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Fabio Dietrich und Lois Wenzler: Ihr Traumjob ist nun Alltag

Quelle
Berner Zeitung BZ

Der künftige Metzger Fabio Dietrich aus Oberdiessbach und die angehende Fachfrau Gesundheit Lois Wenzler kennen sich nicht. Sie haben aber etwas gemeinsam: Sie haben soeben die Lehre zu ihrem Traumjob angefangen.

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Fabio Dietrich lernt Fleischfachmann in Münsingen (Bilder: Beat Mathys, Berner Zeitung BZ).
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Lois Wenzler lernt Fachfrau Gesundheit im Inselspital.
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Viele junge Menschen werden diese erste Augustwoche in Erinnerung behalten: Es ist der Beginn ihrer Lehre, der erste Schritt in das Berufsleben. Nicht alle haben jedoch eine Lehrstelle gefunden, noch Dutzende Jugendliche stehen im deutschsprachigen Kantonsteil ohne Anschlusslösung da (siehe Kasten).

Beeilen musste sich, wer sich um einen der gefragtesten Lehrstellen bemühte – etwa die Lehre zur Fachfrau Gesundheit (Fage). Lois Wenzler lacht, als sie auf die Beliebtheit ihrer Lehrstelle angesprochen wird. «Ich konnte es kaum glauben, aber ich musste sogar für das Schnuppern eine Bewerbung schreiben», sagt sie. 

Sehr viele Bewerbungen

Die 15-Jährige sitzt im Café hinter dem Haupteingang des Inselspitals und trinkt Eistee. Die Zufriedenheit ist ihr anzusehen: Sie kann nicht nur ihre Traumlehre beginnen, sondern hat sogar einen der 43 Plätze im Inselspital ergattert. «Die Ausbildung hier hat einen guten Ruf, und weil das Spital so gross ist, ist sie auch abwechslungsreich», erklärt sie. 

Es seien «sehr viele» Bewerbungen für die Fage-Lehre, die pro Jahr einträfen, sagt Margrit Suter, Abteilungsleiterin der Ausbildung Fage vom Inselspital. Nachdem diverse Bewerbungen wegen nicht erfüllter Grundbedingungen ausgemustert würden, gebe es immer noch zwei bis drei Anträge pro Stelle. «Ich bin schon ein wenig stolz, dass es geklappt hat», sagt Lois Wenzler.

Ein vielseitiger Beruf

Weniger Mühe hatte der ebenfalls 15-jährige Fabio Dietrich aus Oberdiessbach. Seinen Traumjob teilen nicht viele: Seitdem er als 13-Jähriger in einer Metzgerei aushalf, will er Fleischfachmann werden. «Der Job ist vielseitiger, als man denkt», sagt er. «Neben dem Schlachten muss man die Tiere ausbeinen, verarbeiten, zerlegen und veredeln.» Zudem sei der Job keine Schreibtischarbeit, sondern physisch anstrengend. Dietrich hat den Bereich «Gewinnung» deshalb als Fokus ausgewählt – das Schlachten. «Man muss etwas gröber zupacken», erklärt er. «Das hat mir beim Schnuppern gefallen.» 

Am vergangenen Montag fing seine dreijährige Lehre auch gleich mit dem Schlachten an: Um 5:30 Uhr morgens wurden vor der Metzgerei Nussbaum in Münsingen die Schweine ausgeladen. Nach dem Ausbluten musste Dietrich die Tiere in ein Bad mit 65 Grad heissem Wasser hieven, dort von einer Maschine entborsten lassen und anschliessend die Klauen entfernen. «Von irgendwo her muss das Fleisch ja kommen», sagt er. «Es war für mich deshalb kein Problem, das Töten der Tiere zu sehen.»

Dem Metzgerberuf haftet aber immer noch etwas Rohes an, das weiss auch sein Lehrmeister Stefan Nussbaum. «Wir kämpfen damit, dass die Leute ein falsches Bild von unserer Arbeit haben. Das Schlachten selbst ist nur ein kleiner Teil, gewisse Betriebe konzentrieren sich ausschliesslich aufs Veredeln.» Problematisch sei zudem, dass die Handwerkerberufe von den Eltern eher abgelehnt würden. «Immer mehr empfehlen ihren Kindern, den Gymer oder die Berufsmatur zu machen.» Unter anderem deshalb hat Nussbaum jedes Jahr mehr Mühe, Lehrlinge zu finden. 2014 etwa musste er auf eine Anstellung verzichten, weil sich niemand bei ihm bewarb. 

Wundwasser? Kein Problem

Die Vielseitigkeit nennt nicht nur Fabio Dietrich als Grund für die Lehrwahl, sondern auch Lois Wenzler. «Der Job hat mit Menschen zu tun – da ist der Alltag immer anders, weil die Patienten verschieden auf Krankheiten reagieren und andere Bedürfnisse haben.» Während der drei Jahre in der Insel wird sie diverse Praktika absolvieren, etwa im Transportdienst. Danach stehen ihr verschiedene Türen offen: Nach weiterführenden Schulen könnte sie etwa Pflegefachfrau, Physiotherapeutin, Ernährungsberaterin oder Rettungssanitäterin werden.

Am meisten freut sich Lois Wenzler auf die Menschen, die sie treffen wird. Auch auf die ganz kleinen: Die 15-Jährige wurde der Frauenklinik zugeordnet. Da sie schon beim Schnuppern auf der Neonatologieabteilung war, weiss sie, dass ihr die Arbeit mit Babys gefällt. «Nur wenn die Geburt schwer war oder das Kind krank ist, dann habe ich Mühe.» Es mache ihr aber nichts aus, Blut zu sehen, fügt sie hinzu. Sie wisse zwar noch nicht, wie es sein werde, einer Geburt oder einer Operation zuzusehen. «Aber während des Schnupperns musste ich zum Beispiel Drainagen mit Wundwasser leeren, und das war kein Problem.» Sogar dann nicht, als etwas davon auf ihre Handschuhe tropfte.

Der Wecker klingelt früh

Schwierigkeiten hat Lois Wenzler lediglich mit dem Aufstehen. Damit sie um 7 Uhr die Schicht beginnen kann, muss sie zu Hause in Mühlethurnen um 4.45 Uhr aus dem Bett. Den gleichen Arbeitsbeginn hat auch Fabio Dietrich. Dem Oberdiessbacher macht das aber weniger zu schaffen: «Bisher war ich am Abend nicht besonders müde», sagt er. Im Hintergrund ertönt ein Lachen. «Dann arbeitest du wohl noch zu wenig», ruft sein Lehrmeister.


Autor:in
Jessica King, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 06.08.2015
Geändert: 07.08.2015
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