essen?

Die meiste Zeit habe ich mir mit meinem Kocher etwas gekocht. Ich habe immer mehr Variationen ausprobiert, wie ich Polenta machen kann. Auch beim Porridge probierte ich immer wieder die Kombination mit anderen Trockenfrüchten. Ich war aber auch in vielen Restaurants. Und ich habe die Kaffeekultur in den Ländern, welche ich durchwandert habe, sehr genossen. 

 

Und mit der Fitness?

Ich fühle mich immer noch sehr fit und hatte keine grossen Probleme. Ich hatte während der gesamten Wanderung nie Blasen an den Füssen. Zum Teil hatte ich kurz kleinere Probleme, zum Beispiel Muskelkrämpfe, aber die haben nie lange angedauert.

 

Wie lief es mit dem Spenden sammeln für Viva con Agua?

Das Spenden sammeln läuft gut. Es ist bis jetzt eine tolle Summe zusammen gekommen, und ich würde mich freuen, wenn noch mehr dazu kommt. Ich habe mich auch entschieden, aus meiner Tasche für jeden gewanderten Kilometer 50 Rappen zu spenden.

 

Würdest du das Ganze nochmal machen?

Im Moment nicht. Aber so in 20 Jahren wär es spannend, die gleiche Wanderung nochmal zu machen und zu sehen, was sich verändert hat.

 

Was hast du in der vielen Zeit mit dir alleine über dich gelernt?

Ich bin stolz, dass ich mein Ziel, nach Podgorica zu wandern erreicht habe. Trotz der Herausforderungen konnte ich mich immer wieder motivieren, weiterzumachen. Weiter habe ich gelernt, dass ich gut mit mir alleine klarkomme und dass ich die Probleme, die anstehen, meistern kann.

 

Wie geht es jetzt weiter? Wann kehrst du zurück? Und was machst du dann? 

Ich reise jetzt mit einem Mietauto noch etwas durch Montenegro. Danach fliege ich zurück in die Schweiz. Der weitere Plan ist noch nicht ganz sicher. Eine Idee ist, bei einem Flüchtlingsprojekt einen Helfereinsatz zu machen. Ab März werde ich mir wieder einen Job suchen, um Geld zu verdienen.

 

Worauf freust du dich am meisten zuhause?

Auf meine Freundin, meine Freunde und meine Familie! Ich freue mich auch darauf, genau zu wissen, wo ich am Abend schlafe, und dass ich fliessend Wasser und Strom zur Verfügung habe.

 

[i] Hier geht es zum Blog von Jonas Burlet mit allen Informationen zur Route und hier zur Spendenaktion.

[i] Die Organisation Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. unterstützt weltweit Wasserprojekte.

[i] Das Interview wurde per Mail geführt.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 18.12.2021
Geändert: 18.12.2021
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